BT-Drucksache 18/11667

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/11237, 18/11536, 18/11646 - Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes

Vom 23. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11667

18. Wahlperiode 23.03.2017

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Valerie Wilms, Sven-Christian Kindler,
Stephan Kühn (Dresden), Matthias Gastel, Christian Kühn (Tübingen), Harald
Ebner, Britta Haßelmann und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung

– Drucksachen 18/11237, 18/11536, 18/11646 –

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Infrastrukturabgabengesetzes

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Bereits im Jahr 2015 scheiterte das Gesetz von Verkehrsminister Alexander Dobdrindt
(CSU) zur Einführung einer PKW-Maut in Deutschland aufgrund schwerwiegender
rechtlicher Mängel, vor denen Expertinnen und Experten, die Opposition und die EU-
Kommission zuvor eindringlich gewarnt hatten. Die Bundesregierung hat in unge-
wöhnlicher Art und Weise ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz nicht angewen-
det. Im November 2016 hat die Bundesregierung eine Vereinbarung mit der EU-Kom-
mission getroffen, über deren Details und Hintergründe jedoch die Öffentlichkeit bis
heute keine Kenntnis erhalten hat. So hat die Europäische Kommission bisher auch
keine nachprüfbare rechtliche Begründung für die Aussetzung des Vertragsverlet-
zungsverfahrens gegen Deutschland gegeben. Aus einer rein politischen Vereinbarung
hat Verkehrsminister Dobrindt mittlerweile einen neuen Anlauf für die Einführung ei-
ner PKW-Maut genommen. Doch auch bei diesem neuen Anlauft zur Einführung einer
Pkw-Maut erheben Wissenschaftler, Juristen, Branchenverbände und Opposition aus
folgenden Gründen massive Einwände:

1. Nicht-Vereinbarkeit mit EU-Recht

Zahlreiche Europarechtsexperten und die Europaabteilung des Deutschen Bundestages
haben festgestellt: Das Mautsystem, das die schwarz-rote Bundesregierung einführen
will, bleibt unverändert europarechtswidrig. An den strukturellen Defiziten des Vor-
habens ändert auch nichts, dass es Verkehrsminister Dobrindt gelungen ist, das Ver-
tragsverletzungsverfahren der EU-Kommission dadurch aufzuhalten, dass er die Maut-
staffelung (und damit die Preisrelation zwischen Kurzzeit-Vignetten und Jahres-Vig-
netten) modifiziert und keine 1:1-Kompensation für deutsche Fahrzeughalter über die

Drucksache 18/11667 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Absenkung der Kfz-Steuer mehr vorgesehen ist. Nach wie vor liegt eine Diskriminie-
rung sogenannter „Gebietsfremder“ aufgrund der Staatsangehörigkeit vor. Das hat das
Europäische Parlament in seinem Plenum am 15. März 2017 (Drucksache
P8_TA(2017)0084) ebenfalls festgestellt: Die deutsche Pkw-Maut von Dezember
2016 enthält noch Elemente, die einen Verstoß gegen das Unionsrecht darstellen und
grundlegende Prinzipien der (europäischen) Verträge verletzen, insbesondere, was die
Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit betrifft. So müssen etwa Halter von
Euro-6-Fahrzeugen aus dem Ausland künftig eine Abgabe für die Nutzung von Auto-
bahnen bezahlen, während Halter des gleichen Pkw aus Deutschland zwar ebenfalls
eine Abgabe entrichten, aber in der Summe im Rahmen der Kfz-Steuer sogar eine
Überkompensation erhalten. Das Prinzip der Nichtdiskriminierung aufgrund der
Staatsangehörigkeit bildet den zentralen Baustein des Unionsrechts. Die Bundesregie-
rung beschließt mit ihren Gesetzen wissentlich eine aktiv betriebene und politisch ge-
wollte Diskriminierung ausländischer Unionsbürger und nimmt dadurch erheblichen
Schaden für die europäische Gemeinschaft in Kauf. Es ist absehbar, dass Nachbarstaa-
ten wie die Niederlande oder Österreich erfolgreich gegen die PKW-Maut der Bun-
desregierung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) klagen werden und gegen
die Bundesrepublik Deutschland auf Kosten der Steuerzahler Schadensersatzansprü-
che geltend werden. Der Bundestag ist verfassungsrechtlich verpflichtet, bei seiner
Gesetzgebung das Unionsrecht zu achten. Da die Änderungsgesetze keine Euro-
parechtskonformität herstellen, würde der Bundestag mit seiner Mehrheit ein rechts-
widriges Gesetz bestätigen, gegen das bereits ein Vertragsverletzungsverfahren in
Gang gesetzt ist.

2. PKW-Maut kostet mehr als sie einbringt

Die Einführung der PKW-Maut verursacht erheblichen technischen, bürokratischen
und damit finanziellen Aufwand. Drei Behörden werden mit dem Komplex Infrastruk-
turabgabe befasst: Während das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) die Maut bei den inlän-
dischen Autobesitzern eintreiben soll (Kauf einer E-Vignette), muss die Zollverwal-
tung als für die Kfz-Steuer zuständige Behörde die Inländer im Gegenzug entlasten.
Das Bundesamt für Güterverkehr trägt die Kosten für Einrichtung und Betrieb des
Kontrollsystems. Diesem bürokratischen Gesamtaufwand stehen völlig ungewisse
Einnahmen gegenüber. Der Bundesrechnungshof, der Normenkontrollrat und zahlrei-
che Verkehrsexpertinnen und -experten haben erhebliche Zweifel an den Einnahme-
Prognosen des Bundesverkehrsministeriums vorgebracht. Wesentliche Faktoren der
Einnahmeberechnungen sind nicht plausibel oder es fehlen empirische Datengrundla-
gen. Auch die Berechnung der Erhebungskosten ist intransparent und weist erhebliche
Unstimmigkeiten auf. Absehbar ist zudem jetzt schon, dass die stetige Erneuerung der
Pkw-Flotte (EURO-6-Fahrzeuge) einen entsprechenden Rückgang der Netto-Einnah-
men nach sich ziehen wird. Auch dies wurde in den Einnahmeberechnungen des Bun-
desverkehrsministeriums nicht berücksichtigt. Zahlreiche Studien kommen zum Er-
gebnis, dass die PKW-Maut zum Zuschussgeschäft für den Staat wird. Eine Unterde-
ckung wird bereits in 2019 erwartet.

3. PKW-Maut schadet den Grenzregionen

Die Grenzregionen rund um Deutschland sind in einem besonderen Maße von der Ein-
führung einer Infrastrukturabgabe betroffen. Durch die Abgabe kann es dort zu erheb-
lichen wirtschaftlichen Einbußen kommen. Hierzu gehört die Beeinträchtigung des
Austauschs mit den Nachbarstaaten. Der Bundesrat und ebenso die Bundesvereinigung
kommunaler Spitzenverbände haben das Außerachtlassen der Auswirkungen auf die
Grenzregionen stark kritisiert. Auch die CDU-Ministerpräsidentin im Saarland,
Kramp-Karrenbauer, fordert einen „mautfreien Bereich für den grenznahen Verkehr

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11667

zwischen Saarland, Luxemburg und Frankreich“ *. Doch diesem Interesse wird im Ge-
setz keinerlei Rechnung getragen und damit die Forderungen des Bundesrates igno-
riert. Der Bundestag würde ein Gesetz beschließen, das die in den letzten Jahrzehnten
in den Grenzregionen gewachsenen europäischen Nachbarschaften durch deutsche Be-
zahlstellen und Straßenkontrollen ersetzt. An Schutz und Pflege dieser guten nachbar-
schaftlichen Beziehungen kann Bundesverkehrsminister Dobrindt kein Interesse ha-
ben, da entsprechende Ausnahmeregelungen für die Grenzregionen die Einnahmen aus
der Infrastrukturabgabe und damit das gesamte politische Vorhaben gefährden würde.

4. Offenes Tor für EU-Maut

Die politische Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission
vom November 2016 beinhaltet das Vorhaben der EU-Kommission, mittelfristig einen
europarechtlichen Rahmen für ein einheitliches europäisches Mautsystem für Pkw zu
schaffen. Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung begrüßt dieses Ziel aus-
drücklich und versichert die Bereitschaft der Bundesregierung, die EU-Kommission
in ihren Bemühungen zu unterstützen und die Infrastrukturabgabe an diesen europäi-
schen Rahmen anzupassen. Über mögliche Inhalte des europäischen Rahmens hält die
Bundesregierung die Öffentlichkeit jedoch in Unwissenheit. 2016 hat die zuständige
EU-Kommissarin offenbart, dass sie ein System befürwortet, bei dem sich die Höhe
der Abgabe ausschließlich an der Zahl der gefahrenen Kilometer orientiere. Nun legt
die Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD mit ihrem Änderungsgesetz die Zustim-
mung Deutschlands für ein Mautsystem fest, bei dem es zu einer Mehrbelastung für
deutsche Autofahrer kommen wird. Damit bricht die schwarz-rote Koalition ein zent-
rales Wahlkampfversprechen und führt Bürgerinnen und Bürger hinters Licht.

II. Der Bundestag lehnt die vorgelegten Gesetzentwürfe zur Änderung des Infra-
strukturabgabengesetzes und des Zweiten Verkehrssteueränderungsgesetzes ab,
da sie mehr Kosten als Einnahmen verursachen, dem Grundgedanken eines ver-
einten Europas widersprechen und gegen EU-Recht verstoßen.

Berlin, den 23. März 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

* Siehe u.a. http://www.rp-online.de/politik/saarland-kramp-karrenbauer-fordert-mautfreien-korridor-aid-1.6555277

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
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