BT-Drucksache 18/11021

Langfristige Sicherung der HIV-Stiftung

Vom 25. Januar 2017


Deutscher Bundestag Drucksache 18/11021
18. Wahlperiode 25.01.2017

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Kathrin Vogler, Birgit Wöllert, Sabine Zimmermann (Zwickau),
Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Katja Kipping, Norbert Müller (Potsdam),
Harald Petzold (Havelland), Dr. Petra Sitte, Harald Weinberg, Pia Zimmermann
und der Fraktion DIE LINKE.

Langfristige Sicherung der HIV-Stiftung

Der Fortbestand der Stiftung Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infi-
zierte Person steht immer wieder zur Disposition. Das verursacht bei den Überle-
benden des Bluter-Skandals in den 1980er-Jahren immer wieder Sorge um ihre
weitere materielle Existenz.
Aufgrund einer für die Betroffenen schon im Jahr 2013 absehbaren existenziell
bedrohlichen Situation gab das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) der
Stiftung den Auftrag, eine Studie zur Lebenssituation betroffener Leistungsemp-
fängerinnen und Leistungsempfänger zu erstellen. Diese Studie wurde daraufhin
von der Prognos AG Berlin durchgeführt (www.prognos.com/publikationen/
alle-publikationen/425/show/4e0cc579665557403c361f514c09ca7a/).
In einem Anschreiben an die Betroffenen, das dem Fragebogen der Studie beilag
(das Schreiben liegt den Fragestellenden vor), wurden bei den Geschädigten
große Hoffnungen geweckt, unter anderem mit einem expliziten Verweis auf die
Regelung für Contergan-Geschädigte. Der hohe Rücklauf (479 von 554 Fragebö-
gen, was einer Rücklaufquote von 86 Prozent entspricht) ist auf das große Ver-
trauen in die Absichten der Befragung zurückzuführen und gewährleistet gleich-
zeitig eine hohe Validität der Studie.
Die Ergebnisse der Studie wurden dem Stiftungsrat am 19. Mai 2014 vorgestellt.
Stiftungsrat und Stiftungsvorstand kamen zu dem Schluss, dass „die durch die
Studie eingetretene Erwartungshaltung der Opfer auf eine lebenslange Leistung
der Stiftung nicht enttäuscht werden“ darf und „rechtzeitig vor dem Ende der
Zahlungsfähigkeit der Stiftung – im Jahr 2016 – eine dauerhaft gesicherte Finan-
zierung der Stiftung“ erforderlich sei (vgl. Pressemitteilung der Stiftung vom
21. Mai 2014). Mitglieder des Stiftungsrates waren der damalige gesundheitspo-
litische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion und heutige Parlamentarische Staats-
sekretär beim Bundesminister der Finanzen, Jens Spahn, sowie die damalige Ab-
geordnete der SPD-Fraktion im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundesta-
ges, Bärbel Bas.
Etwa 190 bis 250 Mio. Euro wären nach dieser Studie als einmaliger Zuschuss
Anfang 2017 zur Stiftung notwendig, um sämtliche zukünftigen Ansprüche zu-
züglich eines jährlichen Inflationsausgleichs von 2 Prozent abdecken zu können.
Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer wurden nicht über die Ergebnisse
informiert, sie wurden nicht einmal per Schreiben darüber in Kenntnis gesetzt,
dass die Studie abgeschlossen sei.

http://www.prognos.com/publikationen/alle-publikationen/425/show/4e0cc579665557403c361f514c09ca7a/
http://www.prognos.com/publikationen/alle-publikationen/425/show/4e0cc579665557403c361f514c09ca7a/
Drucksache 18/11021 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Aktuell reichen die finanziellen Mittel nach Angaben der Bundesregierung noch
bis März 2018 (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der
Fraktion DIE LINKE. vom 27. September 2016 auf Bundestagsdrucksache
18/9776). Zusätzlich sind im Bundeshaushalt im Vorgriff für das Jahr 2018, also
den Beginn der kommenden Wahlperiode, 2 Mio. Euro veranschlagt worden.
Diese Summe reicht bei über 8 Mio. Euro jährlichem Finanzbedarf der Stiftung
etwa drei Monate zur Deckung der Aufgaben, wird aber der Forderung von Stif-
tungsrat und Stiftungsvorstand nach einer dauerhaften Sicherung der Finanzie-
rung der Stiftung sowie nach einer Garantie einer lebenslangen Leistung bei Wei-
tem nicht gerecht.
Auf der Internetseite des BMG sind die Studie und deren Ergebnisse auf der von
der Bundesregierung angegebenen Stelle (vgl. Antwort der Bundesregierung auf
die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE., Bundestagsdrucksache 18/9776)
nicht mehr nachzulesen, obwohl es das BMG selbst war, das den Auftrag für diese
Studie an die Stiftung erteilt hatte.
Seit Beginn der Zahlungen der Stiftung 1995 gab es keinerlei Inflationsausgleich,
obwohl seitdem die ausgezahlten Summen etwa ein Viertel ihres Wertes verloren
haben. An AIDS erkrankte Menschen erhalten 1 533,88 Euro, HIV-Infizierte er-
halten 766,94 Euro und die Kinder verstorbener Betroffener erhalten 511,29 Euro
im Monat.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele der Geschädigten bestreiten nach den Ergebnissen der Prognos-

Studie aus den Zahlungen der Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutpro-
dukte HIV-infizierte Personen“ ihren täglichen Lebensunterhalt?

2. Welche Beeinträchtigungen des täglichen Lebens belasten die Betroffenen
gemäß der Prognos-Studie (bitte auch jeweils den Anteil an den Betroffenen
angeben)?

3. Welche Einschränkungen beim eigenen Erzielen von Einkommen haben die
Betroffenen gemäß der Prognos-Studie (bitte auch jeweils den Anteil an den
Betroffenen angeben)?

4. Welche privat zu tragenden Kosten für Leistungen zur Erhaltung der eigenen
Gesundheit haben Betroffene monatlich gemäß der Prognos-Studie?

5. Wie bewertet die Bundesregierung insgesamt die soziale Lage der Betroffe-
nen, und in welchem Maß ist die Infektion durch Blutprodukte ursächlich
dafür?

6. Ist es Ziel der Bundesregierung, statt immer neuer Finanzierungsverhandlun-
gen und damit einhergehender Unsicherheiten für alle Beteiligten die Stif-
tungsarbeit dauerhaft finanziell zu sichern, so wie es in der Prognos-Studie
empfohlen und auch von Stiftungsvorstand und Stiftungsrat unter Beteili-
gung des heutigen Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister
der Finanzen, Jens Spahn, im Jahr 2014 gefordert wurde?

7. Wäre die Bundesregierung bereit, den dafür notwendigen Finanzierungsan-
teil des Bundes auf einen Schlag bereitzustellen, so wie dies auch bei der
Conterganstiftung für behinderte Menschen geschehen ist?
Welche Position vertritt der Vorsitzende des Stiftungsrates der Stiftung Hu-
manitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen als Parlamen-
tarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen aktuell?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/11021
8. Wie hoch wäre der Anteil des Bundes, wenn man die von Prognos genannten
190 bis 250 Mio. Euro Gesamtbedarf und eine unveränderte Verteilung auf
Bund, Länder, Pharmaindustrie und Deutsches Rotes Kreuz e. V. (DRK) zu-
grunde legt?

9. Wie hoch wären die Anteile der anderen Finanzgeber?
10. Welcher Finanzgeber hat in Verhandlungen bisher signalisiert, dass er nicht

zur Tragung der notwendigen Kosten mit demselben Verteilungsschlüssel
wie in der Vergangenheit bereit ist?

Welchen Anteil sind die einzelnen Finanzgeber bereit zu übernehmen?
11. Für wie lange haben sich die einzelnen Finanzgeber bereit erklärt, den durch

sie zu tragenden Anteil zu übernehmen?
12. Was hat die Pharmaindustrie bislang zugesagt, und welche Maßnahmen be-

stehen aus Sicht der Bundesregierung, um die Bereitschaft der Industrie, die
für eine lebenslange Zahlung erforderlichen Gelder mitzutragen?

Welche erwägt sie?
13. Verstehen die Fragesteller die Bundesregierung richtig, wenn sie aufgrund

der Vorbemerkung auf Bundestagsdrucksache 18/9776 davon ausgehen, dass
der Pharmaindustrie seitens der Bundesregierung oder anderer Verhand-
lungspartner bereits zweimal zugesichert wurde, dass sie keine weiteren Zah-
lungen mehr wird leisten müssen?

14. Weshalb wird, wie ebenfalls in dieser Vorbemerkung ausgeführt, lediglich
ein weiterer Finanzierungszeitraum von zehn Jahren angestrebt und nicht die
Tragung aller auch darüber hinausgehenden notwendigen Ausgaben?

15. Weshalb ist unter dem auf Bundestagsdrucksache 18/9776 in der Antwort
zu Frage 7 angegebenen Link zu der Prognos-Studie des BMG (www.bmg.
bund.de/themen/praevention/gesundheitsgefahren/studie-zur-lebenssituation-
durch-blutprodukte-hiv-infizierter-personen.html) lediglich ein „Seite nicht
gefunden“-Fehler zu finden?
Wurde die Prognos-Studie aus dem Web-Angebot des BMG entfernt, und
wenn ja, wann, und weshalb?

16. Welche Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung aus der Prognos-Studie
gezogen, wo sind diese dokumentiert, und welche Handlungen sind seit dem
Erscheinen im Jahr 2014 erfolgt?

17. Kann die Bundesregierung angeben, warum den Betroffenen mit dem An-
schreiben zur Teilnahme an der Studie große Hoffnungen gemacht wurden,
wenn die Bundesregierung keine Änderungen an der Höhe der Entschädi-
gungszahlungen plant (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine An-
frage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/9776)?

18. Weshalb wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Studie nicht
über deren Ergebnisse oder den Abschluss informiert?

19. Schließt sich die Bundesregierung der Auffassung des Stiftungsrats-Mit-
glieds Bärbel Bas an, wonach ein Inflationsausgleich ab 1995 in voller Höhe
stattfinden solle (vgl. GESELLSCHAFTSPOLITISCHE KOMMENTARE
Nr. 11–12/16, S. 1 f.)?

http://www.bmg.bund.de/themen/praevention/gesundheitsgefahren/studie-zur-lebenssituation-durch-blutprodukte-hiv-infizierter-personen.html
http://www.bmg.bund.de/themen/praevention/gesundheitsgefahren/studie-zur-lebenssituation-durch-blutprodukte-hiv-infizierter-personen.html
http://www.bmg.bund.de/themen/praevention/gesundheitsgefahren/studie-zur-lebenssituation-durch-blutprodukte-hiv-infizierter-personen.html
Drucksache 18/11021 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

20. Plant die Bundesregierung, das HIV-Hilfegesetz in § 14 dahingehend zu än-

dern, dass die Regelung entfällt, wonach die Stiftung aufgehoben wird, wenn
„die Mittel für die finanzielle Hilfe erschöpft sind“?

Wenn nein, weshalb nicht?

Berlin, den 23. Januar 2017

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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