BT-Drucksache 18/11541

Arbeitszeit: Trends, Kontrollen und Positionen

Vom 9. März 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11541
18. Wahlperiode 09.03.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Markus Kurth, Corinna Rüffer,
Brigitte Pothmer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Sven-Christian Kindler
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Arbeitszeit: Trends, Kontrollen und Positionen

Der Alltag vieler Menschen ist heutzutage von Zeitdruck und Hetze geprägt. Un-
ser Leben hat sich beschleunigt und verdichtet. Dazu haben mobile Kommunika-
tionsmittel beigetragen, die die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit verschwim-
men lassen (IAB-Forschungsbericht 8/2015). Die Zahl der Beschäftigten, die in
Randzeiten, nachts oder an Wochenenden arbeiten, hat in den letzten Jahrzehnten
stark zugenommen. Deswegen spricht der Arbeitszeitexperte Werner Eichhorst
vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit von einem Trend zu einer
„24-Stunden-Gesellschaft“, die von den Verbrauchern vorangetrieben werde
(Saarbrücker Zeitung, 8. Mai 2014). Andere Forscher stellen eine zunehmende
Arbeitsverdichtung, Überlastung, Stress und Zeitnot fest, häufig hervorgerufen
durch Umstrukturierungen, Umorganisation und Stellenabbau in den Unterneh-
men (WSI-Report Nr. 33, 12/2016).
Die Debatte zur Arbeitszeit ist in vollem Gange. Die Bundesregierung zieht in
ihrem Weißbuch „Arbeiten 4.0“ eine konditionierte und begrenzte Abweichung
von derzeitigen Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tages-
höchstarbeitszeit und der Ruhezeit in Betracht. Der Deutsche Gewerkschaftsbund
(DGB) hingegen vertritt die Auffassung, dass die Regelungen des Arbeitszeitge-
setzes ausreichen und beruft sich auf ein Gutachten von Dr. Andreas Hoff (Hoff,
09-16).

Wir fragen die Bundesregierung:

Statistik
1. Wie viele Stunden betrug die durchschnittlich geleistete wöchentliche Ar-

beitszeit aller Beschäftigten nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr
2016, und wie viele Stunden waren es in tarifgebundenen bzw. nicht tarifge-
bundenen Betrieben?
a) Wie hat sich die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im Vergleich

zu den Jahren 2006 bzw. 2011 insgesamt und in tarifgebundenen bzw.
nicht tarifgebundenen Betrieben entwickelt?

b) In welchen sechs Branchen war die durchschnittliche wöchentliche Ar-
beitszeit im Jahr 2016 am höchsten (bitte jeweils nach Vollzeit, Teilzeit
und Geschlecht differenzieren)?

Drucksache 18/11541 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
2. Wie viele Überstunden wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr
2016 geleistet, und wie viele Überstunden waren es in tarifgebundenen bzw.
nicht tarifgebundenen Betrieben?
a) Wie hat sich die Zahl der Überstunden im Vergleich zu den Jahren 2006

bzw. 2011 insgesamt und in tarifgebundenen bzw. nicht tarifgebundenen
Betrieben entwickelt?

b) In welchen sechs Branchen war die Zahl der Überstunden im Jahr 2016
am höchsten (bitte jeweils nach Vollzeit, Teilzeit und Geschlecht diffe-
renzieren)?

3. Wie viel Prozent der Beschäftigten haben nach Kenntnis der Bundesregie-
rung im Jahr 2016 täglich weniger als 8 Stunden, durchschnittlich 8, 10 und
12 Stunden gearbeitet (bitte differenziert nach Geschlecht und mit Ver-
gleichszahlen aus 2006 und 2011 angeben)?

4. Wie viel Prozent der Beschäftigten arbeiteten nach Kenntnis der Bundesre-
gierung im Jahr 2016 an Sonn- und Feiertagen, samstags, am Abend, in der
Nacht, und wie viel Prozent der Beschäftigten machten Schichtarbeit?
a) Wie hat sich der Anteil der Arbeit an Sonn- und Feiertagen, samstags, am

Abend, in der Nacht und die Zahl der Beschäftigten in Schichtarbeit im
Vergleich zu den Jahren 2006 bzw. 2011 entwickelt?

b) In welchen sechs Branchen haben im Jahr 2016 die meisten Beschäftigten
jeweils an Sonn- und Feiertagen, samstags, am Abend, in der Nacht oder
in Schichtarbeit gearbeitet (bitte jeweils nach Vollzeit, Teilzeit und Ge-
schlecht differenzieren)?

5. Wie viel Prozent der Beschäftigten hatten nach Kenntnis der Bunderegierung
im Jahr 2016 starre Arbeitszeiten, Gleitzeitmodelle, und wie viel Prozent ha-
ben nach dem Modell Vertrauensarbeitszeit gearbeitet?
a) Wie hat sich der Anteil der Beschäftigten, die mit starrer Arbeitszeit,

Gleitzeitmodellen sowie Vertrauensarbeitszeit arbeiten im Vergleich zu
den Jahren 2006 bzw. 2011 entwickelt?

b) In welchen sechs Branchen haben im Jahr 2016 die meisten Beschäftigten
mit starren Arbeitszeiten, Gleitzeitmodellen bzw. nach dem Modell Ver-
trauensarbeitszeit gearbeitet (bitte jeweils nach Vollzeit, Teilzeit und Ge-
schlecht differenzieren)?

6. Wie viel Prozent der Beschäftigten haben nach Kenntnis der Bundesregie-
rung im Jahr 2016 mobil gearbeitet (unabhängig von einem festen Arbeits-
platz), und wie viel Prozent der Beschäftigten arbeiteten nach Kenntnis der
Bundesregierung im Jahr 2016 im Homeoffice?
a) Wie hat sich jeweils der Anteil der Beschäftigten, die mobil bzw. im

Homeoffice arbeiten im Vergleich zu 2006 bzw. 2011 entwickelt?
b) In welchen sechs Branchen haben im Jahr 2016 die meisten Beschäftigten

mobil bzw. in Homeoffice gearbeitet (bitte jeweils nach Vollzeit, Teilzeit
und Geschlecht differenzieren)?

7. Wie viel Prozent der Beschäftigten mussten nach Kenntnis der Bundesregie-
rung ihre Arbeitszeit im Jahr 2016 dokumentieren?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11541

Kontrollen

8. Wie viele Kontrollen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung durch die
Aufsichtsbehörden zur Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes im Jahr 2016
durchgeführt, und welche sechs Branchen wurden am häufigsten geprüft
(bitte mit Vergleichszahlen aus 2006 und 2011)?

9. Welche Kontrolldichte haben die Aufsichtsbehörden nach Kenntnis der Bun-
desregierung bei den Prüfungen zur Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes er-
reicht, und wie beurteilt die Bundesregierung diese Kontrolldichte?

10. Wie viele Verstöße wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bei den Kon-
trollen zur Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes im Jahr 2016 insgesamt auf-
gedeckt?
a) Welche sechs Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz wurden bei diesen

Kontrollen am häufigsten festgestellt?
b) In welchen sechs Branchen wurden die meisten Verstöße gegen das Ar-

beitszeitgesetz festgestellt (bitte jeweils mit Vergleichszahlen aus 2006
und 2011 aufführen)?

11. Wie viele dieser Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz führten nach Kenntnis
der Bundesregierung im Jahr 2016 zu einem Bußgeld?
a) Wie hoch war die Summe der Bußgelder insgesamt?
b) In welchen sechs Branchen wurden in der Summe die meisten Bußgelder

verhängt (bitte jeweils mit Vergleichszahlen aus 2006 und 2011 auffüh-
ren)?

12. Wie viele dieser Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz führten nach Kenntnis
der Bundesregierung im Jahr 2016 zu Freiheitsstrafen bzw. Geldstrafen?
a) Wie hoch war die Summe der Strafgelder bzw. Bußgelder insgesamt?
b) In welchen sechs Branchen wurden in der Summe die meisten Geld- und

Freiheitsstrafen verhängt (bitte jeweils mit Vergleichszahlen aus 2006
und 2011 aufführen)?

Weißbuch „Arbeiten 4.0“
13. Welche Ziele werden mit dem Arbeitszeitgesetz verfolgt, und warum sind

Regelungen bei der Arbeitszeit notwendig?
14. Welche Bedeutung haben nach Ansicht der Bundesregierung die Höchst-

grenze der täglichen Arbeitszeit und wöchentlichen Arbeitszeit, gesplitteten
Arbeitszeiten, Arbeit am Abend, in der Nacht oder am Sonntag bzw. Schicht-
arbeit, wenn es um den Gesundheitsschutz geht?

15. Welche Arbeitszeitmodelle begünstigen nach Kenntnis der Bundesregierung
Stress und psychische Belastungen?

16. Welche Bedeutung haben nach Ansicht der Bundesregierung die Höchst-
grenze der täglichen Arbeitszeit und der wöchentlichen Arbeitszeit, gesplit-
teten Arbeitszeit, Arbeit am Abend, in der Nacht oder am Sonntag bzw.
Schichtarbeit für das private Leben der Beschäftigten und für das gesell-
schaftliche Miteinander?

17. Wie beurteilt die Bundesregierung die hohe Zahl an Überstunden, und sieht
die Bundesregierung Handlungsbedarf?

Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, in welcher Form?

Drucksache 18/11541 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

18. Wie beurteilt die Bundesregierung die Position des DGB in der Arbeitszeit-

debatte, der eine Veränderung des Arbeitszeitgesetzes ablehnt und die Auf-
fassung vertritt, dass das Arbeitszeitgesetz den Arbeitgeberinnen und Arbeit-
gebern ausreichend Handlungsspielräume gibt (DGB 30. März 2016)?
a) Hält die Bundesregierung die Regelungen zur wöchentlichen Höchstar-

beitszeit für angemessen und ausreichend flexibel?

Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht, und in welcher Form besteht Handlungsbedarf?

b) Hält die Bundesregierung die Regelungen zur täglichen Höchstarbeitszeit
für angemessen und ausreichend flexibel?

Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht, und in welcher Form besteht Handlungsbedarf?

c) Hält die Bundesregierung die täglichen Ruhezeiten für notwendig, ange-
messen und ausreichend flexibel?

Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht, und in welcher Form besteht Handlungsbedarf?

d) Hält die Bundesregierung die Ausgleichsregelungen bei Überstunden für
notwendig, angemessen und ausreichend flexibel?

Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht, und in welcher Form besteht Handlungsbedarf?

e) Hält die Bundesregierung die Regelungen zur Sonntags- und Feiertags-
ruhe für notwendig, angemessen und ausreichend flexibel?

Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht, und in welcher Form besteht Handlungsbedarf?

19. Wie begründet die Bundesregierung ihre Überlegungen, dass tarifgebundene
Betriebe und deren Beschäftigte Ausnahmen von den Regelungen im Ar-
beitszeitgesetz vereinbaren können?
a) Können diese Ausnahmen dazu führen, dass in demselben Betrieb man-

che Beschäftigte von solchen Regelungen profitieren, weil sie mobil bzw.
flexibel ihre Tätigkeiten ausüben können, aber andere nicht bzw. dies so-
gar als Verschlechterung empfinden, weil sie an ihrem Arbeitsplatz oder
zu festen Zeiten anwesend sein müssen?

Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, inwiefern ist das zu rechtfertigen?

b) Wie wird die Bundesregierung sicherstellen, dass die Ausnahmen bei der
Arbeitszeit, wie angekündigt, nur greifen, wenn die Beschäftigten dem
zustimmen, und wie soll vermieden werden, dass den Beschäftigten auf-
grund des Abhängigkeitsverhältnisses zum Arbeitgeber nicht doch Be-
nachteiligungen drohen?

c) Führen immer mehr Öffnungsklauseln und Sonderregelungen dazu, dass
die Arbeitswelt sich weiter spaltet, weil Beschäftigte in nicht tarifgebunde-
nen Betrieben, die erwiesenermaßen weniger verdienen und schlechtere
Arbeitsbedingungen haben, als Beschäftigte in tarifgebundenen Betrieben,
zukünftig auch noch bei der Arbeitszeit benachteiligt werden können?

Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, inwiefern ist das zu rechtfertigen?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/11541

Mobiles Arbeiten
20. Welche gesundheitlichen Risiken sowie Belastungen für das private und ge-

sellschaftliche Leben entstehen nach Ansicht der Bundesregierung durch
mobiles Arbeiten, und in welcher Form können diese Belastungen durch Re-
gelungen im Arbeitszeitgesetz verhindert werden?

21. Mit welchen Regelungen im Arbeitszeitgesetz will die Bundesregierung mo-
biles Arbeiten erleichtern,
a) welche Auswirkungen hat dies auf die Arbeitszeitgestaltung in klassi-

schen Arbeitsverhältnissen, und
b) wie stellt die Bundesregierung sicher, dass sich dort das Schutzniveau

nicht verschlechtert?
22. Wie können nach Ansicht der Bundesregierung gerade bei mobilem Arbeiten

Überstunden und unbezahlte Mehrarbeit durch Regelungen im Arbeitszeit-
gesetz verhindert werden, und wäre eine umfassende Dokumentation der mo-
bilen Arbeitszeit eine Lösung?

23. Sieht die Bundesregierung bei der betrieblichen Mitbestimmung Handlungs-
bedarf, wenn Arbeit aufgrund der Digitalisierung der Arbeitswelt mobiler
bzw. flexibler wird?
Wenn nein, warum nicht?
Wenn ja, in welcher Form?

Berlin, den 7. März 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.