BT-Drucksache 18/12529

Mögliche Interessenkonflikte in der Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS) bei der Fachaufsicht über Wirtschaftsprüfer

Vom 23. Mai 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12529
18. Wahlperiode 23.05.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, Jutta Krellmann,
Thomas Lutze, Thomas Nord, Richard Pitterle, Michael Schlecht,
Dr. Axel Troost und der Fraktion DIE LINKE.

Mögliche Interessenkonflikte in der Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS)
bei der Fachaufsicht über Wirtschaftsprüfer

In den Vereinigten Staaten von Amerika sind aktuell massive Interessenkonflikte
innerhalb der Aufsichtsbehörde PCAOB (Public Company Accounting Oversight
Board) für Wirtschafts- und Abschlussprüfer und der KPMG, einer der vier inter-
national dominanten Beratungs- und Prüfgesellschaften (Big 4) aufgedeckt wor-
den (vgl. Financial Times: KPMG scandal highlights problem of auditing’s re-
volving door; 13. April 2017). Der als Drehtüreffekt bekannte Umstand der Rek-
rutierung führender Mitarbeiter der Big 4 (PWC, KPMG, Ernst & Young, Deloi-
tte) für die Aufsicht u. a. eben dieser Unternehmen und/oder der Wechsel (u. a.
die Rückkehr nach wenigen Jahren zum alten Arbeitgeber) ist ein Aspekt für Un-
tersuchungen, inwieweit unter diesen Bedingungen eine transparente, objektive
Aufsicht der Prüfungsgesellschaften möglich ist und ob unter diesen Umständen
das öffentliche Vertrauen in die Aufsicht schwer geschädigt wird.
Das rechtswidrige Verhalten führte zwar bei der KPMG zu Entlassungen von
Partnern (vgl. Financial Times: KPMG fires six partners including head of US
audit, 12. April 2017), jedoch sind die institutionellen und aufsichtsrechtlichen
Probleme nicht ausgeräumt. Die auch von der Europäischen Union (EU) in den
Mitgliedstaaten geforderte formalrechtliche Trennung zwischen Aufsichtsbe-
hörde und Beratungs- und Prüfungsgesellschaften und/oder strenge Verhal-
tenskodizes sind allein kaum hinreichend, um dieses strukturelle Problem lö-
sen zu können. Der aktuelle Fall in den USA ist eben nicht durch die PCAOB
oder KPMG aufgedeckt, sondern allein durch Aussagen Beteiligter („Whistle-
blowing“) öffentlich gemacht worden.
Die EU-rechtlichen Vorgaben erforderten vor kurzem die Errichtung einer voll-
ständig vom Berufsstand unabhängigen Berufsaufsichtsbehörde. Übergeordnete
Beurteilungskriterien für deren Arbeit sind ebenso Glaubwürdigkeit und Trans-
parenz, die u. a. gewährleistet werden sollte über eine berufsstandsunabhängige
Leitung und Offenlegung aller Verbindungen mit den Prüfungsgesellschaften. In
Deutschland wurde die ehemalige Abschlussprüferaufsichtskommission (APAK)
in das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) als eigenständige
Abteilung „Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS)“ ohne personelle Änderung
integriert. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat weiter
die Rechts- aber keine Fachaufsicht und auch die Leitung der BAFA ist nicht in
die Lage versetzt worden, die APAS fachlich zu beaufsichtigen, woraus sich u. a.
verfassungsrechtliche Fragen im Hinblick auf den möglichen Verstoß gegen Ar-

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tikel 12 des Grundgesetzes ergeben (vgl. Lenz, Hansrudi: Organisation und Auf-
gaben der Abschlussprüferaufsichtsstelle beim Bundesamt für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle; WP Praxis 9/2015. Herne).
Angesichts der großen Prüfungs- und Berichtsmängel im Vorfeld der „Finanz-
krise“ und der Dominanz der Big 4 bei der Abschlussprüfung insbesondere von
Unternehmen im öffentlichen Interesse (u. a. Banken, Versicherungen oder Au-
tomobilkonzerne wie VW) stellt sich im Hinblick auf die Überwachung der Prü-
fer und ihrer Testate durch die APAS die Frage, ob und wie ähnlich gelagerte
Interessenskonflikte – wie jüngst in den USA – verhindert werden können.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Gibt es Richtlinien, mit denen eine wirksame Rechtsaufsicht gegenüber der

APAS durchgesetzt wird, und wie wurden diese bislang angewandt?
Wenn es keine Richtlinie gibt, auf welchem Wege stellt die Bundesregierung
die wirksame Aufsicht sicher?

2. Wie viele der insbesondere mit der Sonderuntersuchung betrauten Mitarbei-
ter der APAS hatten vorher unmittelbar und mittelbar berufliche Verbindun-
gen zu den Big 4 (bitte detailliert auflisten), und wie bewertet die Bundesre-
gierung mögliche Verbindungen im Hinblick auf Interessenkonflikte?
Hat die Bundesregierung Belege für eine Phase der „Abkühlung“ der Bezie-
hungen von ehemaligen Mitarbeitern zum Arbeitgeber nach drei Jahren?

3. Wie hat die Bundesregierung beim Übergang von der APAK zur APAS in
der BAFA die Unabhängigkeit und mögliche Befangenheit des Personals ge-
prüft und sichergestellt, dass keine Interessenkonflikte vorliegen?
Welche Aufzeichnungen und Vereinbarungen liegen zu diesen Überprü-
fungsvorgängen vor?

4. Ist der ministeriellen Rechtsaufsicht bekannt, ob ehemalige, mit der Sonder-
untersuchung befasste Personen der APAK bzw. der APAS zurück zu ihrem
früheren Arbeitgeber gewechselt sind oder in einem anderen Unternehmen
der Big 4 angestellt worden sind?
Wenn ja, wie viele Personen betrifft dies, und zu welchem Zeitpunkt gab es
einen Wechsel in die APAK und zurück zum Arbeitgeber?
Welche (Schutz)Maßnahmen hatte die Rechtsaufsicht bzw. APAK in ent-
sprechenden Fällen getroffen?

5. Wenn der Rechtsaufsicht entsprechende Fälle nicht bekannt sind, liegt es da-
ran, dass es sie nicht gibt oder daran, dass solche Fälle nicht in Erfahrung
gebracht worden sind und/oder dazu nicht nachgefragt wird?

6. Gibt es für Mitarbeiter bei der APAS rechtliche Regelungen für den Fall des
Ausscheidens und Aufnahme eines neuen Beschäftigungsverhältnisses im
gleichen Berufsfeld bzw. beim vorherigen Arbeitgeber?
Wenn ja, welche Regeln bzw. Schutzmaßnahmen gibt es, und seit wann lie-
gen sie vor?
Wenn nein, warum gibt es keine Schutzmaßnahmen?

7. Wie hat die Rechtsaufsicht die Einhaltung der gesetzlichen Aufgaben nach
§ 62b der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) (Anlassunabhängige Sonderun-
tersuchung) durch die APAK überprüft?

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8. Ist der Rechtsaufsicht bekannt, dass es „Rückkehrzusagen“ von Seiten der
Big 4 für deren Angestellte bei einem Wechsel zur Sonderuntersuchung bei
APAK bzw. APAS gab oder noch gibt?
Wie werden solche Zusagen im Hinblick auf Interessenkonflikte bewertet,
und welche Konsequenzen resultieren daraus für die Rechtsaufsicht?

9. Sind finanzielle und/oder sonstige Beziehungen zwischen den Big 4 und
früheren Mitarbeitern während ihrer Zeit bei APAK bzw. APAS bekannt
(z. B. Pensionszusagen)?
Werden solche Aspekte überhaupt durch die Rechtsaufsicht geprüft, und
wenn ja, mit welchen Ergebnissen?
Wenn nein, warum wird dies nicht geprüft?

10. Welche Kontrollfunktion und Kontrollstrukturen hat die Rechtsaufsicht zur
Gewährleistung der Unabhängigkeit der APAS angeregt?
Ist die BAFA dazu in der Lage, diese Kontrolle auch fachgerecht auszuüben?

11. Ist der Bundesregierung bekannt, wie lange Mitarbeiter der Sonderuntersu-
cher nach dem Wechsel von der Big 4-Gesellschaft zur APAK bzw. APAS
noch Mitglieder in einem Alumni-Netzwerk ihres früheren Arbeitsgebers
waren?
Wie werden solche Alumni-Mitgliedschaften beim früheren Arbeitgeber im
Hinblick auf mögliche Interessengegensätze und Befangenheit bei der Prü-
fung des ehemaligen Arbeitgebers bewertet?
Sieht die Bundesregierung hier Handlungsbedarf?

12. Wie oft waren Mandate der KPMG bei der APAK bzw. APAS Gegenstand
einer Sonderuntersuchung?

13. Wie oft war das KPMG-Mandat „Deutsche Bank“ Gegenstand einer Sonder-
untersuchung durch die APAK bzw. APAS seit dem Jahr 2007 (Start der
Sonderuntersuchung)?
Was waren die Untersuchungsgegenstände?

14. Wie wird sichergestellt, dass die Leitung der APAS (in der alle drei Leitungs-
personen frühere KPMG-Wirtschaftsprüfer waren) keinen Einfluss auf die
Sonderuntersuchung und die Auswertung der Berichte bei Mandaten der
KPMG nehmen kann?
Welche Schutzmaßnahmen stehen der APAS zur Verfügung, und wie über-
wacht die ministerielle Rechtsaufsicht deren Einhaltung?

Berlin, den 23. Mai 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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