BT-Drucksache 18/11316

Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Bereich Haltestellen und Flugreisen

Vom 15. Februar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11316
18. Wahlperiode 15.02.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katrin Werner, Sigrid Hupach, Herbert Behrens,
Eva Bulling-Schröter, Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie Hein, Susanna Karawanskij,
Sabine Leidig, Birgit Menz, Cornelia Möhring, Norbert Müller (Potsdam),
Harald Petzold (Havelland), Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE.

Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Bereich Haltestellen
und Flugreisen

Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ist seit dem 26. März 2016 gel-
tendes Recht in der Bundesrepublik Deutschland. Mit der Ratifizierung hat sich
Deutschland zu ihrer Umsetzung verpflichtet.
In Artikel 9 UN-BRK in der Fassung der Schattenübersetzung des NETZWERK
ARTIKEL 3 e. V. zu Barrierefreiheit heißt es: „(1) Um Menschen mit Behinde-
rungen ein selbstbestimmtes Leben und die volle Teilhabe in allen Lebensberei-
chen zu ermöglichen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen mit dem
Ziel, für Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Zugang zur
physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Information und Kommunikation, ein-
schließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, so-
wie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die in der Öffentlichkeit in städti-
schen und ländlichen Gebieten offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, zu
gewährleisten. Diese Maßnahmen, welche die Feststellung und Beseitigung von
Zugangshindernissen und -barrieren einschließen, gelten unter anderem für
a) Gebäude, Straßen, Transportmittel sowie andere Einrichtungen in Gebäuden

und im Freien (…).“
Übereinkommend hierzu verpflichtet das Personenbeförderungsgesetz (PBefG)
in § 8 Absatz 3 und 4 die von den Ländern bestimmten Aufgabenträger dazu, die
Belange der „in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Menschen“ im
Nahverkehrsplan zu berücksichtigen und „für die Nutzung des Personenverkehrs
bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen“.
Dennoch ist die Bundesrepublik Deutschland von dem Ziel eines vollständigen
barrierefreien Personenverkehrs noch weit entfernt.
So empfiehlt der Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen
dem Vertragsstaat in seinen abschließenden Bemerkungen über den ersten Staa-
tenbericht Deutschlands, „(a) gezielte, wirksame Maßnahmen einzuführen, wie
etwa zwingende Auflagen, Überwachungsmechanismen und wirksame Sanktio-
nen bei Verstoß, um die Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen in allen
Sektoren und Lebensbereichen, einschließlich des Privatsektors, auszuweiten“.
Die Fragesteller möchten mit dieser Kleinen Anfrage vor allem Kenntnisse über
den derzeitigen Stand der Umsetzung der UN-BRK im Bereich Haltestellen und
Flugverkehr erlangen.

Drucksache 18/11316 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Personenbahnhöfe sind in Deutschland nach Kenntnis der Bundes-
regierung derzeit barrierefrei, und wie viele nicht (bitte auf Betreiberangaben
wie z. B. von der DB Station&Service AG zurückgreifen und nach Bundes-
ländern und Kategorien aufschlüsseln)?

2. Wie viele Personenbahnhöfe wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in
der 18. Wahlperiode barrierefrei umgestaltet (bitte nach Bundesländern und
Kategorien aufschlüsseln)?

3. Welche Aktivitäten gab es dabei seitens der Bundesregierung?
4. Inwieweit spricht die Bundesregierung immer noch von der sogenannten

1 000er-Regel (das heißt, bei Bahnhöfen mit weniger als 1 000 Reisenden
pro Tag muss keine Barrierefreiheit hergestellt werden)?
Wie viele Bahnhöfe betrifft das (bitte nach Bundesländern und Kategorien
aufschlüsseln)?
Inwieweit ist diese Regel mit Artikel 9 UN-BRK vereinbar?

5. Welche baurechtlichen Vorgaben muss nach Ansicht der Bundesregierung
der Bund erfüllen, damit eine vollkommene Barrierefreiheit an den Halte-
stellen des öffentlichen Nahverkehrs gewährleistet ist?

6. Wurde nach Kenntnis der Bundesregierung eine Bestandserhebung zur Eva-
luierung durchgeführt, aus der die erforderlichen Maßnahmen und finanziel-
len Mittel hervorgehen, die zu einer vollkommenen Herstellung barriere-
freier Haltestellen benötigt werden?
Wenn ja, welche?

7. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung ein durch die Bundesverwaltung
erarbeitetes Konzept, aus dem hervorgeht, in welchem Zeitraum und an wel-
chen Standorten die schrittweise Umgestaltung der Haltestellen erfolgen
wird?

8. In welcher Weise nimmt die Bundesregierung Einfluss auf das Niveau der
Barrierefreiheit bzw. Qualitätskriterien bei Neubauten und Modernisierungs-
vorhaben mit Blick auf sich entwickelnde DIN-Normen und EU-Bestimmun-
gen, zum Beispiel hinsichtlich von Mindestbreiten von Wegen auf Bahnstei-
gen?

9. Wie entstehen nach Kenntnis der Bundesregierung Prioritätenlisten, nach de-
nen Bahnhöfe barrierefrei umgestaltet werden?

10. Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung der Sachverstand der örtlichen
bzw. regionalen Behindertenselbsthilfe-Organisationen bei der Umgestal-
tung bzw. beim Neubau von Bahnhöfen einbezogen?

11. Wie kooperieren nach Kenntnis der Bundesregierung die Deutsche Bahn AG
und sonstige Nutzer von Personenbahnhöfen bei der Schaffung von Barrie-
refreiheit vom Bahnhofsvorplatz bis zum Einstieg in die Waggons?

Gibt es feste Kooperationsbeziehungen?
Plant oder hat die Bundesregierung diesbezügliche Verordnungen bzw. Kon-
trollgremien?

12. Bei welchen Personenbahnhöfen wird nach Kenntnis der Bundesregierung
die Barrierefreiheit nach derzeitiger Planung bis 2020 hergestellt sein (bitte
nach Bundesländern und Kategorien aufschlüsseln)?

13. Welche Personenbahnhöfe werden nach Kenntnis der Bundesregierung nach
derzeitiger Planung auch im Jahr 2022 noch nicht barrierefrei sein (bitte nach
Bundesländern und Kategorien aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11316

14. Was plant der Bund an Initiativen bzw. Maßnahmen, damit auch diese Bahn-

höfe in absehbarer Zeit barrierefrei sind?
15. Wie viele Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs gibt es nach Kenntnis

der Bundesregierung insgesamt im Bundesgebiet, und wie viele stehen davon
in der Verantwortung des Bundes?
Wie viele der bundesweiten Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs sind
nach Kenntnis der Bundesregierung barrierefrei, und auf wie viele Haltestel-
len in Bundesverantwortung trifft dies zu?

16. Welche Aktivitäten gab bzw. gibt es seitens der Bundesregierung seit dem
Jahr 2010 für mehr Barrierefreiheit im Luftverkehr (bitte einzeln mit jewei-
liger Art der Aktivität, Verantwortlichkeit, Kosten und Zeitraum nennen)?

17. Wie viele Flughäfen mit gewerblicher Personenbeförderung gibt es in
Deutschland (Stand: 2016), und wie viele davon sind barrierefrei?

18. Wie viele deutsche und wie viele ausländische Luftfahrtunternehmen mit ge-
werblicher Personenbeförderung haben mit Stand des Jahres 2015 vom Luft-
fahrt-Bundesamt (LBA) eine Betriebsgenehmigung bzw. eine Einflug- und
Verkehrserlaubnis erhalten?

19. Wie viele der für die gewerbliche Personenbeförderung zugelassenen Flug-
zeuge (über 20 t) gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung bei deutschen
Luftfahrtunternehmen?

Wie viele davon verfügen über mindestens eine Toilette?
Wie viele davon verfügen über mindestens eine auch für Rollstuhlnutzerin-
nen und Rollstuhlnutzer geeignete Toilette?
Wie viele dieser Flugzeuge verfügen über eine für Menschen mit Behinde-
rungen angemessene barrierefreie Ausstattung hinsichtlich Sitzplatzgestal-
tung, Gangbreiten, barrierefreier Kommunikation usw.?

20. Wie viele (angemeldete) Passagiere mit Behinderungen bzw. Mobilitätsein-
schränkung wurden im Jahr 2016 auf den Flughäfen in Deutschland abgefer-
tigt (bitte nach Flughäfen aufschlüsseln)?

21. Wie viele Passagiere mit Behinderungen bzw. Mobilitätseinschränkung wur-
den im Jahr 2016 von deutschen Airlines befördert (bitte nach Flugverkehrs-
unternehmen aufschlüsseln)?

22. Wie viele Beschwerden zum Thema barrierefreie Flugreisen gingen seit Ja-
nuar 2014 bei der Behindertenbeauftragten der Bundesregierung ein?

Was waren dabei die Schwerpunkte?
Wie wurden diese Beschwerden in der Arbeit des zuständigen Bundesminis-
teriums und des LBA berücksichtigt?
In wie vielen Fällen führten diese Beschwerden zu Sanktionen gegenüber
Flugverkehrsunternehmen, Reiseveranstaltern und Flughäfen?

23. Wie viele Beschwerden zum Thema barrierefreie Flugreisen gingen seit dem
Jahr 2010 jährlich beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infra-
struktur ein?

Was waren dabei die Schwerpunkte?
Wie wurden diese Beschwerden berücksichtigt?
In wie vielen Fällen führten diese Beschwerden zu Sanktionen gegenüber
Flugverkehrsunternehmen, Reiseveranstaltern und Flughäfen?

Drucksache 18/11316 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

24. Wie viele Beschwerden zum Thema barrierefreie Flugreisen gingen seit dem

Jahr 2010 jährlich beim Luftfahrt-Bundesamt ein?

Was waren dabei die Schwerpunkte?
Wie wurden diese Beschwerden berücksichtigt?
In wie vielen Fällen führten diese Beschwerden zu Sanktionen gegenüber
Flugverkehrsunternehmen, Reiseveranstaltern und Flughäfen?

25. Wie viele Beschwerden im Zusammenhang mit der Verordnung bzw. der
Beförderung von Menschen mit Behinderung gingen seit dem Jahr 2010 bei
den Beschwerdeabteilungen von deutschen Flugunternehmen sowie bei den
Flughäfen in Deutschland ein, und welcher Art waren diese Beschwerden
(bitte nach Datum, einzelnen Airlines und Flughäfen aufschlüsseln)?
Wie viele davon konnten einvernehmlich geregelt werden, und wie viele
nicht?

26. Welche deutschen Luftverkehrsunternehmen haben
a) auf Kurzstreckenflügen,
b) auf Mittelstreckenflügen und
c) auf Langstreckenflügen
in ihren Flugzeugen Toiletten, die auch hinsichtlich ihrer Größe und Gestal-
tung für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer sowie andere Menschen
mit Behinderung (blinde oder gehörlose Passagiere) nutzbar sind?

27. Welche deutschen Luftverkehrsunternehmen und welche ausländischen, in
Deutschland tätigen Luftverkehrsunternehmen boten im Jahr 2015 keine kos-
tenlosen Hotlines und/oder Internetangebote für die Anmeldung eines Hil-
febedarfs an?

Hat das LBA diesen Unternehmen Fristen gesetzt?
Wenn ja, welche?
Wurden diesbezüglich vom LBA Sanktionen verhängt oder zumindest ange-
droht?
Wenn ja, welche, und wenn nein, warum nicht?

28. Wie viele Reisebusse wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit der
Liberalisierung des Fernbuslinienverkehrs im Jahr 2013 pro Kalenderjahr im
Fernbuslinienverkehr eingesetzt, und wie viele davon waren barrierefrei und
mit zwei Rollstuhlplätzen ausgestattet?

29. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung alle seit dem 1. Januar 2016 in
Deutschland neu zugelassenen Reisebusse wirklich barrierefrei und mit zwei
Rollstuhlplätzen ausgestattet (bitte begründen), und wie hat die Bundesregie-
rung die Einhaltung dieser Vorschrift kontrolliert?

30. Mit welchen Maßnahmen fördert die Bundesregierung die Barrierefreiheit
von Reisebussen, welche ab dem Jahr 2020 vollumfänglich hergestellt sein
muss?

Berlin, den 13. Februar 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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