BT-Drucksache 18/10765

Versorgung mit Leistungen der Schwangerenvorsorge und deren Vergütung

Vom 20. Dezember 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10765
18. Wahlperiode 20.12.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgit Wöllert, Sabine Zimmermann (Zwickau), Katja Kipping,
Cornelia Möhring, Norbert Müller (Potsdam), Kathrin Vogler, Harald Weinberg,
Katrin Werner, Pia Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Versorgung mit Leistungen der Schwangerenvorsorge und deren Vergütung

Am 1. Dezember 2016 wandte sich das Netzwerk „Elterninitiativen für Geburts-
kultur“ (EfG) in einem offenen Brief an verschiedene gesundheitspolitische Ak-
teurinnen und Akteure, u. a. das Bundesministerium für Gesundheit sowie den
Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages. Beklagt wird darin, dass
„in letzter Zeit […] vermehrt“ schwangere Frauen „verunsichert und irritiert“
werden durch Aussagen und Schriftstücke gynäkologischer Praxen hinsichtlich
der Vergütung der Leistungen der Schwangerenvorsorge.
Als exemplarischer Beleg war die Kopie eines Schreibens beigefügt, welches laut
EfG „in einer gynäkologischen Praxis in NRW schwangeren Frauen zur Unter-
schrift vorgelegt wird.“ Dieses Schreiben enthält den Hinweis, „dass Vertrags-
ärzte […] die „Behandlungspauschale“ für Schwangere „gegenüber der Kranken-
kasse nur abrechnen dürfen, […] wenn nicht gleichzeitig eine Betreuung durch
Hebammen stattfindet und […] kein anderer Arzt im gleichen Quartal bereits
Leistungen […] durchgeführt hat“. Eine „Behandlung“ sei „nur noch dann erlaubt
und möglich […], wenn die Schwangeren […] schriftlich versichern, dass weder
eine gleichzeitige Hebammenversorgung noch eine Behandlung durch einen an-
deren Arzt im gleichen Quartal stattfindet oder stattgefunden hat“.
Dem schließt sich eine von der Schwangeren zu unterzeichnende „Erklärung“ an,
„im gleichen Quartal keine Vorsorgeuntersuchung bei einer Hebamme in An-
spruch“ genommen zu haben und „bisher noch keine Erkennung, Vorsorge oder
Behandlung […] durch einen anderen Vertragsarzt in Anspruch genommen (zu)
habe(n)“. Mit der Unterschrift erklären sich die Schwangeren „ausdrücklich da-
mit einverstanden“, „im Falle einer Verweigerung der Krankenkasse zur Über-
nahme der entstehenden Kosten (auch im Falle eines Vertragsarztwechsels inner-
halb des Quartals) die Kosten […] zu begleichen“.
Hintergrund ist das Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 11. Februar
2015 (Az.: B 6 KA 15/14 R) zum Abrechnungsausschluss in Nummer 01770 des
Einheitlichen Bewertungsmaßstabs-Ärzte (EBM-Ä). Danach darf die Pauschale
für die Betreuung einer Schwangeren pro Quartal nur einmal abgerechnet werden,
auch wenn die zweitbehandelnde frauenärztliche Praxis keine Kenntnis von der
Betreuung durch die erste Praxis hat.

Drucksache 18/10765 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat nach Kenntnis der Bundesregierung das Bundessozialgericht „den Be-
wertungsausschuss beauftragt, die aktuelle Regelung (zur EBM-Abrech-
nungsziffer 01770) zu überprüfen“ (www.kbv.de/html/1150_14802.php)?

2. Hat der Bewertungsausschuss diese Regelung seit ihrem Bestehen nach
Kenntnis der Bundesregierung einer fachlichen Prüfung unterzogen?

3. Widerspricht nach Ansicht der Bundesregierung das Fünfte Buch Sozialge-
setzbuch (SGB V; hier insb. die §§ 12 und 24d) der doppelten Vergütung
infolge einer doppelten Betreuung einer gesetzlich versicherten schwangeren
Frau einerseits durch eine Frauenärztin/einen Frauenarzt und andererseits
durch eine Hebamme oder einen Entbindungspfleger (vgl. Berufsverband der
Frauenärzte, Newsletter Nr. 11 – 2015)?

4. Widerspricht nach Ansicht der Bundesregierung die Gebührenordnungspo-
sition (GOP) 01770 EBM einer an zwei Leistungserbringende geleistete Ver-
gütung infolge einer doppelten Betreuung einer gesetzlich versicherten
schwangeren Frau einerseits durch eine Frauenärztin/einen Frauenarzt und
andererseits durch eine Hebamme oder einen Entbindungspfleger (vgl. Be-
rufsverband der Frauenärzte, Newsletter Nr. 11 – 2015)?

5. Für welche Hebammenleistungen für eine schwangere gesetzlich Versicherte
ist nach Rechtsauffassung der Bundesregierung die Krankenkasse nicht zur
Erstattung verpflichtet, wenn die Schwangere im jeweiligen Quartal bereits
eine ärztliche Leistung nach der Pauschale für die Betreuung einer Schwan-
geren (GOP 01770 EBM) in Anspruch genommen hat?

6. Welche Leistungen der Schwangerenvorsorge für eine schwangere gesetz-
lich Versicherte können frauenärztliche Praxen nach Rechtsauffassung der
Bundesregierung abrechnen, wenn die Versicherte im betreffenden Quartal
Hebammenleistungen im Rahmen der Vorsorge in Anspruch genommen hat?

7. Widerspricht nach Ansicht der Bundesregierung der „Vertrag über die Ver-
sorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SGB V“ (HebVV) einer an zwei
Leistungserbringende geleistete Vergütung infolge einer doppelten Betreu-
ung einer gesetzlich versicherten schwangeren Frau durch einerseits eine
Frauenärztin/einen Frauenarzt und andererseits durch eine Hebamme oder
einen Entbindungspfleger (vgl. Berufsverband der Frauenärzte, Newsletter
Nr. 11 – 2015)?

8. Welche Möglichkeiten und Grenzen bietet nach Rechtsauffassung der Bun-
desregierung die gegenwärtige Rechtslage zur Vergütung der Leistungen der
Schwangerenvorsorge im jeweils selben Quartal, bei der Leistungen jeweils
zwischen frauenärztlichen Praxen und Hebammen bzw. Entbindungspfle-
gern abwechselnd erbracht werden (sog. Wechselmodell)?

9. Trifft es nach Rechtsauffassung der Bundesregierung zu, dass § 12 SGB V
„keinen Raum für eine parallele Erbringung und Abrechnung der Schwange-
renvorsorge durch Frauenärzte und Hebammen in Kooperationen“ zulässt
(Berufsverband der Frauenärzte, Newsletter Nr. 11 – 2015), und wie müssten
solche Kooperationen ausgestaltet sein, damit sie rechtssicher vergütet wer-
den können?

10. Hat die Bundesregierung diesbezüglich Kenntnisse über „(e)rste Regressver-
fahren […], die sich noch im außergerichtlichen Stadium befinden“ (Berufs-
verband der Frauenärzte, Newsletter Nr. 11 – 2015)?
Falls ja, welche Kenntnis hat die Bundesregierung von der Anzahl der Re-
gressverfahren, in welchen Bundesländern gibt es solche, von welchen Kas-
sen wurden diese angestrebt, wie ist aktuell der Stand, gibt es mittlerweile
gerichtliche Auseinandersetzungen?

http://www.kbv.de/html/1150_14802.php
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10765

11. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung von der Einstellung von Koope-

rationen zwischen Hebammen und frauenärztlichen Praxen auf Grund der
Ansicht des Berufsverbandes der Frauenärzte, demzufolge § 12 SGB V „kei-
nen Raum für eine parallele Erbringung und Abrechnung der Schwangeren-
vorsorge durch Frauenärzte und Hebammen in Kooperationen“ zulässt?

12. Welche Gründe sprechen nach Rechtsauffassung der Bundesregierung dage-
gen, dass die Regelung zur Delegation von Leistungen der Schwangerenvor-
sorge nach Abschnitt A Nummer 7 der aktuell gültigen „Richtlinien des Ge-
meinsamen Bundesausschusses über die ärztliche Betreuung während der
Schwangerschaft und nach der Entbindung (‚Mutterschafts-Richtlinien‘)“
auch für Kooperationen Anwendung finden kann, bei der Hebammen bzw.
Entbindungspfleger diese Leistungen dann eigenverantwortlich erbringen
und abrechnen, ohne dass der Vergütungsanspruch der frauenärztlichen Pra-
xen beeinträchtigt wird?

13. Welche Möglichkeiten bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung für
frauenärztliche Praxen, die hier insgesamt angesprochenen Probleme bei der
Vergütung durch die Einzelabrechnung von Leistungen (statt der Abrech-
nung von Pauschalen) zu vermeiden?

14. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Behandlung im Rah-
men der Schwangerenvorsorge durch eine Vertragsärztin oder einen Ver-
tragsarzt „nur noch dann erlaubt und möglich ist, wenn die Schwangeren […]
schriftlich versichern, dass weder eine gleichzeitige Hebammenversorgung
noch eine Behandlung durch einen anderen Arzt im gleichen Quartal statt-
findet oder stattgefunden hat“ (Anlage zum Brief von EfG)?

15. Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung daraus, und welchen Hand-
lungsbedarf sieht sie?

16. Inwiefern ist es Vertragsärztinnen und -ärzten erlaubt, eine nach dem Be-
schluss des Bewertungsausschusses nicht erfolgende Vergütung einer not-
wendigen Leistung mit Ablehnung der Behandlung oder vertraglich verein-
barter Übernahme der Kosten durch die Versicherte zu beantworten?

17. Können Schwangere nach Kenntnis der Bundesregierung im selben Quartal
einen Wechsel der frauenärztlichen Praxis oder der Hebamme/des Entbin-
dungspflegers vornehmen, ohne damit vergütungsrechtliche Probleme aus-
zulösen?

18. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Rechtslage bei der Inan-
spruchnahme von Leistungen der Schwangerenvorsorge im selben Quartal
bei unterschiedlichen frauenärztlichen Praxen von Frauen mit unterschiedli-
chen Wohn- und Arbeitsorten bzw. Wochenendpendlerinnen?

19. Kann die angesprochene Regelung zur Folge haben, dass eine parallele Be-
treuung durch Frauenärztinnen oder -ärzte sowie durch Hebammen oder Ent-
bindungspfleger zumindest in einigen Fällen nur dann gewährleistet ist,
wenn die Schwangere selbst die Kosten übernimmt?

Berlin, den 20. Dezember 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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