BT-Drucksache 18/12094

Ausstellungsvergütung gesetzlich verankern - Gerechtigkeitslücke für bildende Künstlerinnen und Künstler schließen

Vom 26. April 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/12094
18. Wahlperiode 26.04.2017
Antrag
der Abgeordneten Sigrid Hupach, Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie Hein,
Norbert Müller (Potsdam), Cornelia Möhring, Harald Petzold (Havelland),
Katrin Werner, Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Ausstellungsvergütung gesetzlich verankern ‒ Gerechtigkeitslücke für
bildende Künstlerinnen und Künstler schließen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Schaffen von Künstlerinnen und Künstlern aller Sparten ist für eine lebendige
Demokratie unverzichtbar. Aufgabe von Politik ist es, günstige Rahmenbedingungen
für ihr Wirken herzustellen.
Für bildende Künstlerinnen und Künstler gehören laut aktueller Studie des Bundesver-
bands Bildender Künstlerinnen und Künstler zu diesen Rahmenbedingungen an vor-
derer Stelle gute Ausstellungsmöglichkeiten, Atelierräume, die Künstlersozialkasse
und eine Ausstellungsvergütung.
Im Urheberrecht jedoch ist für Künstlerinnen und Künstlern aller anderen Sparten eine
Vergütung für die öffentliche Nutzung und Verwertung ihrer Werke vorgesehen – nur
für bildende Künstlerinnen und Künstler nicht.
Hintergrund für diese Ausnahme war die Vorstellung, dass sich bildende Künstlerin-
nen und Künstler allein durch den Verkauf ihrer Werke bzw. durch die Nutzung von
Abbildungen dieser Werke finanzieren könnten und Ausstellungen vorrangig diesem
Zweck dienten. Die Studie des BBK-Bundesverbands zeigt jedoch, dass trotz reger
Ausstellungsbeteiligung zwei Drittel der Befragten konstant weniger als 5.000 Euro
pro Jahr durch den Verkauf ihrer Kunstwerke einnehmen.
Gründe dafür liegen vor allem in den vielfältiger gewordenen künstlerischen Aus-
drucksformen bildender Künstlerinnen und Künstler, in gewandelten Produktionsbe-
dingungen von Kunst, aktuellen Entwicklungen auf dem Kunstmarkt, der Etablierung
von Ausstellungsveranstaltern ohne eigene Sammlung und auch in den immer geringer
werdenden Ankaufetats öffentlicher Museen und Ausstellungshäuser.
Hinzu kommt, dass öffentlich geförderte Museen oder Ausstellungshäuser in erster
Linie einen Bildungsauftrag haben, der sich auch auf die Präsentation und Vermittlung
zeitgenössischer Kunstproduktion und aktueller künstlerischer Diskurse bezieht, die
häufig gerade nicht marktgängig sind.
Vor diesem Hintergrund hat sich die im Urheberrecht formulierte Ausnahme für bil-
dende Künstlerinnen und Künstler als strukturelle Ungerechtigkeit erwiesen.

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Zwar stellt die vom BBK-Bundesverband 2014 veröffentlichte „Leitlinie zur Vergü-
tung von Leistungen Bildender Künstlerinnen und Künstler im Rahmen von Ausstel-
lungen“ eine Hilfe bei den freiwilligen Aushandlungsprozessen zwischen Künstlerin-
nen und Künstlern und Ausstellungsveranstaltern dar. Dennoch gelang es laut Studie
des BBK-Bundesverbands nur jedem fünften Befragten, eine, meist geringe, Ausstel-
lungsvergütung durchzusetzen – eben weil es keine rechtliche Verpflichtung gibt und
weil auch dadurch die Verhandlungsmacht bildender Künstlerinnen und Künstler in
der Realität viel zu gering ist, um den Veranstaltern auf Augenhöhe entgegentreten zu
können.
Diese Tatsache zeigt sich auch darin, dass es nur selten gelingt, wenigstens den Auf-
wand für die Ausstellungsrealisierung entschädigt zu bekommen. Häufig sind es die
Künstlerinnen und Künstler, die an der Öffentlichkeitsarbeit, an der Vermittlung bei
Führungen oder Gesprächen oder am Auf- und Abbau mitwirken, den Transport der
Werke und ihre Fahrtkosten für die Vor- und Nachbereitung selbst schultern. Selbst
wenn man geldwerte Leistungen wie die Erstellung von Katalogen oder den Ankauf
von Werken miteinbezieht, schätzt mehr als jeder zweite die Aufwandsentschädigun-
gen, wenn sie denn überhaupt gezahlt werden, als nicht kostendeckend ein.
Eine Ausstellungstätigkeit ist für viele bildende Künstlerinnen und Künstler ein Zu-
schussgeschäft. Das wirkt sich angesichts der auch in der Studie zu Tage getretenen
schwierigen wirtschaftlichen Lage als besonders verheerend aus, lag doch das durch-
schnittliche Einkommen der in der Künstlersozialkasse versicherten bildenden Künst-
lerinnen zum 1. Januar 2016 bei geringen 13.268 Euro, bei Künstlern bei 18.121 Euro.
Eine Ausstellungsvergütung kann die wirtschaftliche Situation bildender Künstlerin-
nen und Künstler nur eingeschränkt verbessern. Dazu sind vielmehr ein erleichterter
Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen und weitere Maßnahmen gerade auch ge-
gen drohende Altersarmut nötig. Die Ausstellungsvergütung jedoch zählt als künstle-
risches Einkommen und trägt so zum Erreichen der Mindestgrenzen für die Mitglied-
schaft in der Künstlersozialkasse bei. In erster Linie aber spiegelt eine Ausstellungs-
vergütung den Respekt vor der erbachten künstlerischen Leistung wider.
Vorschläge dazu sind von unterschiedlicher Seite unterbreitet worden: von der Initia-
tive „Ausstellungsvergütung jetzt!“ (2017), vom BBK-Bundesverband in seiner Leit-
linie (2014), in den Debatten der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ (vgl.
Schlussbericht von 2007) oder von den Bundestagsfraktionen SPD (2005), BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN (2011) und DIE LINKE. (2012). Nachdem die SPD-CDU-Regie-
rung in Berlin zum Jahresbeginn 2016 eine Ausstellungsvergütung in kommunalen
Galerien eingeführt hat, kann auch auf praktische Erfahrungen in Deutschland zurück-
gegriffen werden.
Einigkeit besteht darin, dass der professionelle Kunsthandel mit seinen kommerziellen
Galerien ausgenommen bleibt, bürokratiearme und differenzierte Lösungen entspre-
chend der Situation der sehr unterschiedlichen Ausstellungsveranstalter (vom sozio-
kulturellen Zentrum und von ehrenamtlich geführten Kunstvereinen bis hin zu großen
Museen und Unternehmen) gefunden und die öffentlich geförderten Einrichtungen und
Projekte entsprechend ihren Aufgaben bedarfsgerecht finanziert werden müssen.
Angesichts der Bedeutung bildender Künstlerinnen und Künstlern für die Gesellschaft
ist eine Wertschätzung ihrer Leistungen durch einen im Urheberrecht verankerten An-
spruch auf Ausstellungsvergütung geboten und das Schließen der bestehenden Gerech-
tigkeitslücke mehr als überfällig.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

1. einen Gesetzentwurf vorzulegen, um die rechtlichen Voraussetzungen für die
Zahlung einer angemessenen Ausstellungsvergütung für bildende Künstlerinnen
und Künstler zu verbessern, und dabei insbesondere

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a) diesen Anspruch im Urheberrecht zu verankern,
b) ihn für unverzichtbar zu erklären,
c) zu sichern, dass die Vergütung ausschließlich den bildenden Künstlerinnen

und Künstlern zugutekommt,
d) ihn als abtretbar an eine Verwertungsgesellschaft auszugestalten und
e) den professionellen Kunsthandel mit seinen Galerien und Verkaufsausstel-

lungen dezidiert auszunehmen;
2. bei der konkreten Ausgestaltung die Stellungnahmen der bundesweit aufgestell-

ten Organisationen bildender Künstlerinnen und Künstler und von Urheberver-
bänden besonders zu berücksichtigen und dabei insbesondere
a) die bereits in die Debatte eingebrachten Lösungsvorschläge zu prüfen, etwa

die Einführung eines neuen § 27a UrhG zur Ausstellungsvergütung bzw. die
Erweiterung des in § 18 UrhG formulierten Ausstellungsrechts auf veröf-
fentlichte Werke,

b) die Erfahrungen seit der Veröffentlichung der Leitlinie des BBK-Bundes-
verbands und seit Einführung der Leitlinie für Ausstellungsvergütungen in
Berlin sowie die Entwicklungen und Debatten in anderen (europäischen)
Ländern einzubeziehen,

c) die Möglichkeiten zur Stärkung der Verhandlungsmacht der Künstlerinnen
und Künstler bei der Aushandlung der angemessenen Vergütung für die Nut-
zung ihrer künstlerischen Werke im Rahmen von Ausstellungen auszu-
schöpfen,

d) die transparente und bürokratiearme Umsetzung dieses Anspruchs zu prüfen
und

e) den unterschiedlichen Voraussetzungen der Ausstellungsveranstalter ge-
recht zu werden, um so auch die Zugänglichkeit zu Ausstellungen für alle
interessierten Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten;

3. mit gutem Beispiel voranzugehen und die Zahlung sowohl von Ausstellungsver-
gütungen als auch von Aufwandsentschädigungen bei Ausstellungen – in Anleh-
nung an die Leitlinie des BBK-Bundesverbands – in die Förderkriterien der vom
Bund geförderten Einrichtungen und Projekte aufzunehmen, die dafür nötigen
Mittelbedarfe als festen Kalkulationsteil im Sinne der Einhaltung sozialer Min-
deststandards anzusehen und sie auch zur Verfügung zu stellen sowie

4. ihren Einfluss geltend zu machen, dass auch die Länder und Kommunen die Zah-
lung sowohl von Ausstellungsvergütungen als auch von Aufwandsentschädigun-
gen – in Anlehnung an die Leitlinie des BBK-Bundesverbands oder von Landes-
verbänden erarbeiteten Richtlinien – in die Förderkriterien der von ihnen finan-
zierten Einrichtungen und Projekte sowie in spartenspezifische oder spartenüber-
greifende Kulturfördergesetze aufnehmen und die entsprechenden finanziellen
Mittel dafür einplanen.

Berlin, den 25. April 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion
Drucksache 18/12094 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Begründung

Vor allem aufgrund vielfältiger gewordener künstlerischer Ausdrucksformen, der Etablierung von Ausstellungs-
veranstaltern ohne eigene Sammlung und der immer geringer werdenden Ankaufetats öffentlicher Museen und
Ausstellungshäuser hat sich die im Urheberrecht formulierte Ausnahme für bildende Künstlerinnen und Künstler,
einen Anspruch auf angemessene Vergütung für ihre Leistung im Rahmen von Ausstellungen geltend machen zu
können, als strukturelle Benachteiligung erwiesen.
Die aktuelle Studie des Bundesverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler machte deutlich, dass über 80 %
der befragten Künstlerinnen und Künstler sich zwischen 2013 und 2015 an durchschnittlich drei bis vier Einzel-
oder Gruppenausstellungen pro Jahr beteiligt haben, dennoch aber zwei Drittel der Befragten jährlich konstant
weniger als 5.000 Euro durch den Verkauf ihrer Kunstwerke einnahmen (vgl. Eckhard Priller: Die wirtschaftliche
und soziale Situation Bildender Künstlerinnen und Künstler 2016, hrsg. vom Bundesverband Bildender Künstle-
rinnen und Künstler, Berlin 2016).
Die Vorstellung, dass bildende Künstlerinnen und Künstler für die Zurverfügungstellung ihrer Werke im Rahmen
von Ausstellungen keine Vergütung zu erhalten bräuchten, da sie damit ihre Bekanntheit und ihr Renommee
steigern könnten, so dass sie daraufhin allein vom Verkauf ihrer Werke leben könnten, hat sich als überholt
erwiesen. Hinzu kommt, dass Museen und Ausstellungshäuser immer stärker der Bildung und Vermittlung ver-
pflichtet sind und einer breiten Öffentlichkeit die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunstproduktion und
aktuellen künstlerischen Diskursen ermöglichen wollen – ohne dass dabei ein Verkaufsinteresse im Vordergrund
steht.
Die Debatte um eine Ausstellungsvergütung reicht bis in die 1970er Jahre zurück. Die Dringlichkeit einer urhe-
berrechtlichen Klarstellung ist zuletzt unterstrichen worden in den Debatten in der Enquete-Kommission „Kultur
in Deutschland“, durch diverse parlamentarische Initiativen im Bundestag von der SPD-Fraktion, der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (BT-Drs. 17/6346) und der Fraktion DIE LINKE. (BT-Drs. 17/8379), durch die
Einführung einer Ausstellungsvergütung für kommunale Galerien durch die damalige SPD-CDU-Regierung in
Berlin sowie vor allem durch das beharrliche Engagement der bildenden Künstlerinnen und Künstler, ihrer Ver-
bände und gewerkschaftlichen Vertretungen.
Insbesondere die 2014 veröffentlichte „Leitlinie zur Vergütung von Leistungen Bildender Künstlerinnen und
Künstler im Rahmen von Ausstellungen“ des BBK-Bundesverbands hat auf viele bis dahin vorgetragene Argu-
mente gegen eine Ausstellungsvergütung reagiert. Die Leitlinie unterbreitet detaillierte, nach Einzel- und Grup-
penausstellungen differenzierte Berechnungsvorschläge, die als Orientierung für die Aushandlung von Ausstel-
lungsvergütungen und von Aufwandsentschädigungen dienen. Dezidiert ausgenommen sind von diesen Vor-
schlägen der professionelle Kunsthandel mit kommerziellen Galerien und selbstverwaltete, ehrenamtlich betrie-
bene Autoren- und Produzentengalerien. Außerdem trägt ein Wirtschaftskraftfaktor der unterschiedlichen finan-
ziellen Situation der Ausstellungsveranstalter Rechnung, indem zum Beispiel soziokulturelle Einrichtungen nur
ein Fünftel, große Unternehmen oder Ausstellungshäuser das Doppelte zahlen sollten.
Die Leitlinie ist zwar hilfreich, sie kann aber die fehlende gesetzliche Verankerung des Vergütungsanspruchs
nicht ersetzen. Von den wenigen, die laut der Studie des BBK-Bundesverbands überhaupt eine zumeist sehr
geringe Ausstellungsvergütung durchsetzen konnten, gelang es drei Viertel nur auf Drängen hin.
Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit, die Benachteiligung zu beenden und den Anspruch auf Vergütung der Leis-
tung bildender Künstlerinnen und Künstler im Rahmen von Ausstellungen im Urheberrecht zu verankern und so
endlich den Weg für eine angemessene Zahlung von Ausstellungsvergütungen zu ebnen.
So selbstverständlich es sein muss, dass sich öffentlich geförderte Einrichtungen und Projekte an die Einhaltung
sozialer Mindeststandards und möglichst barrierefreier Zugänge gebunden fühlen, so selbstverständlich muss es
sein, dass sie entsprechend ihren Aufgaben bedarfsgerecht ausgestattet werden. Die Zahlung von Ausstellungs-
vergütungen und von Aufwandsentschädigungen gehört verbindlich in die Förderkriterien und muss als fester
Posten in den Kalkulationen anerkannt werden. Der Bund sollte hier Maßstäbe setzen, mit gutem Beispiel in
seinen eigenen Häusern und in von ihm finanzierten Einrichtungen und Projekten vorangehen und so auch für
einen Bewusstseinswandel bei anderen Ausstellungsveranstaltern werben.
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