BT-Drucksache 18/11208

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/10186, 18/11205 - Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz - HHVG)

Vom 15. Februar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11208

18. Wahlperiode 15.02.2017

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Pia Zimmerman, Sabine Zimmermann (Zwickau),
Matthias W. Birkwald, Katja Kipping, Azize Tank, Kathrin Vogler,
Harald Weinberg, Birgit Wöllert und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung

– Drucksachen 18/10186, 18/11205 –

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung

(Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Versorgung mit Hilfsmitteln wie Rollstühlen, Hörgeräten oder Inkontinenzhilfen
hat in der Vergangenheit immer wieder Unzufriedenheit bei Patientinnen und Patien-
ten hervorgerufen. Grundsätzlich hat zwar jede und jeder Versicherte Anspruch auf
alle notwendigen und zweckmäßigen Hilfsmittel, aber in der Praxis wird dieses Recht
vielfach unterlaufen. So haben Hilfsmittelausschreibungen nicht nur bei Inkontinenz-
hilfen zu einer sinkenden Versorgungsqualität geführt. Diese Verträge, bei denen
meistens ein Anbieter exklusiv die Versorgung für die Versicherten einer Kranken-
kasse übernimmt, haben nicht nur Dumpingpreise, sondern oft auch Dumpingqualität
zu Folge. Häufig erhielten Angebote unter den Selbstkosten den Zuschlag („Unterkos-
tenangebote“). Die Anbieter haben dann den Versicherten bessere Produkte angebo-
ten, die aber mit erheblichen Selbstbeteiligungen (Aufzahlungen) einhergehen und die
das Geschäft wieder lukrativ gemacht haben. Die Exklusivverträge drängen andere,
wohnortnahe Versorger aus dem Markt. Da die Vertragsinhalte in aller Regel geheim
sind, taugen sie auch nicht zu einem Qualitätswettbewerb. Denn die Versicherten ha-
ben keine Möglichkeit, sich ihre Krankenkasse anhand der Vertragsausgestaltung aus-
zusuchen. Wenn teure Aufzahlungen notwendig sind, um brauchbare Qualität zu er-
halten, wird der Leistungsanspruch der Versicherten entwertet.

Das Hilfsmittelverzeichnis beinhaltet Hilfsmittel, die von den Krankenkassen grund-
sätzlich erstattet werden müssen, wenn sie ärztlich verordnet werden. Die Struktur und
die Qualitätsvorgaben wurden teils seit zwanzig Jahren nicht aktualisiert. In der Regel
wird nur nach Aktenlage entschieden, ob die Qualitätskriterien erfüllt werden. Zudem
überprüft niemand, ob die Produkte später in der Versorgung immer noch den Anfor-
derungen entsprechen. Bei Hörgeräten haben sich Krankenkassen teils auf das Hilfs-
mittelverzeichnis berufen und notwendige teure Geräte nicht erstattet. Erst vier Jahre

Drucksache 18/11208 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

nach einem Urteil des Bundessozialgerichts, das die Leistungspflicht der Krankenkas-
sen festgestellt hat, wurden die entsprechenden Festbeträge angepasst.

Für Hilfsmittel müssen grundsätzlich bürokratische Einzelgenehmigungen beantragt
werden – im Gegensatz zu Arzneimitteln, Heilmitteln und den meisten anderen Leis-
tungen. Viele Versicherte berichten davon, dass die Genehmigungspraxis immer rest-
riktiver wird.

Mit dem Heil- und Hilfsmittelversorgungsstärkungsgesetz (HHVG) wird deutlich,
dass zumindest einige Probleme von der Bundesregierung anerkannt werden. Umso
unverständlicher ist es, dass nur Trippelschritte gegangen werden, um die Missstände
abzustellen. Der Vertragswettbewerb wird grundsätzlich beibehalten. Doch er löst
keine Probleme, sondern verursacht sie maßgeblich. Das Ziel, allen Versicherten eine
gute und aufzahlungsfreie Versorgung zukommen zu lassen, wird mit den vorgeschla-
genen Gesetzesänderungen – trotz einiger Schritte in die richtige Richtung – nicht er-
reicht werden.

Der Einsatz von externen Hilfsmittelberaterinnen und -beratern hat in der Vergangen-
heit immer wieder zu Kritik geführt. Der Vorwurf, Krankenkassen würden diese en-
gagieren, um die Einschätzung ihrer Medizinischen Dienste, ob ein Hilfsmittel medi-
zinisch notwendig ist, aus Kostengesichtspunkten zu revidieren, konnte bis heute nicht
ausgeräumt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, der

1. Hilfsmittelausschreibungen abschafft;

2. dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) die Aufgabe der grundsätzlichen
Neukonzeption des Hilfsmittelverzeichnisses inkl. der Qualitätskriterien über-
trägt. Der G- BA kann sich durch ein wissenschaftliches Institut, zum Beispiel
das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen
(IQTIG), beraten lassen;

3. durch angemessene Festbetragsregelungen gewährleistet, dass die Hilfsmittel im
Hilfsmittelverzeichnis wirtschaftlich sind. Anreize zu Preissenkungen analog zu
den Festbetragsregelungen bei Arzneimitteln sind zu prüfen. Für Innovationen
mit patientenrelevantem Zusatznutzen, die sich nicht im Hilfsmittelverzeichnis
abbilden lassen, sind nutzenorientierte Zuschläge zwischen Hersteller und GKV-
Spitzenverband zu vereinbaren;

4. die Einzelgenehmigungspflicht für ärztlich verordnete Hilfsmittel abschafft,
wenn durch das neue Hilfsmittelverzeichnis und reelle Festbeträge die Qualität
und die Wirtschaftlichkeit des einzelnen Hilfsmittels gewährleistet sind. Die Ver-
pflichtung der wirtschaftlichen Verordnungsweise durch die Ärztinnen und Ärzte
bleibt davon unberührt;

5. festlegt, dass externe Hilfsmittelberaterinnen und -berater nur durch den Medizi-
nischen Dienst der Krankenkassen (MDK) beauftragt werden dürfen. Dabei ist
auszuschließen, dass externe Hilfsmittelberatungen Einfluss auf die Einschätzung
des MDK zur medizinischen Notwendigkeit des Hilfsmittels haben;

6. Sehhilfen in den Leistungskatalog der Krankenkassen überführt, sofern sie not-
wendig und ausreichend sind, um die durch Fehlsichtigkeit versursachten Beein-
trächtigungen der gesellschaftlichen Teilhabe auszugleichen.

Berlin, den 14. Februar 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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