BT-Drucksache 18/116

Wettbewerbspakt und soziale Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion

Vom 28. November 2013


Deutscher Bundestag Drucksache 18/116
18. Wahlperiode 28.11.2013
Kleine Anfrage
der Abgeordneten Alexander Ulrich, Andrej Hunko, Christine Buchholz, Dr. Diether
Dehm, Annette Groth, Thomas Nord, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Wettbewerbspakt und soziale Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion

Die gegenwärtige Phase der Krisenpolitik der Europäischen Union ist geprägt
von Bestrebungen, die europäische Integration zu vertiefen. Unter anderem soll
die wirtschaftspolitische Koordination durch die Einführung eines „Wettbe-
werbspaktes“ ausgebaut werden. Die beteiligten Länder sollen sich in bilatera-
len Verträgen mit der Europäischen Kommission zu wettbewerbsorientierten
Reformen verpflichten. Die rechtliche Verankerung dieser Verträge ist bisher
ebenso unklar wie die Mechanismen, die die Mitgliedsländer zum unterzeichnen
der Verträge und der damit verbundenen Kompetenzübertragung an die Euro-
päische Kommission bewegen sollen.
Auch über die Ausgestaltung der „sozialen Dimension der Wirtschafts- und
Währungsunion“ wird auf der Ebene der Europäischen Union diskutiert. Basis
der Diskussion ist eine Mitteilung der Kommission an das Europäische Parla-
ment und den Rat der Europäischen Kommission (COM(2013) 690), in dem
vorgeschlagen wird, sozialpolitische Indikatoren einzuführen und mehr Koor-
dinierung zu erreichen, aber auf die Umsetzung verbindlicher sozialpolitischer
Regeln auf der Ebene der Europäischen Union vorläufig zu verzichten.
Es ist ein erklärtes Ziel des Europäischen Rates und der Bundesregierung, im
Dezember Entscheidungen zu fällen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Elemente demokratischer Legitimierung und Kontrolle hält die Bun-

desregierung für geeignet und angemessen, nachdem das Bundeskanzleramt
in seinem Bericht über den EU-Gipfel vom 24./25. Oktober 2013 schreibt,
dass die verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung auf einer „starken de-
mokratischen Legitimität“ beruhen müsse?

2. Welche Mechanismen und Vereinbarungen sollten nach Auffassung der Bun-
desregierung etabliert werden, um die Mitgliedstaaten dazu zu bewegen, ver-
tragliche Vereinbarungen zur stärkeren wirtschaftspolitischen Koordination
zu unterzeichnen?

3. Ist eine Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union im
Sinne einer stärkeren wirtschaftspolitischen Koordination innerhalb der
Eurozone nach Einschätzung der Bundesregierung politisch durchsetzbar?
Wäre es für die Bundesregierung auch eine Option, den Wettbewerbspakt
„analog zum Fiskalpakt“ (Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel beim Welt-
wirtschaftsforum in Davos) neben bestehendem EU-Recht völkerrechtlich zu
etablieren?

Drucksache 18/116 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
4. Warum stellen sich für die Bundesregierung die Fragen nach der rechtlichen
Umsetzung des Wettbewerbspaktes erst nach dem EU-Gipfel im Dezember
2013 (Antwort auf die Schriftliche Frage 4 auf Bundestagsdrucksache 18/
27), obwohl Vertragsänderungen nur einstimmig möglich und daher politi-
sche Blockaden nicht unwahrscheinlich sind?

5. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung auf der Ebene der Europäischen
Union und/oder in der Bundesregierung Überlegungen, die Unterzeichnung
vertraglicher Vereinbarungen zur stärkeren wirtschaftspolitischen Koordi-
nation zur Voraussetzung für Kreditlinien aus Mitteln des Europäischen Sta-
bilitätsmechanismus zu machen?
Wie positioniert sich die Bundesregierung zu diesem Ansatz?

6. Wie positioniert sich die Bundesregierung zur von Jeroen Dijsselbloem vor-
geschlagenen Koppelung der Reformverträge an das bestehende Defizitver-
fahren (u. a. Interview im Handelsblatt vom 22. November 2013)?

7. Wird es nach aktuellem Verhandlungsstand ein neues Budget auf einer Eu-
rozonen-Ebene im Zusammenhang mit dem geplanten Solidaritätsmecha-
nismus geben?
Wie soll nach Ansicht der Bundesregierung die demokratische Kontrolle
über dieses Budget hergestellt werden?
Welches Volumen sollte dieses Budget nach Auffassung der Bundesregie-
rung haben?
Wer sollte es nach welchem Schlüssel speisen?

8. Sollten die vertraglichen Vereinbarungen nach Auffassung der Bundes-
regierung vor allem dazu dienen, die Wettbewerbsfähigkeit der Eurozone
insgesamt zu erhöhen, oder erwartet sie auch einen Abbau der Unterschiede
in der Wettbewerbsfähigkeit und damit der existierenden makroökonomi-
schen Ungleichgewichte?

9. Gibt es im Kontext der Debatte um die „soziale Dimension“ auf der Ebene
der Europäischen Union aktuelle Vorschläge, die neben der Etablierung
neuer Indikatoren und eine Verstärkung der sozialpolitischen Koordination
auch Elemente der verbindlichen „hard laws“ enthalten?
Falls ja, welche sind das, und wie positioniert sich die Bundesregierung
dazu?

10. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Migrationsströme
innerhalb der Eurozone seit dem Jahr 2007 verändert – insbesondere zwi-
schen den besonders hart von der Krise betroffenen südeuropäischen Län-
dern und Deutschland?
Welche weiteren Veränderungen erwartet die Bundesregierung für den Fall
einer konsequenten Umsetzung der Vorschläge zur Arbeitsmobilität gemäß
der Kommissionsmitteilung zur Stärkung der sozialen Dimension der Wirt-
schafts- und Währungsunion (COM(2013) 690, Abschnitt 4)?

Berlin, den 28. November 2013

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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