BT-Drucksache 18/11639

zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ulle Schauws, Beate Müller-Gemmeke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 18/9055 - 10 Jahre nach dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes - Eine Reform ist überfällig

Vom 22. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11639
18. Wahlperiode 22.03.2017

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ulle Schauws, Beate
Müller-Gemmeke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 18/9055 –

10 Jahre nach dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ‒
Eine Reform ist überfällig

A. Problem
Mit dem Antrag soll die Bundesregierung aufgefordert werden, eine Reihe von
Klarstellungen, Präzisierungen und Erweiterungen im Allgemeinen Gleichbe-
handlungsgesetz (AGG) vorzunehmen. Zwar habe das seit dem Jahr 2006 gel-
tende AGG die Rechte der Betroffenen, die Benachteiligungen aus Gründen der
Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder
Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität er-
fahren haben, gestärkt. Gleichwohl gebe es Reformbedarf, da die vier EU-Anti-
diskriminierungsrichtlinien mit dem AGG nur lückenhaft umgesetzt worden
seien. Damit Diskriminierungen effektiv bekämpft werden könnten, müsse das
AGG zehn Jahre nach seinem Inkrafttreten reformiert werden. Die Antragsteller
fordern die Bundesregierung deshalb unter anderem auf, im AGG

− klarzustellen, dass der Diskriminierungsgrund „Geschlecht“ auch Diskri-
minierungen aufgrund der Geschlechtsidentität, also trans- und interge-
schlechtliche Menschen, erfasse,

− die sexuelle Belästigung nicht nur für den Bereich Beschäftigung und
Beruf, sondern auch für den allgemeinen Zivilrechtsverkehr als Diskri-
minierung zu definieren,

− den Begriff „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse“ durch „rassisti-
sche Benachteiligungen“ zu ersetzen sowie

− eine Klagemöglichkeit für Verbände in Fällen von allgemeiner Bedeu-
tung einzuführen.

Drucksache 18/11639 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

B. Lösung
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

C. Alternativen
Keine.

D. Kosten
Wurden im Ausschuss nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11639
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 18/9055 abzulehnen.

Berlin, den 22. März 2017

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

Renate Künast
Vorsitzende

Dr. Hendrik Hoppenstedt
Berichterstatter

Dr. Matthias Bartke
Berichterstatter

Harald Petzold (Havelland)
Berichterstatter

Katja Keul
Berichterstatterin

Drucksache 18/11639 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Bericht der Abgeordneten Dr. Hendrik Hoppenstedt, Dr. Matthias Bartke, Harald
Petzold (Havelland) und Katja Keul

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache 18/9055 in seiner 212. Sitzung am 19. Januar 2017
beraten und an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zur federführenden Beratung und an den Innen-
ausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und Energie, den Ausschuss für Arbeit und Soziales, den Ausschuss für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie an den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zur
Mitberatung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Innenausschuss hat die Vorlage auf Drucksache 18/9055 in seiner 109. Sitzung am 22. März 2017 beraten
und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat die Vorlage auf Drucksache 18/9055 in seiner 107. Sitzung am
22. März 2017 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen
der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Vorlage auf Drucksache 18/9055 in seiner 109. Sitzung am
22. März 2017 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen
der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat die Vorlage auf Drucksache 18/9055 in seiner
85. Sitzung am 22. März 2017 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat die Vorlage auf Drucksache 18/9055 in seiner
82. Sitzung am 22. März 2017 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hat die Vorlage auf Drucksache 18/9055 in seiner
134. Sitzung am 22. März 2017 beraten und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags.

Die Fraktion der CDU/CSU kritisierte zunächst das Verfahren zur Evaluierung des Gesetzes durch die Antidis-
kriminierungsstelle des Bundes. Es sei zwar nachvollziehbar, dass zehn Jahre nach dem Inkrafttreten des AGG
eine Überprüfung seiner Wirksamkeit vorgenommen worden sei. Nicht nachvollziehbar sei jedoch, dass die An-
tidiskriminierungsstelle des Bundes mit der Begutachtung ein Büro beauftrage, das in enger Verbindung zu der
Partei der antragstellenden Fraktion stehe. Es handele sich daher um ein Gefälligkeitsgutachten, dessen inhaltliche
Aussagen sich nunmehr eins zu eins im vorliegenden Antrag wiederfänden. Es sei für Einrichtungen wie die
Antidiskriminierungsstelle des Bundes ratsamer, solche Verfahrensfragen anders anzugehen und gegebenenfalls
auch mit den Fraktionen des Deutschen Bundestages abzustimmen. Inhaltlich sei lediglich anzumerken, dass die
aufgeführten 19 Punkte des Antrags eine ganze Reihe von „Nebelkerzen“ enthielten. So werde etwa gefordert,
trans- und intergeschlechtliche Menschen über das Merkmal „Geschlecht“ in den Diskriminierungsschutz einzu-
beziehen, was den Eindruck erwecke, dass diese Menschen bislang nicht vom AGG erfasst seien. Dieser Eindruck
sei indes unzutreffend, weil sie über das Merkmal „sexuelle Identität“ geschützt würden. Die Argumente gegen
die Einführung eines Verbandsklagrechts seien hinreichend ausgetauscht.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11639
Die Fraktion DIE LINKE. zeigte sich verwundert über die Kritik. Ein ungeordnetes oder belastetes Verfahren
könne sie, selbst wenn die vorgetragene Darstellung zutreffe, nicht erkennen. Die inhaltlichen Anmerkungen trü-
gen nicht. Es könne wohl sein, dass trans- und intergeschlechtliche Personen nach Auffassung der CDU/CSU-
Fraktion über das Merkmal „sexuelle Identität“ erfasst seien; trans- und intergeschlechtliche Menschen selbst
sähen das aber anders und fühlten sich nicht ausreichend vor Diskriminierung geschützt. Darauf komme es im
Wesentlichen an. Alternative Vorschläge der CDU/CSU-Fraktion seien nicht ersichtlich, um das Ziel des AGG –
breiter Schutz vor Diskriminierung – zu erreichen.

Die Fraktion der SPD äußerte ebenfalls Irritation über die Kritik am Verfahren der Begutachtung zur Evaluie-
rung. Viele Punkte seien, unabhängig von den politischen Präferenzen der Autorinnen und Autoren, relativ über-
zeugend und eine weitere Prüfung und Analyse wert. Dies werde aber noch etwas Zeit in Anspruch nehmen, so
dass eine abschließende Bewertung des vorliegenden Antrags und eine Zustimmung dazu nicht möglich seien.
Einigen Forderungen stehe die Fraktion offen gegenüber, etwa hinsichtlich der Einführung einer Verbandsklage.
Es gebe aber weiteren Diskussionsbedarf. Ob etwa eine erhebliche Ausweitung der Fristen klug sei, könne nicht
abschließend beurteilt werden; auch bei Verfahren nach dem AGG müsse es irgendwann Rechtssicherheit geben.
Überprüfenswert seien auch die Frage nach der Wirksamkeit der vorhandenen Sanktionen sowie nach Mechanis-
men zur Implementierung verbindlicher Regelungen durch die Privatwirtschaft zur Schaffung von Barrierefrei-
heit. Ausdrücklich anderer Auffassung als die Antragsteller sei die Fraktion beim Merkmal „Geschlechtsidenti-
tät“. Alle damit im Zusammenhang stehenden Fragen seien über „sexuelle Identität“ ausreichend erfasst. Kritisch
sehe man auch die Streichung der Vorschrift, die das Verhältnis zwischen AGG und den Vorgaben zum Kündi-
gungsschutz normiere. Beim Thema Entgeltgleichheit sei ein Gesetz dringend nötig; diese liege nun auch vor.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erklärte, die Aufregung um die Erstellung des Evaluierungsgutach-
tens nicht nachvollziehen zu können. Es habe sich um ein ganz normales, übliches und sachliches Verfahren
gehandelt. Der Antrag verdeutliche zunächst, dass die – bei der Einführung des AGG vor etwas mehr als zehn
Jahren – befürchteten negativen Auswirkungen ausgeblieben seien; es gebe keine Klageflut, und im Grundsatz
habe sich das Gesetz bewährt. Gleichzeitig hätten die Erfahrungen der vergangenen zehn Jahre auch Änderungs-
bedarf aufgezeigt. Die normierten Fristen seien zu kurz; deshalb sehe der Antrag eine Verlängerung von zwei auf
sechs Monate vor. Auch die Einführung des Verbandsklagerechts sei wünschenswert und nötig, um den Rechts-
schutz zu verbessern und systematische Diskriminierung zu bekämpfen. Der SPD-Fraktion sei im Übrigen zuzu-
stimmen, was die dringende Notwendigkeit eines echten Entgeltgleichheitsgesetzes betreffe; das nunmehr in den
parlamentarischen Gremien beratene Gesetz sei aber nur ein abgespecktes Transparenzgesetz.

Berlin, den 22. März 2017

Dr. Hendrik Hoppenstedt
Berichterstatter

Dr. Matthias Bartke
Berichterstatter

Harald Petzold (Havelland)
Berichterstatter

Katja Keul
Berichterstatterin

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