BT-Drucksache 18/10678

zu der Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem EU-Jahresbericht 2015 über Menschenrechte und Demokratie in der Welt - Thematischer Teil - Ratsdok.-Nr. 10255/16 und zu dem EU-Jahresbericht über Menschenrechte und Demokratie in der Welt im Jahr 2015 - Länder- und regionenspezifische Themen - Ratsdok.-Nr. 12299/16

Vom 14. Dezember 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10678
18. Wahlperiode 14.12.2016
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Annette Groth, Inge Höger, Azize Tank, Wolfgang Gehrcke,
Jan van Aken, Matthias W. Birkwald, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen,
Dr. Diether Dehm, Heike Hänsel, Dr. André Hahn, Andrej Hunko, Ulla Jelpke,
Katja Kipping, Katrin Kunert, Stefan Liebich, Niema Movassat, Dr. Alexander S.
Neu, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler, Harald Weinberg, Birgit Wöllert,
Pia Zimmermann, Sabine Zimmermann (Zwickau) und der Fraktion DIE LINKE.

zu der Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses
für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (17. Ausschuss)
– Drucksache 18/10669 –

zu dem EU-Jahresbericht 2015 über Menschenrechte und
Demokratie in der Welt
– Thematischer Teil –
Ratsdok. 10255/16
– Drucksache 18/10116 Nr. A.28 –

zu dem EU-Jahresbericht über Menschenrechte und Demokratie
in der Welt im Jahr 2015
– Länder- und regionenspezifische Themen –
Ratsdok. 12299/16
– Drucksache 18/10116 Nr. A.29 –

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im Dezember 2016 werden die beiden zentralen Menschenrechtspakte der Vereinten
Nationen (UN), der UN-Zivilpakt und der UN-Sozialpakt, 50 Jahre alt. Beide Men-
schenrechtspakte bilden für die Unterzeichnerstaaten einen global gültigen, rechtsver-
bindlichen Maßstab für alles staatliche Handeln. Das Menschenrechtskonzept stellt

Drucksache 18/10678 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
den Menschen in den Mittelpunkt des staatlichen Handelns. Der Staat ist verpflichtet,
jedem Menschen ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit und Würde zu ermöglichen.
Der Staat muss gleichermaßen die bürgerlichen und politischen Rechte ebenso wie die
sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte verwirklichen.
Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Zivilpakt) umfasst die
Rechte zum Schutz der persönlichen Integrität, Freiheitsrechte, Bewegungs- und Nie-
derlassungsfreiheit, Verfahrensrechte, politische Rechte, Folterverbot, Diskriminie-
rungsverbot und Minderheitenrechte. 1973 verabschiedeten die UN ein Fakultativpro-
tokoll zum Zivilpakt, das unter anderem die Möglichkeit einer Individualbeschwerde
vorsieht. 115 Staaten haben es ratifiziert, unter anderem Deutschland. Viele zivile
Rechte sind dennoch innerhalb Deutschlands noch nicht ausreichend verwirklicht.
Der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Sozial-
pakt), verabschiedet am 16. Dezember 1966, wurde 1973 von der Bundesrepublik
Deutschland ratifiziert. Damit ist der UN-Sozialpakt Teil der deutschen Rechtsord-
nung im Range einfachen Bundesrechts. Zu den sozialen Rechten gehören das Recht
auf Arbeit, gerechte und günstige Arbeitsbedingungen, das Recht auf soziale Sicher-
heit, das Recht auf ein Höchstmaß an Gesundheit, angemessenen Lebensstandard und
Wohnen, Recht auf Bildung, Teilnahme am kulturellen Leben und wissenschaftlichen
Fortschritt, das Recht auf Nahrung, sauberes Trinkwasser sowie Sanitärversorgung,
der Schutz von Kindern und Jugendlichen sowie von Menschen mit Behinderungen.
Ebenso sind die Forderungen nach der Gleichstellung der Geschlechter, ein umfassen-
des Diskriminierungsverbot und das Selbstbestimmungsrecht der Völker im Sozial-
pakt aufgeführt.
Im Jahre 2008 wurde das Fakultativprotokoll zum UN-Sozialpakt von der Generalver-
sammlung der Vereinten Nationen verabschiedet, das nach Ausschöpfung des inner-
staatlichen Rechtsweges die Möglichkeit einer Individualbeschwerde durch Be-
troffene vorsieht. Der Deutsche Bundestag bedauert, dass Deutschland das Fakultativ-
protokoll bis heute weder unterschrieben noch ratifiziert hat, obwohl es in der Vergan-
genheit bereits die in weiteren Fakultativprotokollen, wie zur Frauenrechtskonvention
(CEDAW), Behindertenrechtskonvention (CRPD) und Kinderrechtskonvention
(CRC) enthaltenen Individualbeschwerdemöglichkeiten ratifiziert und als justiziabel
anerkannt hat.
Das Recht auf Frieden wurde von der UN-Generalversammlung am 12. November
1984 mit Resolution A/RES/39/11 angenommen. Seitdem beschäftigen sich verschie-
dene Gremien mit der Ausgestaltung dieses Rechts. Am 1. Juli 2016 verabschiedete
der UN-Menschenrechtsrat die Erklärung über das Recht auf Frieden und empfahl der
Generalversammlung, einen Resolutionsentwurf zum Recht auf Frieden anzunehmen.
Dies geschah unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (A-
EMR), den UN-Zivilpakt, den UN-Sozialpakt sowie die Erklärung und das Aktions-
programm von Wien, in dem die gegenseitige Abhängigkeit und Gleichrangigkeit aller
Menschenrechte bekräftigt wurde.
Der Deutsche Bundestag begrüßt die Erklärung zum Recht auf Frieden, welche am 1.
Juli 2016 von dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen angenommen wurde.
Der Deutsche Bundestag bedauert sehr, dass die Bundesregierung gegen diese Erklä-
rung gestimmt hat. Frieden ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Verwirkli-
chung der Menschenrechte und die umfassende menschliche Entwicklung. Die Men-
schenrechte aller Menschen zu achten, ist Grundlage des friedlichen Zusammenlebens
im eigenen Land ebenso wie weltweit. Frieden geht über die Abwesenheit von bewaff-
neten Konflikten hinaus und bedeutet die Beseitigung aller Arten von Gewalt, ob di-
rekte, politische, strukturelle, wirtschaftliche oder kulturelle Gewalt sowohl im öffent-
lichen als auch im privaten Sektor (positive Dimension des Rechts auf Friedens, nach
der Santiago Deklaration zum Menschenrecht auf Frieden (2010)).

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10678
Der Deutsche Bundestag begrüßt die Annahme der Resolution im Ersten Ausschuss
der UN-Generalversammlung am 28. Oktober 2016 für die Aufnahme von Verhand-
lungen über ein Atomwaffenverbot noch im Jahr 2017. 123 Staaten votierten für den
u. a. von Österreich, Brasilien, Irland, Mexiko, Nigeria und Südafrika eingebrachten
Resolutionsentwurf „Taking forward multilateral nuclear disarmament negotiations“
und somit für das Mandat, bereits ab März 2017 eine entsprechende UN-Konferenz
einzuberufen. Am selben Tag hatte das Europäische Parlament alle EU-Mitgliedstaa-
ten dazu aufgefordert, für die Verhandlungen zum Atomwaffenverbot zu stimmen. Der
Deutsche Bundestag unterstützt die Resolution „Taking forward multilateral nuclear
disarmament negotiations“ und kritisiert die Bundesregierung, die gegen diese Reso-
lution und somit gegen Verhandlungen über ein weltweites Atomwaffenverbot ge-
stimmt hat.
Der Deutsche Bundestag begrüßt die Annahme einer Resolution zur Ernennung eines
Sonderberichterstatters für das Recht auf Entwicklung durch den Menschenrechtsrat
am 29. September 2016 (A/HRC/33/L. 29) und äußert tiefes Bedauern, dass sich die
Bundesregierung dieser Resolution enthalten hat. Das Mandat des Sonderberichterstat-
ters umfasst die Verbreitung, den Schutz und die Erfüllung des Rechts auf Entwicklung
im Kontext der 2030-Agenda und weiterer internationaler Vereinbarungen.
Der Deutsche Bundestag begrüßt den Beschluss des Menschenrechtsrates vom 1. Juli
2016 zu den „Auswirkungen von Waffenlieferungen auf Menschenrechte“ (Impact of
arms transfers on human rights, A/HRC/RES/32/12) und bedauert zutiefst, dass die
Bundesregierung gegen die Resolution gestimmt hat.
Der Deutsche Bundestag beklagt in diesem Zusammenhang, dass Deutschland gegen
die Mandatsverlängerung der Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen zur Erarbeitung
eines internationalen Rechtsrahmens für die Regulierung, Kontrolle und die Überwa-
chung der Tätigkeiten von privaten Militär- und Sicherheitsfirmen (Open-ended inter-
governmental working group to consider the possibility of elaborating an international
regulatory framework on the regulation, monitoring and oversight of the activities of
private military and security companies, A/HRC/RES/28/7) gestimmt hat.
Der Deutsche Bundestag äußert tiefgehendes Unverständnis, dass die Bundesregie-
rung gegen die Beschlussvorlage der Generalversammlung der Vereinten Nationen am
3. November 2015 zum „Einsatz von Söldnern als Mittel für Menschenrechtsverlet-
zungen und der Verhinderung der Ausübung des Rechts der Völker auf Selbstbestim-
mung“ (Use of mercenaries as a means of violating human rights and impeding the
exercise of the right of peoples to selfdetermination, A/C.3/70/L.58) gestimmt hat.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Menschenrechtsarbeit in Deutschland zu stärken und sich für eine kohärente
Durchsetzung der politischen und sozialen Menschenrechte einzusetzen. Dies be-
inhaltet nicht nur die Forderung der Einhaltung der Menschenrechte in anderen
Ländern, sondern auch eine vollständige Umsetzung vorhandener Menschen-
rechtsverträge in Deutschland und die Ratifikation ausstehender Verträge seitens
der Bundesregierung;

2. das Fakultativprotokoll zum UN-Sozialpakt unverzüglich zu unterzeichnen und
dem Bundestag einen Gesetzentwurf zur Ratifizierung vorzulegen;

3. sich in der Generalversammlung der Vereinten Nationen dafür einzusetzen, dass
die in der Anlage der Resolution vom 1. Juli 2016 (A/HRC/RES/32/28) enthal-
tene Erklärung über das Recht auf Frieden verabschiedet wird;

4. sich innerhalb der UN-Gremien für die Umsetzung des Rechts auf Frieden durch
Verankerung in einem völkerrechtlichen Vertrag einzusetzen und dabei der posi-
tiven Dimension des Rechts auf Frieden, wie in der Santiago Deklaration zum
Menschenrecht auf Frieden (2010) ausgeführt, Geltung zu verschaffen;

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Drucksache 18/10678 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

5. die Aufnahme von Verhandlungen für eine rechtlich verbindliche Konvention
zum weltweiten Verbot aller Nuklearwaffen (Convention on the Prohibition of
the Use of Nuclear Weapons) zu unterstützen und sich für die Einberufung einer
UN-Konferenz ab März 2017 einzusetzen;

6. die Erarbeitung eines internationalen Rechtsrahmens für die Regulierung, Kon-
trolle und die Überwachung der Tätigkeiten von privaten Militär- und Sicher-
heitsfirmen zu unterstützen und sich aktiv in diesen Prozess einzubringen;

7. die weiteren Beschlüsse der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum
„Einsatz von Söldnern als Mittel für Menschenrechtsverletzungen und der Ver-
hinderung der Ausübung des Rechts der Völker auf Selbstbestimmung“ zu unter-
stützen und zügig national und international umzusetzen;

8. den Beschluss des Menschenrechtsrates vom 1. Juli 2016 zu den „Auswirkungen
von Waffenlieferungen auf Menschenrechte” (A/HRC/RES/32/12) zu unterstüt-
zen und zügig national und international umzusetzen;

9. das Mandat und die Arbeit des Sonderberichterstatters für das Recht auf Entwick-
lung finanziell und inhaltlich zu unterstützen und zu fördern;

10. einen Zeitplan vorzulegen, bis wann sie dem Deutschen Bundestag folgende in-
ternationale Verträge zur Ratifizierung vorlegen will. In Fällen, in denen dies
nicht beabsichtigt ist, soll eine ausführliche Begründung oder Ablehnung erfol-
gen. Folgende Pakte stehen noch zur Unterzeichnung bzw. Ratifizierung aus:
a) das ILO-Übereinkommen Nr. 169 der Menschenrechte indigener Völker,
b) das 12. Protokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK),
c) die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeit-

nehmer und ihrer Familienangehörigen,
d) die Revidierte Europäische Sozialcharta von 1996.

Berlin, den 13. Dezember 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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