BT-Drucksache 18/11332

Bedeutung bürgerschaftlichen Engagements, des Vereinslebens und des Sports in ländlichen Räumen

Vom 16. Februar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11332
18. Wahlperiode 16.02.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Markus Tressel, Kordula Schulz-Asche, Özcan Mutlu,
Monika Lazar, Irene Mihalic, Harald Ebner, Matthias Gastel,
Stephan Kühn (Dresden), Tabea Rößner, Dr. Valerie Wilms und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bedeutung bürgerschaftlichen Engagements, des Vereinslebens und des Sports
in ländlichen Räumen

Eine engagierte Zivilgesellschaft bringt Menschen zusammen, verbindet und
macht unsere Demokratie stark. Ob in Vereinen oder frei organisiert, Engagement
schafft Kultur- und Freizeitangebote für alle Generationen und fördert die In-
tegration Zugezogener. Gerade ländliche Regionen bleiben durch das Engage-
ment der Menschen vor Ort attraktiv für Kinder und Jugendliche, für junge Fami-
lien und für Seniorinnen und Senioren. Engagement schafft Identität. Laut Frei-
willigensurvey 2014 ist in ländlichen Räumen im Vergleich zu Städten ein grö-
ßerer Anteil der Bevölkerung in Ehrenamt, Freiwilligenarbeit, Selbsthilfe, selbst-
organisierten Projekten und Initiativen aktiv. Sei es bei der Feuerwehr und im
Katastrophenschutz, in Gewerkschaften, Parteien und Sozialverbänden, in Kir-
chengemeinden und Hilfsorganisationen, in Nachbarschaftsinitiativen und Selbst-
hilfegruppen, in der Bildung und in kulturellen Einrichtungen. Hierzu gehört auch
das Engagement im Sport. Sport trägt zu Wohlbefinden und Gesundheit bei, för-
dert die Entwicklung von Selbstwertgefühl und die Begegnung von Menschen
unterschiedlicher sozialer, kultureller und ethnischer Herkunft. Bürgerschaftli-
ches Engagement, Vereinsleben und Sport ermöglichen so Teilhabe an der Ge-
sellschaft auch in Regionen, die wirtschaftlich und in ihrer Bevölkerungsstruktur
im Wandel sind.
Doch aufgrund des demografischen Wandels mit sinkender Bevölkerungszahl
und Abwanderung, haben Vereine, die Freiwillige Feuerwehr oder das Techni-
sche Hilfswerk gerade in ländlichen Regionen Nachwuchssorgen. Bei immer we-
niger Aktiven bleiben viele Angebote auch finanziell auf der Strecke. Zum ande-
ren hindern lange Anfahrtswege und schlechte Erreichbarkeit Menschen ohne ei-
genes Auto daran, sich einzubringen. Im Zweiten Bericht zur Entwicklung länd-
licher Räume von 2016 sieht die Bundesregierung in bürgerschaftlichem Enga-
gement eine zentrale Säule ländlicher Infrastruktur, besonders im Bereich Freizeit
und Kultur. Die Herausforderung bestehe deshalb darin, bedarfsorientierten und
gut erreichbaren Zugang zu solchen Angeboten zu ermöglichen, zu denen selbst-
organisatorische Maßnahmen, bürgerschaftliches Engagement sowie integrative,
mobile und interkommunale Ansätze gehören. Zudem haben sich CDU, CSU und
SPD im Koalitionsvertrag darauf verständigt, eine attraktive, ausgewogene und
bedarfsorientierte Infrastruktur auch für den Breitensport zu erhalten.

Drucksache 18/11332 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Anzahl der Aktiven im
ehrenamtlichen Engagement, in der Freiwilligenarbeit, Selbsthilfe, in selbst-
organisierten Projekten und Initiativen in Deutschland in den letzten 15 Jah-
ren entwickelt (bitte nach Bundesländern, Ost- und Westdeutschland, städti-
schem, halbstädtischem und ländlichem Raum sowie nach Altersstruktur und
Geschlecht aufschlüsseln)?
Bitte auch nach folgenden Bereichen aufschlüsseln:
a) Politik, Parteien und Gewerkschaften;
b) Sport;
c) Kirche und Hilfsorganisationen (einschl. Arbeit mit Geflüchteten);
d) Soziales und Gesundheit (einschl. Sozialverbände);
e) Katastrophenschutz und Sicherheit (einschl. Feuerwehr, Technisches

Hilfswerk sowie der Rettungs- und Sanitätsdienste);
f) Kita, Bildung und Schule;
g) Freizeit, Kultur, Kunst und Musik (einschl. Musikvereine);
h) Nachbarschaftsinitiativen und Selbsthilfegruppen.

2. Wie hat sich die Anzahl der Vereine und Vereinsstätten nach Kenntnis der
Bundesregierung in den genannten Bereichen in den vergangenen 15 Jahren
entwickelt (bitte nach Bundesländern, Ost- und Westdeutschland, städti-
schem, halbstädtischem und ländlichem Raum aufschlüsseln)?

3. In welchen der genannten Bereiche ist die Anzahl der Engagierten und Ver-
eine in ländlichen Räumen nach Kenntnis der Bundesregierung in den ver-
gangenen 15 Jahren signifikant gestiegen beziehungsweise gesunken?
In welchen Bereichen besteht aufgrund wachsenden Engagements die Her-
ausforderung, neue Angebote und Anlaufstellen für Aktive zu fördern, und
in welchen Bereichen besteht darüber hinaus aufgrund sinkenden Engage-
ments die Herausforderung, Angebote im Sinne der öffentlichen Daseinsvor-
sorge anderweitig zu erhalten?

4. In welchen der genannten Bereiche, insbesondere in den Bereichen Katastro-
phenschutz (Feuerwehr, Technisches Hilfswerk sowie der Rettungs- und Sa-
nitätsdienste) und Politik (einschl. Gewerkschaften), bestehen nach Kenntnis
der Bundesregierung Probleme, Nachwuchs zu finden (bitte nach Bundes-
ländern, Ost- und Westdeutschland, städtischem, halbstädtischem und länd-
lichem Raum sowie nach Altersstruktur und Geschlecht aufschlüsseln; bitte
mit Begründung)?

5. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, insbesondere in den Be-
reichen Katastrophenschutz und Politik, um Engagement auch für den Nach-
wuchs in ländlichen Räumen attraktiv und erreichbar zu halten und Teilhabe
zu ermöglichen?

6. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Anzahl der Aktiven im
Sport und der Sportvereine in Deutschland in den letzten 15 Jahren entwi-
ckelt (bitte nach Bundesländern, Ost- und Westdeutschland, städtischem,
halbstädtischem und ländlichem Raum sowie nach Altersstruktur, Ge-
schlecht, Sportart aufschlüsseln)?

7. Welche Herausforderungen sieht die Bundesregierung für ehrenamtliches
Engagement und den Vereins-, Breiten-, Behinderten- und Spitzensport in
ländlichen Räumen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11332
8. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über das gezielte Unter-
wandern von Vereinen und Sportvereinen in ländlichen Räumen durch
rechtsextreme Gruppen vor, und welche Maßnahmen ergreift sie dagegen?

9. Welche Erkenntnisse über den Sanierungsbedarf von Vereins- und Sportstät-
ten in ländlichen Räumen liegen der Bundesregierung vor?
Welche Maßnahmen sieht die Bundesregierung vor, um kostenintensive Sa-
nierungsmaßnahmen von Vereinen zu unterstützen?

10. Wie viele Sportvereine, die von Rechtsextremen gegründet oder unterwan-
dert wurden, wie der mittlerweile vom Fußballverband Sachsen-Anhalt e. V.
und LandesSportBund Sachsen-Anhalt e. V. verbotene FC Ostelbien Dorn-
burg, sind der Bundesregierung bekannt?

11. Welche Programme gibt es, und wie werden diese gefördert, um Sportver-
eine für das Thema Rechtsextremismus und andere Formen gruppenbezoge-
ner Menschenfeindlichkeit zu sensibilisieren und ihr Engagement dagegen
zu unterstützen?

12. Welche Bedeutung haben bürgerschaftliches Engagement und Sport aus
Sicht der Bundesregierung für die Entwicklung lebenswerter ländlicher
Räume?

13. Welche Ergebnisse brachte der Bürgerdialog der Bundesregierung „Gut le-
ben auf dem Land“ im Hinblick auf bürgerschaftliches Engagement und
Sport in ländlichen Räumen?

14. Wie bindet die Bundesregierung bürgerschaftliches Engagement und Sport
in Ziele und Prioritäten ihrer ländlichen Entwicklungspolitik ein?
Wurde bürgerschaftliches Engagement bereits in der interministeriellen Ar-
beitsgruppe ländliche Räume, im Arbeitsstab Ländliche Räume und im Sach-
verständigenrat ländliche Entwicklung thematisiert, und wenn ja, wie hat
diese Koordination Eingang in Regierungshandeln gefunden?
Wie werden die Themen bürgerschaftliches Engagement und Sport auf dem
Land im neuen Referatszuschnitt ländliche Entwicklung im Bundesministe-
rium für Ernährung und Landwirtschaft angesiedelt?

15. Wie finden die Maßnahmen, Selbstverpflichtungen und Prüfaufträge aus
dem Kapitel „Integration durch Sport – Potentiale nutzen, Angebote aus-
bauen, Vernetzung erweitern“ des Nationalen Integrationsplans der Bundes-
regierung Eingang in ihre ländliche Entwicklungspolitik?

16. Wie können bürgerschaftliches Engagement, Sport und Vereinsleben über
bestehende Fördertöpfe gefördert werden?

Bitte eingehen auf:
a) Bundesprogramm Ländliche Entwicklung,
b) Aktionsprogramm regionale Daseinsvorsorge,
c) Initiative Ländliche Infrastruktur (insbesondere des Wettbewerbs Men-

schen und Erfolge),
d) Modellförderung LandZukunft,
e) Modellförderung Land(auf)Schwung,
f) Wettbewerb Unser Dorf hat Zukunft,
g) Wettbewerb Kerniges Dorf! Ortsgestaltung durch Innenentwicklung,

Drucksache 18/11332 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
h) Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küsten-
schutzes“ (GAK) und Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regiona-
len Wirtschaftsstruktur“ (GRW),

i) Kofinanzierung durch Fonds der Europäischen Union.
17. Welche Studien und Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über bürger-

schaftliches Engagement, Vereine und Sport in ländlichen Räumen vor be-
ziehungsweise sind in Auftrag gegeben, und wann werden sie veröffentlicht?

18. Welche Maßnahmen zur Anerkennung von bürgerschaftlichem Engagement
besonders in ländlichen Räumen hat die Bundesregierung ergriffen, bei-
spielsweise in Form einer Ehrenamt-Karte?

Berlin, den 14. Februar 2017

Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

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