BT-Drucksache 18/117

Regelungsbedarf für arbeitsrechtliche Maßnahmen bei der Nutzung von Sozialen Netzwerken und Internetforen

Vom 28. November 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/117
18. Wahlperiode 28.11.2013
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Klaus Ernst, Sabine Zimmermann
(Zwickau), Ulla Jelpke, Petra Pau, Harald Petzold (Havelland), Kersten Steinke
und der Fraktion DIE LINKE.

Regelungsbedarf für arbeitsrechtliche Maßnahmen bei der Nutzung von Sozialen
Netzwerken und Internetforen

Immer häufiger werden Kündigungen wegen Äußerungen von Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmern in Internetforen oder Sozialen Netzwerken ausgespro-
chen. Auch die Rechtsprechung hierzu nimmt zu.
Grundsätzlich hat eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer das Grundrecht
auf freie Meinungsäußerung. Dieses gilt jedoch nicht schrankenlos. Formal-
beleidigungen und Schmähkritik sind dadurch nicht gedeckt und können des-
halb arbeitsrechtlich relevant sein. Sollten solche Äußerungen allerdings in ei-
nem vertraulichen Gespräch mit Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen fallen,
so kann sie laut einschlägiger Rechtsprechung nicht als Begründung für eine
Kündigung herangezogen werden. Ab wann eine Äußerung in einem sozialen
Netzwerk oder einem Internetforum als privat gelten kann, wurde in einigen Ge-
richtsentscheidungen thematisiert. Die Ergebnisse fallen allerdings unterschied-
lich aus. So urteilte das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm am 10. Oktober
2012, dass auch dann keine Vertraulichkeit gegeben ist, wenn ein Posting nur
einem bestimmten Freundeskreis zugänglich ist. Demgegenüber merkte der Ver-
waltungsgerichtshof (VGH) München am 29. Februar 2012 in einem anderen
Fall an, dass ein Benutzer selbst dann, wenn er über seinen privaten Facebook-
account eine Äußerung verbreitet, damit rechnen darf, dass diese vertraulich
behandelt wird (AN 14 K 11.02132).
Der Rechtsprechung fällt es derzeit also schwer, eine klare Unterscheidung zwi-
schen einer öffentlichen und einer privaten Äußerung in einem sozialen Netz-
werk oder einem Internetforum zu treffen. Dies liegt zum einen an einer fehlen-
den gesetzlichen Regelung, hängt zum anderen aber auch damit zusammen, dass
sich das Verständnis von „Privatheit“ bei Internetnutzerinnen und Internetnut-
zern gewandelt hat. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) liegt
noch nicht vor, mithin gibt es keine Rechtssicherheit für Arbeitgeber und Arbeit-
nehmer.
Die Nutzung sozialer Netzwerke und Internetforen an sich, kann ebenfalls zu
arbeitsrechtlichen Maßnahmen führen. So kann eine fristlose Kündigung ge-
rechtfertigt sein, wenn eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer trotz be-
scheinigter Arbeitsunfähigkeit in einem sozialen Netzwerk aktiv ist. Nicht nur
vor diesem Hintergrund wirft die Erhebung von Daten von Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber rechtliche Fragen auf. Aus diesem
Grund hatte die Bundesregierung im Jahr 2010 einen Gesetzentwurf vorgelegt,
der u. a. § 32 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) „Datenerhebung, -verar-

Drucksache 18/117 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
beitung und -nutzung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses“ ändern
sollte (Bundestagsdrucksache 17/4230). Im Januar 2013 wurde ein Änderungs-
antrag auf die Tagesordnung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages
gesetzt (Ausschussdrucksache 17(4)636), jedoch nach massiver Kritik daran, kurz
darauf wieder abgesetzt. Noch immer ist also der Datenschutz für Beschäftigte ge-
setzlich nicht konkret geregelt.
Letztlich ist der beste Datenschutz noch immer, wenn gar keine Daten erhoben
werden können. Dies ermöglicht zum Beispiel die anonyme und pseudonyme
Nutzung des Internets.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Daten dürfen Arbeitgeber nach Ansicht der Bundesregierung von

potenziellen Arbeitnehmern in sozialen Netzwerken und Internetforen vor
dem Eintritt in ein Beschäftigungsverhältnis erheben?

2. Sieht die Bundesregierung Bedarf, verbindlich zu regeln, welche Daten Ar-
beitgeber von potenziellen Arbeitnehmern in sozialen Netzwerken und Inter-
netforen vor dem Eintritt in ein Beschäftigungsverhältnis erheben dürfen?
a) Wenn ja, gibt es bereits konkrete Pläne?
b) Wenn nein, warum nicht?

3. Welche Daten dürfen Arbeitgeber nach Ansicht der Bundesregierung von Ar-
beitnehmern in sozialen Netzwerken und Internetforen innerhalb eines beste-
henden Beschäftigungsverhältnis erheben?

4. Sieht die Bundesregierung Bedarf, verbindlich zu regeln, welche Daten Ar-
beitgeber von Arbeitnehmern in sozialen Netzwerken und Internetforen in-
nerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses erheben dürfen?
a) Wenn ja, gibt es bereits konkrete Pläne?
b) Wenn nein, warum nicht?

5. Sieht die Bundesregierung Bedarf, verbindlich zu regeln, ab wann eine Un-
terhaltung in sozialen Netzwerken und Internetforen als vertraulich gilt, und
ab wann sie öffentlich ist?
a) Wenn ja, gibt es bereits konkrete Pläne?
b) Wenn nein, warum nicht?

6. Unter welchen Voraussetzungen hält die Bundesregierung arbeitsrechtliche
Maßnahmen aufgrund einer Äußerung eines Arbeitnehmers in einem sozia-
len Netzwerk oder einem Internetforum für gerechtfertigt?

7. Sieht die Bundesregierung Bedarf, die Voraussetzungen, unter denen arbeits-
rechtliche Maßnahmen aufgrund einer Äußerung eines Arbeitnehmers in
einem sozialen Netzwerk oder einem Internetforum möglich sind, verbind-
lich zu regeln?
a) Wenn ja, gibt es bereits konkrete Pläne?
b) Wenn nein, warum nicht?

8. Unter welchen Voraussetzungen hält die Bundesregierung arbeitsrechtliche
Maßnahmen aufgrund der Nutzung eines sozialen Netzwerks oder eines In-
ternetforums an sich durch einen Arbeitnehmer für gerechtfertigt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/117
9. Sieht die Bundesregierung Bedarf, die Voraussetzungen, unter denen ar-
beitsrechtliche Maßnahmen aufgrund der Nutzung eines sozialen Netz-
werks oder eines Internetforums an sich durch einen Arbeitnehmer möglich
sind, verbindlich zu regeln?
a) Wenn ja, gibt es bereits konkrete Pläne?
b) Wenn nein, warum nicht?

10. Welche Pläne hat die Bundesregierung, den Beschäftigtendatenschutz im
Sinne der Beschäftigten zu regeln?

11. Gibt es Pläne der Bundesregierung, die anonyme und pseudonyme Nutzung
des Internets künftig zu unterbinden?

Berlin, den 26. November 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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