BT-Drucksache 18/12553

zu der Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung - Drucksachen 18/10800, 18/10924 Nr. 1.15, 18/12467 - Zwölfter Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik (Berichtszeitraum 1. März 2014 bis 30. September 2016)

Vom 30. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12553
18. Wahlperiode 30.05.2017
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Annette Groth, Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan
van Aken, Matthias W. Birkwald, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen,
Dr. Diether Dehm, Heike Hänsel, Andrej Hunko, Katja Kipping, Katrin Kunert,
Stefan Liebich, Niema Movassat, Dr. Alexander S. Neu, Dr. Petra Sitte, Azize
Tank, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Birgit Wöllert,
Sabine Zimmermann (Zwickau) und der Fraktion DIE LINKE.

zu der Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksachen 18/10800, 18/10924 Nr. 1.15, 18/12467 –

Zwölfter Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik
(Berichtszeitraum 1. März 2014 bis 30. September 2016)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Zwölfte Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik wird den
Ansprüchen einer handlungsorientierten, an den universalen Menschenrechten ausge-
richteten Politik nicht gerecht.
Anstatt ein differenziertes, problemorientiertes und auf die Behebung von Missständen
fokussiertes Bild der Lage der Menschenrechte in Deutschland und der Welt zu zeich-
nen, ist der aktuelle Menschenrechtsbericht weitestgehend darauf beschränkt, Verord-
nungen und Vorschriften aufzuzählen, die die Bundesregierung im Berichtszeitraum
als rechtsverbindlich anerkannt hat. In den Ausführungen zur Situation der Menschen-
rechte in Deutschland (Teil A) fehlt insbesondere eine umfassende Analyse der hiesi-
gen Lage der Menschenrechte, insbesondere der wirtschaftlichen, sozialen und kultu-
rellen Menschenrechte (Soziale Menschenrechte). Im internationalen Teil B des Men-
schenrechtsberichts werden die durch die deutsche Außen-, Außenwirtschafts- und
Entwicklungspolitik verursachten Probleme kaum berücksichtigt. In Teil C, Men-
schenrechte weltweit, finden sich keinerlei Ausführungen zur Lage der Menschen-
rechte in den westlichen Industrieländern wie den EU-Mitgliedstaaten oder den USA.
Trotz langjähriger Kritik von Nichtregierungsorganisationen (NGO) ist der Aktions-
plan des Zwölften Menschenrechtberichts (Teil D) weder handlungsorientiert noch
konkret. Die in den vorherigen Berichten genannten Prioritäten und Maßnahmen sind
kaum auf ihre Umsetzung und Wirkung überprüft worden, es herrscht ein Mangel an

Drucksache 18/12553 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Rechenschaftslegung, Zuständigkeiten, Zeitrahmen, konkreten Zielgrößen und Evalu-
ation bezüglich der Gewährleistung der von der Bundesregierung als rechtlich bindend
anerkannter Verpflichtungen. Dem Anspruch einer umfassend an den allgemein aner-
kannten Menschenrechten ausgerichteten Politik kann der Zwölfte Bericht der Bun-
desregierung über ihre Menschenrechtspolitik nicht genügen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. im nächsten Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik nicht
nur auf durch die Bundesregierung auf den Weg gebrachte Gesetze, Verordnun-
gen und Vorschriften zu fokussieren, sondern eine umfassende Analyse von be-
stehenden Problemen im Bereich der Menschenrechte in Deutschland und der
Welt vorzunehmen sowie mögliche nachhaltige Lösungsansätze aufzuzeigen;

2. im nationalen Teil A im Besonderen:
a) ein ausführliches Kapitel zur realen Entwicklung der wirtschaftlichen, sozi-

alen und kulturellen sowie der politischen und bürgerlichen Menschenrechte
in Deutschland aufzunehmen sowie adäquate Lösungsstrategien zu entwi-
ckeln, um dieses Kapitel in enger Zusammenarbeit mit Menschenrechtsor-
ganisationen zu erarbeiten. Dabei sollte besonders das Thema Armut, na-
mentlich bei benachteiligten sozialen Gruppen, Berücksichtigung finden
und dargelegt werden, welcher Kurswechsel in der Bundespolitik nötig
wäre, um hier Abhilfe zu schaffen;

b) die Zusammenhänge von Armut und Gesundheit zu analysieren und wirk-
same Maßnahmen für die Beendigung der Benachteiligung von sozial Aus-
gegrenzten für ihre Gesundheitschancen aufzuzeigen sowie die Bedingun-
gen, die Menschen mit Pflegebedarf an Teilhabe und Selbstbestimmung hin-
dern, zu analysieren und Lösungsvorschläge zu unterbreiten;

c) ein eigenes Kapitel zur Situation der Mitbestimmung in Betrieben, der Aus-
grenzung und Kündigung von gewerkschaftlich aktiven Beschäftigten und
der Verletzung von gewerkschaftlichen Rechten in Deutschland und den
Staaten der EU aufzunehmen;

d) sich eingehender mit den zunehmenden rassistisch motivierten Gewalttaten
in Deutschland und den Staaten der Europäischen Union auseinanderzuset-
zen und konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung der zunehmenden Fremden-
feindlichkeit, von Rassismus, Antisemitismus und antimuslimischem Ras-
sismus vorzuschlagen und die Politik gegenüber Geflüchteten detaillierter
zu beschreiben sowie darzustellen, wie diese in Zukunft im Einklang mit den
Menschenrechten und internationalen Bestimmungen organisiert werden
soll;

e) die menschenrechtlichen Folgen von Abschiebungen aufzuzeigen und poli-
tische Konsequenzen hieraus zu ziehen, insbesondere indem sichergestellt
wird, dass Abschiebungen bei drohenden Menschenrechtsverletzungen un-
terbleiben; die rechtliche Einzelfallprüfung muss durch entsprechende Ab-
schiebestoppregelungen in Bezug auf Länder, in denen Menschenrechtsver-
letzungen in besonderer Weise drohen, ergänzt werden, wie aktuell etwa in
Bezug auf Afghanistan;

f) sich intensiver mit Racial Profiling zu beschäftigen und diese Praxis als nicht
mit den Menschenrechten vereinbare Form des Rassismus zu unterbinden,
gesetzliche Schritte aufzuzeigen, die es ausdrücklich verbieten, als Entschei-
dungsgrundlage für polizeiliche Maßnahmen wie Personenkontrollen, Iden-
titätsfeststellungen, Ermittlungen und Überwachungen das äußere Erschei-
nungsbild, die Hautfarbe oder die Gesichtszüge heranzuziehen;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/12553

g) sich mit der zunehmenden Militarisierung der Gesellschaft auseinanderzu-
setzen und darzulegen, wie Bildungseinrichtungen grundsätzlich zu militär-
freien Einrichtungen werden können. Gleichzeitig ist in den künftigen Men-
schenrechtsberichten die Forderung nach dem Verzicht auf die freiwillige
Rekrutierung von unter 18-Jährigen für die Bundeswehr aufzunehmen, wie
dies dem Anliegen der UN-Kinderrechtskonvention entspricht;

3. einen Zeitplan darzulegen, bis wann die Bundesregierung dem Bundestag fol-
gende internationale Verträge zur Unterzeichnung und/oder Ratifizierung vorle-
gen wird; in den Fällen, in denen dies nicht beabsichtigt ist, soll eine ausführliche
Begründung erfolgen:
a) das Fakultativprotokoll zum UN-Pakt über wirtschaftliche, soziale und kul-

turelle Rechte (UN-Sozialpakt),
b) die Revidierte Europäische Sozialcharta von 1996,
c) das Zusatzprotokoll zur Europäischen Sozialcharta über Kollektivbeschwer-

den,
d) die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeit-

nehmer und ihrer Familienangehörigen,
e) das 12. Protokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK),
f) die ILO-Konvention Nr. 131 (Übereinkommen über die Festsetzung von

Mindestlöhnen, besonders unter Berücksichtigung der Entwicklungsländer),
g) das ILO-Übereinkommen Nr. 169 über die Menschenrechte indigener Völ-

ker,
h) das Protokoll 2014 zur ILO-Konvention Nr. 29 über Zwangsarbeit;

4. im Teil B Menschenrechtspolitik folgende Aspekte zu berücksichtigen:
a) in einem eigenen Kapitel die EU-Flüchtlingspolitik und vorherrschende

Fluchtursachen detailliert darzulegen und dabei Maßnahmen für die sofor-
tige und menschenwürdige Aufnahme von Geflüchteten und Menschen in
Not mit dem Ziel, legale Einreisemöglichkeiten zu schaffen, aufzuzeigen.
Fluchtursachen sollen eingehend analysiert und konkrete Schritte mit
Budget- und Zuständigkeitsangaben benannt werden, um diese wirksam zu
beseitigen;

b) in einem eigenen Kapitel die menschenrechtliche Situation von Geflüchteten
in den EU-Mitgliedstaaten und an den EU-Außengrenzen unter besonderer
Berücksichtigung der Rolle von Frontex aufzuzeigen und konkrete Vor-
schläge zur Verbesserung der menschenrechtlich nicht zu verantwortenden
Behandlung von Geflüchteten vorzuschlagen. Menschenrechtliche Verfeh-
lungen von Frontex-Bediensteten sollen detailliert aufgelistet und Vor-
schläge für Abhilfe unterbreitet werden;

c) die extraterritoriale Verantwortung der Bundesregierung in der Außen-, Au-
ßenwirtschafts- und Entwicklungspolitik zu analysieren. Dabei sollen die
extraterritorialen Staatenpflichten Deutschlands bezüglich seiner Unterneh-
men sowie die Umsetzung von Transparenzbestimmungen detailliert darge-
legt werden. Die Zuliefererketten für die internationale Güterproduktion von
deutschen Unternehmen müssen offengelegt werden und es muss dargelegt
werden, wie eine Menschenrechtsprüfung für die Investitionen der deut-
schen Wirtschaft im Ausland sichergestellt werden kann – unter Berücksich-
tigung der Mitverantwortung Deutschlands für den Klimawandel;

d) in einem Kapitel die menschenrechtlichen Auswirkungen von Handels- und
Investitionsschutzabkommen zu beleuchten und Vorschläge für die Durch-
setzung von fairen Handelsbeziehungen zwischen den Staaten des globalen
Südens und des globalen Nordens aufzuzeigen;

Drucksache 18/12553 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

e) ein eigenes Kapitel zum Thema „Menschenrechtliche Auswirkung der rest-
riktiven Finanzpolitik, der exzessiven Exportorientierung der EU-Kernlän-
der und der neoliberalen Austeritätspolitik auf die Menschen in der EU“ auf-
zunehmen;

f) sich in einem eigenen Kapitel mit den Folgen der „interessengeleiteten Au-
ßenpolitik“ auseinanderzusetzen und die Auswirkungen der Auslandsein-
sätze der Bundeswehr auf die Menschenrechte zu evaluieren;

g) sich in einem Kapitel „Deutsche Rüstungsexporte“ mit den konkreten Fol-
gen von Rüstungsexporten auseinanderzusetzen und zu überprüfen, in wel-
cher Weise diese Waffen mittelbar oder unmittelbar zu Menschenrechtsver-
letzungen beigetragen haben;

h) das Kapitel „Besonders strenge Regelungen für den Export von Kleinwaf-
fen“ für den nächsten Menschenrechtsbericht grundlegend zu überarbeiten,
ein Verbot von Waffenexporten anzuregen und sich für ein internationales
Verbot der Verbreitung von Kleinwaffen einzusetzen;

i) ein Kapitel über die Auswirkungen der extralegalen Tötungen durch NATO-
Mitgliedstaaten aufzunehmen und die Verantwortung von deutschen Stellen
bei der Beihilfe zu extralegalen Tötungen aufzuzeigen, die zentrale Rolle
von Ramstein bei der logistischen Unterstützung von extralegalen Tötungen
darzulegen und Opferzahlen zu benennen;

5. im länderspezifischen Berichtsteil C die Menschenrechtslage in den westlichen
Industriestaaten, insbesondere in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union
und in den USA angemessen zu thematisieren;

6. im Aktionsplan (Teil D) die genannten Prioritäten und Maßnahmen der vorheri-
gen Berichte auf ihre Umsetzung und Wirkung zu überprüfen. Im aktuellen Ak-
tionsplan sind genannte Ziele und die Zuständigen sowie der Zeitrahmen für de-
ren Umsetzung zu benennen. Zudem müssen ausreichende Finanzmittel für die
Umsetzung der Ziele angegeben und die Einrichtung eines unabhängigen Kon-
trollmechanismus vorgesehen werden. In dem Aktionsplan sind die internationa-
len Maßstäbe für die Bewertung menschenrechtlicher Aktionspläne zu beachten.

Berlin, den 30. Mai 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/12553
Begründung

Die Ausführungen zu den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten haben mit der sozialen Situation in
Deutschland wenig gemein. So geht der Bericht auf die Menschenrechtsverletzungen, die in Folge der neolibe-
ralen Spar- und Kürzungspolitik entstehen, nicht ein. Deren Auswirkungen sind: steigende soziale Ungleichheit,
zunehmende Verarmung einkommensarmer Bevölkerungsschichten, wachsende Kinderarmut, sich verstetigende
Bildungsungleichheit, Obdachlosigkeit, Erwerbslosigkeit, erschwerter Zugang zur gesellschaftlicher Teilhabe.
Die Ausgrenzung von besonders verwundbaren Gruppen wie Geflüchtete, Arme, Alleinerziehende, Ältere, chro-
nisch Kranke, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderungen steigt. Die Fokussierung
der Armutsbekämpfung der Bundesregierung „auf einen hohen Beschäftigungsstand bei auskömmlichen Löh-
nen“ stellt eine verkürzte Strategie dar und ist mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen auf Umsetzung der
Menschenrechtsnormen des UN-Sozialpaktes nicht in Einklang zu bringen. Es fehlt die politische Bereitschaft,
eine umfassende soziale und kulturelle Teilhabe in der Zivilgesellschaft mit zeitlich und finanziell ausreichenden
Ressourcen zu ermöglichen.
Im Bericht fehlt die Auseinandersetzung mit dem seit 2015 geltenden gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,84
Euro brutto pro Arbeitsstunde und der Frage danach, wie hoch ein bedarfsorientierter Mindestlohn in Deutsch-
land und den Staaten der Europäischen Union sein müsste, um Alltagsarmut, gesellschaftliche Ausgrenzung und
Altersarmut zu verhindern. Ferner thematisiert der Bericht in keiner Weise die tägliche Verletzung von Arbeit-
nehmer- und Arbeitnehmerinnenrechten hierzulande. Zwar weist der Bericht darauf hin, dass „in Deutschland
die verfassungsrechtlich verankerte Tarifautonomie“ gelte, verschweigt jedoch die vielfache Behinderung von
gewerkschaftlicher Organisierung in Betrieben.
Der Bericht vernachlässigt das Problem der wachsenden Altersarmut in der Bundesrepublik Deutschland. Der
Deutsche Bundestag weist die Aussage im Menschenrechtsbericht zurück, dass zur Vermeidung von Altersarmut
zusätzliche Altersvorsorge erforderlich sei, um das Sinken des Rentenniveaus auszugleichen (Seite 15). Gerade
Bezieherinnen und Bezieher niedriger Einkommen und Menschen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen
sind finanziell nicht in der Lage, durch private Rücklagen das Sinken des Rentenniveaus zu kompensieren. Der
Deutsche Bundestag erwartet vielmehr von der Bundesregierung, die exorbitante Zunahme von atypischen Be-
schäftigungsverhältnissen zu begrenzen, den Mindestlohn deutlich anzuheben und die radikale Absenkung des
gesetzlichen Rentenniveaus rückgängig zu machen. Gleichzeitig übergeht die Bundesregierung in ihrem Bericht,
dass immer mehr Menschen aus einer adäquaten Gesundheitsvorsorge und -behandlung ausgegrenzt und dadurch
häufiger krank und eher pflegebedürftig werden.
Trotz der Aussage im Menschenrechtsbericht, dass „bezahlbares und angemessenes Wohnen zu den Grundbe-
dürfnissen aller Menschen“ gehört (Seite 15), ist Deutschland von einer Verwirklichung des Menschenrechts auf
Wohnen aus dem UN-Sozialpakt und der Europäischen Sozialcharta weit entfernt. Das Menschenrecht auf Woh-
nen erfordert die Verfügbarkeit angemessenen und bezahlbaren Wohnraums für alle sowie einen diskriminie-
rungsfreien Zugang zu Wohnraum, eine menschenwürdige Wohnqualität und Wohnlage.
Die Thematisierung des Rechts eines jeden auf Bildung gemäß Artikel 13 des UN-Sozialpaktes ist unzureichend.
Die hohe Selektivität des Schulsystems wird ausgeblendet. Aufgrund fehlender öffentlicher Mittel greifen immer
mehr Schulen und Bildungseinrichtungen auf Sponsoring durch private Unternehmen und Organisationen zu-
rück, die dadurch zunehmend Einfluss auf die Ausrichtung der Bildungsinhalte nehmen. Durch die direkte Ge-
staltung von Unterrichtseinheiten, die Bereitstellung von Lehrmaterial oder das Angebot von Seminaren für
Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer wird an Bildungseinrichtungen intensiv für den Dienst
in der Bundeswehr geworben. Minderjährige werden zunehmend für die Streitkräfte rekrutiert.
Eine angemessene Untersuchung von durch Intoleranz und Rassismus motivierten Menschenrechtsverletzungen
innerhalb Deutschlands bleibt der Bericht schuldig, obwohl Deutschland im Überprüfungsbericht des Europara-
tes vom 8. Juni 2016 für zunehmenden Rassismus und Intoleranz kritisiert wird. In der „Regelmäßigen Überprü-
fung“ wird ausdrückliche Besorgnis geäußert angesichts der steigenden Zahl von Übergriffen auf Moscheen und
Muslime (Nr. 53). Der Menschenrechtsbericht geht zwar auf die Verfolgung von Musliminnen und Muslimen in
Ländern wie Indien, Indonesien oder Myanmar ein, der zunehmende antimuslimische Rassismus in Deutschland
findet hingegen keine Erwähnung.
Die Praxis des „Racial Profilings“ durch die Bundes- und Landespolizei als eine Form von institutionellem Ras-
sismus findet keine Erwähnung im Menschenrechtsbericht der Bundesregierung. Der UN-Ausschuss für die Be-
seitigung der Rassendiskriminierung (CERD) und das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) haben in

http://www.frieden-und-sicherheit.de/start
http://de.wikipedia.org/wiki/Institutioneller_Rassismus
http://de.wikipedia.org/wiki/Institutioneller_Rassismus
Drucksache 18/12553 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
der Vergangenheit ihre Besorgnis über die Racial-Profiling-Praktiken bei der deutschen Polizei geäußert und ihr
Verbot gefordert. In der „Regelmäßigen Überprüfung“ heißt es, dass es so scheine, „dass einige Polizeibeamte
zögerlich sind, Anzeigen von Straftaten mit einem rassistischen oder homo-/transphoben Motiv aufzunehmen“
(Nr. 57).
Wie schon in den Vorgängerberichten wird die Situation von Asylsuchenden, Geflüchteten und Menschen ohne
gültige Papiere beschönigt. Es findet keine Auseinandersetzung mit notwendigen Maßnahmen zur Durchsetzung
einer an den universalen Menschenrechten orientierten Politik gegenüber Geflüchteten statt. Der Bericht ignoriert
die Verletzung internationaler Abkommen durch die derzeitige Migrations- und Flüchtlingspolitik der Bundes-
regierung der EU.
Die Bundesregierung unterlässt eine eingehende Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen, die auf die
Außenpolitik Deutschlands und der EU, auf internationale Militärmissionen und Auslandseinsätze der Bundes-
wehr zurückzuführen sind. Der vermeintliche Schutz von Menschenrechten wird lediglich zur Rechtfertigung
von Militärinterventionen instrumentalisiert. Zur Abwehr von Geflüchteten haben die EU-Staaten ihre militäri-
sche Präsenz an den EU-Außengrenzen gestärkt. Trotz inzwischen mehr als 30.000 ertrunkener Geflüchteter im
Mittelmeer und immer wieder kehrender Berichte über zahlreiche Menschenrechtsverletzungen durch die Grenz-
schützerinnen und Grenzschützer hat die Bundesregierung keine umfassende Evaluierung ihrer Mittelmeerein-
sätze vorgenommen.
Der Bericht ignoriert ferner die Verletzungen der Menschenrechte durch Drohneneinsätze und extralegale Tö-
tungen einzelner NATO-Verbündeter und geht nicht auf die Mitverantwortung Deutschlands an Drohneneinsät-
zen zu Tötungszwecken durch US-Einrichtungen wie in Ramstein oder AFRICOM in Stuttgart ein. Die Bundes-
regierung verstößt hierbei gegen die im Bericht ausgeschlossene „Mitwirkung deutscher Stellen an der Verhän-
gung oder Vollstreckung der Todesstrafe durch Dritte“ (Seite 59).
Im Zuge der deutschen Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik verursachte Menschenrechtsverletzungen
werden kaum berücksichtigt. Insbesondere durch die westlichen Freihandels- und Investitionsschutzabkommen
werden Entwicklungsländer wirtschaftlich abgehängt. Die Behauptung, das „Instrumentarium menschenrechtli-
cher Folgeabschätzungen für Handelsabkommen“ sei weiterentwickelt worden, ist in der Außenhandelspolitik
der Bundesregierung und der EU nicht feststellbar. Die Verantwortung von international agierenden Unterneh-
men wird lediglich oberflächlich angesprochen und die Beachtung der Kernarbeitsnormen der ILO wird nicht als
verbindlicher Standard für alle international agierenden Unternehmen verankert.
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