BT-Drucksache 18/12996

zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Monika Lazar, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/10477 - Eine bundesweite Präventionsstrategie gegen den gewaltbereiten Islamismus

Vom 28. Juni 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12996
18. Wahlperiode 28.06.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Monika Lazar, Volker Beck (Köln),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/10477 –

Eine bundesweite Präventionsstrategie gegen den gewaltbereiten Islamismus

A. Problem
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellt fest, dass der Kampf gegen is-
lamistisch motivierte Terroranschläge neben zielgenauen sicherheitspolitischen
Maßnahmen auch eine wirkungsvolle Präventions- und Deradikalisierungsarbeit
benötige, die Präventionsarbeit bundesweit betrachtet jedoch nur ein inkonsisten-
ter Flickenteppich sei.
Die Antragsteller fordern die Bundesregierung daher auf, für eine durch zivilge-
sellschaftliche und staatliche Akteure gemeinsam zu entwickelnde bundesweite
Präventionsstrategie ein personell, finanziell und sachlich angemessen ausgestat-
tetes bundesweites Präventionszentrum einzurichten, Hilfe beim Aufbau von
Strukturen der Präventionsarbeit in islamischen Verbänden und Moscheegemein-
schaften zur Verfügung zu stellen und eine starke Kinder- und Jugendhilfe sowie
gute Bildungseinrichtungen für eine gleichberechtigte Teilhabe und Chancen in
einer vielfältigen Gesellschaft zu schaffen.

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Keine.

Drucksache 18/12996 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/10477 abzulehnen.

Berlin, den 28. Juni 2017

Der Innenausschuss

Ansgar Heveling
Vorsitzender

Clemens Binninger
Berichterstatter

Uli Grötsch
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Irene Mihalic
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12996
Bericht der Abgeordneten Clemens Binninger, Uli Grötsch, Ulla Jelpke und Irene
Mihalic

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 18/10477 wurde in der 218. Sitzung des Deutschen Bundestages am 16. Februar 2017
an den Innenausschuss federführend sowie an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, den Ausschuss
für Arbeit und Soziales, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und den Ausschuss für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung zur Mitberatung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat in seiner 159. Sitzung am 28. Juni 2017 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN die Ablehnung des Antrags empfohlen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner 127. Sitzung am 28. Juni 2017 empfohlen, den Antrag mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN abzulehnen.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat seiner 97. Sitzung am 28. Juni 2017 empfohlen,
den Antrag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abzulehnen.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat in seiner 101. Sitzung am 28. Juni
2017 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags empfohlen.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Innenausschuss hat in seiner 112. Sitzung am 29. März 2017 einvernehmlich beschlossen, eine öffentliche
Anhörung zu dem Antrag auf Drucksache 18/10477 durchzuführen und diese in seiner 122. Sitzung am 26. Juni
2017 durchgeführt. Gegenstand der Anhörung war auch der Bericht der Bundesregierung über Arbeit und Wirk-
samkeit der Bundesprogramme zur Extremismusprävention (Drucksache 18/12743). Hinsichtlich des Ergebnisses
der Anhörung, an der sich sechs Sachverständige beteiligt haben, wird auf das Protokoll der 122. Sitzung des
Innenausschusses vom 26. Juni 2017 verwiesen (Protokoll 18/122).

Der Innenausschuss hat den Antrag auf Drucksache 18/10477 in seiner 123. Sitzung am 28. Juni 2017 abschlie-
ßend beraten und empfiehlt die Ablehnung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

IV. Begründung

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht kritisch, dass in der 18. Legislaturperiode enorm viel über
Terrorismus und Sicherheit, aber kaum über Prävention debattiert worden und die öffentliche Anhörung daher
sehr wichtig gewesen sei. Sachverständige und Abgeordnete hätten gleichermaßen die Notwendigkeit einer bun-
desweiten Präventionsstrategie anerkannt. Eine solche, zwischen Akteuren der Zivilgesellschaft und des Staates
auf Augenhöhe erarbeitete Strategie existiere jedoch nicht. Dieses schwerwiegende Versäumnis könne durch den
Antrag geheilt werden. Bedenken zur Einrichtung eines bundesweiten Präventionszentrums aus Gründen über-
bordender Bürokratie könnten ausgeräumt werden. Unabhängig von der Bezeichnung sei eigentliches Ziel des

Drucksache 18/12996 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Antrags, Raum und Zeit für die Realisierung einer durch alle relevanten Akteure gemeinsam erarbeiteten Präven-
tionsstrategie zu schaffen. Ob dies in einem Präventionszentrum oder z.B. in einer ständigen Sachverständigen-
kommission erfolge, sei gleichgültig. Im Sinne des Kernanliegens des Antrags habe in der Anhörung auch Einig-
keit über eine notwendige Klärung der Rolle der muslimischen Verbände und Moscheegemeinden bei der Prä-
ventionsarbeit bestanden.

Die Fraktion DIE LINKE. bezeichnet die Anhörung und den in ihr stattgefundenen Austausch als ausgesprochen
wichtig und angesichts der zentralen Bedeutung des Themas als längst überfällig. Deutlich geworden sei die Not-
wendigkeit der Präventionsarbeit in der Sozial- und Jugendpolitik, deren Beginn und Inhalt viel genauer betrachtet
werden müsse. Auch die Debatte über die Art der Beteiligung der originär für religiöse Aufgaben zuständigen
Moscheen sei sehr erhellend gewesen. Würde der Antrag angenommen, wäre dies ein erster Schritt für einen
zentralen, koordinierenden Ansatz zur Erarbeitung einer Präventionsstrategie. Das Thema werde in der kommen-
den Legislaturperiode ebenso wichtig sein.

Die Fraktion der SPD sieht den Antrag positiv. Ihr fehle jedoch der konkrete Anwendungsbereich, da der Koa-
litionsausschuss Ende März 2017 eine bundesweite Präventionsstrategie beschlossen und für diese 100 Millionen
Euro für das Jahr 2018 vorgesehen habe. Kern des Problems sei bei allen Präventionsprojekten die Ungewissheit
über ihre finanzielle Zukunft. Ein Sachverständiger habe in der Anhörung deutlich gemacht, dass die Verstetigung
der Förderung zu besser qualifizierten Mitarbeitern und damit zu einer Verbesserung in der Präventionsarbeit
führen würde. Dafür habe die Fraktion der SPD als wichtigstes Element zur Abschaffung begrenzter Förderzeit-
räume von sinnvoller Prävention seit langem das Demokratiefördergesetz vorbereitet. Die Anhörung habe eben-
falls gezeigt, dass für die effektive Präventionsarbeit die Einzelfallbetrachtung zentral sei. Eine Strategie wie die
geforderte, an die sich alle Akteure starr halten müssten, hätte jedoch zur Folge, dass gute, sich auf Grund beson-
derer Situationen in Kommunen ergebende Initiativen nicht realisiert werden könnten.

Die Fraktion der CDU/CSU erklärt, die zu dem Antrag durchgeführte Anhörung gehöre zu den sehr guten in
dieser Legislaturperiode. Unabhängig von Parteilinien habe es einen offenen Austausch von Fakten und Argu-
menten gegeben. Kernbotschaft der Anhörung sei jedoch gewesen, dass immer neue Programme, Geldmittel oder
Organisationsformen das Problem nicht lösten. Zu allererst sei eine vernünftige Grundlagenforschung über die
Gründe notwendig, die junge Männer und Frauen innerhalb kürzester Zeit zu tötungsbereiten Fanatikern werden
ließen. Die Anhörung habe auch die nur geringen Bezüge von Radikalisierten zu Moscheen gezeigt und deutlich
gemacht, dass Moscheen mit dem Auftrag, Radikalisierungstendenzen früh zu erkennen, extrem überfordert wä-
ren. Ein für Radikalisierungen viel zentralerer Aspekt seien regionale Zusammenhalte. Wenn, wie ein Sachver-
ständiger berichtet habe, die Mehrheit der aus Europa ausreisenden IS-Kämpfer aus ähnlichen Regionen kämen,
müssten lokale Bündelungen betrachtet und zielgenau mit Präventionsarbeit begonnen werden.

Berlin, den 28. Juni 2017

Clemens Binninger
Berichterstatter

Uli Grötsch
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Irene Mihalic
Berichterstatterin

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.