BT-Drucksache 18/11207

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/10186, 18/11205 - Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz - HHVG)

Vom 15. Februar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11207

18. Wahlperiode 15.02.2017

Entschließungsantrag

der Abgeordneten der Abgeordneten Birgit Wöllert, Sabine Zimmermann
(Zwickau), Matthias W. Birkwald, Katja Kipping, Azize Tank, Kathrin Vogler,
Harald Weinberg, Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung

– Drucksachen 18/10186, 18/11205 –

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung

(Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten, Ergotherapeutinnen und Egotherapeu-
ten, Logopädinnen und Logopäden sowie Podologinnen und Podologen brauchen eine
bessere Vergütung ihrer Arbeit. Ihre Bedeutung in der Gesundheitsversorgung nimmt
zu und muss entsprechend gewürdigt werden. Dies ist seit Jahren bekannt, doch außer
Sonntagsreden hat die Bundesregierung wenig auf den Weg gebracht.

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass mit dem Wegfall der Grundlohnsummenbin-
dung ein erster Schritt in diese Richtung gegangen wird. Er kritisiert allerdings die
Begrenzung auf drei Jahre. Denn so steht Stillstand zu befürchten. Die Kostenträger
könnten versuchen, während dieser drei Jahre möglichst wenig zu verändern. Im
Schutz der Grundlohnsummenbindung könnte die Vergütung auf kaum verändertem
Niveau festgeschrieben werden. Ein deutlicheres Signal des Gesetzgebers wäre nötig
gewesen: auf eine Befristung zu verzichten oder Anhebungen selbst vorzuschreiben.

Wichtig zur Stärkung der Heilmittelberufe ist die sogenannte Blanko-Verordnung, auf
der ärztlicherseits nur die Diagnose vermerkt wird und die Heilmittelerbringenden Ent-
scheidungskompetenz über die Art und Dauer der Behandlung haben. Denn ihre Kom-
petenzen in der Wahl der Therapie werden bislang missachtet. Schon lange hätte den
Fachleuten für diese Therapien dieser Entscheidungsspielraum gegeben werden müs-
sen. Stattdessen liegt er immer noch in rein ärztlicher Verantwortung. Für die Versor-
gung wäre mehr Kooperation von Ärztinnen und Ärzten und Heilmittelerbringenden
gut für die Versorgung der Patientinnen und Patienten. Das sehen auch viele Ärztinnen
und Ärzte vor Ort so. Es ist durchaus üblich, dass sie bei den Heilmittelerbringenden
nachfragen, welche Therapie sie konkret anraten würden. Enttäuschend ist, dass sich
daran grundsätzlich nach dem Willen der Bundesregierung auch bis auf weiteres nichts

Drucksache 18/11207 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

ändern soll. Lediglich die bestehenden Modellversuche, die gute Ergebnisse brachten,
sollen verlängert werden. Hier wäre ein mutigerer Gesetzentwurf der Bundesregierung
notwendig.

Eine direkte Versorgung der Versicherten durch Heilmittelerbringende ganz ohne ärzt-
liche Verordnung wäre ein zeitgemäßes Thema für größere evaluierte Modellversuche.
Dies wird mit dem Gesetzentwurf überhaupt nicht aufgegriffen. Deutschland bleibt
hier hinter anderen Staaten zurück, in Schweden, Norwegen, den Niederlanden, Groß-
britannien und in Australien ist dies bereits Teil der Regelversorgung (vgl. Antwort
der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE., Bundestags-
drucksache 18/6974, „Direktzugang zur Physiotherapie“).

Für die Gruppe der Notärztinnen und Notärzte soll mit einem Änderungsantrag zu die-
sem Gesetzentwurf eine Sonderregelung geschaffen werden. Es wurde gerichtlich fest-
gestellt, dass Honorarverträge eine Scheinselbstständigkeit begründen können. Diese
Arbeit wäre dann wie jede abhängige Beschäftigung beitragspflichtig in der Sozialver-
sicherung und außerdem kämen das Arbeitszeitgesetz und arbeitnehmerspezifische
Regelungen zur Anwendung. Diese Gleichbehandlung der Erwerbstätigen soll nun
aufgehoben werden mit der Begründung, Notärztinnen und -ärzte gingen einer dem
Gemeinwohl nützlichen Betätigung nach. Es wäre ein Dammbruch, wenn einzelne Be-
rufsgruppen aus der Sozialversicherungspflicht ausgenommen würden. Nutzen einer
Tätigkeit für das Gemeinwohl kann nicht die Begründung für Beitragsfreiheit in der
Sozialversicherung sein. Für alle Beschäftigten müssen die gleichen verbindlichen ge-
setzlichen Regeln gelten, wann Sozialversicherungspflicht oder -freiheit eintritt. Au-
ßerdem wären auch viele andere Berufe, insbesondere das übrige Rettungsdienstper-
sonal und Feuerwehrpersonal, sowie andere Gesundheitsberufe oder soziale Berufe
und weitere von der Sozialversicherungspflicht auszunehmen.

Mit der Abschaffung der Sozialversicherungspflicht auch die Pflicht zur Einhaltung
des Arbeitszeitgesetzes zu umgehen, ist verantwortungslos. Dem Gemeinwohl ist mit
einer starken Solidargemeinschaft, insbesondere in der Sozialversicherung, die alle
einbezieht, gedient und nicht mit Anreizen, die eigene Gesundheit zugunsten eines hö-
heren Einkommens zu gefährden und damit auch das Wohl der Patientinnen und Pati-
enten aufs Spiel zu setzen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, um

a) auf die Befristung des Wegfalls der Grundlohnsummenbindung zu verzichten,

b) die Modellversuche zur Blanko-Verordnung in die Regelversorgung zu überfüh-
ren,

c) zu evaluierende Modellversuche zum Direktzugang zu Heilmittelerbringenden
aufzulegen

d) sowie auf die Beitragsfreiheit in der gesetzlichen Sozialversicherung für Notärz-
tinnen und Notärzte zu verzichten.

Berlin, den 14. Februar 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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