BT-Drucksache 18/10660

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 18/8625, 18/10637 - Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung

Vom 14. Dezember 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10660
18. Wahlperiode 14.12.2016
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Sigrid Hupach, Frank Tempel, Nicole
Gohlke, Dr. André Hahn, Dr. Rosemarie Hein, Ulla Jelpke, Jan Korte, Cornelia
Möhring, Norbert Müller (Potsdam), Petra Pau, Harald Petzold (Havelland),
Martina Renner, Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke, Katrin Werner, Jörn
Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 18/8625, 18/10637 –

Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs
der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bedeutung von Urheberinnen und Urhebern für die Gesellschaft ist enorm hoch,
nicht nur, weil die Zahl derer, die ihren Lebensunterhalt mit freiberuflicher, kreativer
Tätigkeit verdienen stetig steigt. Viele der wichtigsten und besten künstlerischen, me-
dialen und kreativen Leistungen sind das Ergebnis freier Tätigkeit. Das schlägt sich
bis heute aber nicht unbedingt in ausreichend guten Honoraren und angemessenen Ver-
gütungen nieder. Stattdessen leben viele Freie und Soloselbstständige am Rand des
Existenzminimums und haben keine Möglichkeit, mit den Erlösen ihrer Arbeit Alters-
armut zu verhindern.
Aus Sicht des Deutschen Bundestages muss ein gutes Urheberrecht das strukturelle
Ungleichgewicht zwischen Verwerterinnen und Verwertern auf der einen Seite und
Kreativen auf der anderen Seite beseitigen und an dessen Stelle eine Vertragspartner-
schaft auf Augenhöhe ermöglichen. Bereits 2002 hat der Bundestag versucht, dieses
Ungleichgewicht zu verschieben. Der Erfolg blieb aus. Total-buy-out-Verträge, also
Verträge bei denen der Urheber bzw. die Urheberin alle Nutzungsrechte abgibt, und
Pauschalvergütungen sind noch immer an der Tagesordnung und gemeinsame Vergü-
tungsregeln werden viel zu selten aufgestellt.
Der Deutsche Bundestag vertritt die Auffassung, dass das „Gesetz zur verbesserten
Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene

Drucksache 18/10660 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode
Vergütung“ das erklärte Ziel, Urheberinnen und Urheber besserzustellen, nicht errei-
chen wird und eine angemessene Vergütung von Urheberinnen und Urhebern nicht
sicherstellen kann.
So bedarf beispielsweise die Regelung zu Verträgen über unbekannte Nutzungsarten
einer Überarbeitung. Nach der bisherigen Regelung entfällt das Widerrufsrecht der
Urheberinnen und Urheber gegen eine neue Nutzungsart automatisch drei Monate
nachdem der Vertragspartner die Urheberin bzw. den Urheber über die beabsichtigte
Aufnahme der neuen Nutzungsart informiert hat. Ein Brief an die letzte bekannte An-
schrift reicht dafür bisher vollkommen aus. Diese Regelung kann nicht sicherstellen,
dass Urheberinnen und Urheber über eine neue Nutzungsart ihrer Werke selbst ent-
scheiden und dafür eine angemessene Vergütung erhalten. Gerade im digitalen Zeital-
ter ist eine solche Regelung nicht ausreichend. Daher sollte das Widerrufsrecht erst
dann erlöschen, wenn es eine Einigung über eine Vergütung der neuen Nutzungsart
gibt. Dies kann sowohl individuell als auch im Rahmen von Vergütungsregeln gesche-
hen. Sollte innerhalb von sechs Monaten keine Einigung über die neue Nutzungsart
zustande kommen, sollte das Nutzungsrecht für die neue Nutzungsart an die Urheberin
bzw. den Urheber zurückgehen.
Im digitalen Zeitalter ist es dringend geboten, eine gesonderte Vergütung für jede Art
der Nutzung festzuschreiben. Nur so kann sichergestellt werden, dass Urheberinnen
und Urheber angemessen an den Einnahmen jeder Nutzung ihrer Werke beteiligt wer-
den. Pauschalvergütungen und Total-buy-out-Verträge sollten eingeschränkt werden
und die Ausnahme bleiben. Solche Verträge sollten nur zulässig sein, wenn dies in
einer gemeinsamen verbindlichen Vergütungsregel oder einem Tarifvertrag formuliert
wurde.
Es wird eine Auskunftspflicht der Werknutzerinnen und -nutzer gegenüber den Urhe-
berinnen und Urhebern benötigt. Einmal im Jahr sollten Kreative über die Nutzung
ihrer Werke in Kenntnis gesetzt werden müssen. Einwände, dass dies ein immenser
bürokratischer Aufwand wäre, sind nicht haltbar. Die technischen Möglichkeiten las-
sen es zu, dass dies größtenteils automatisiert geschehen kann. So wäre zum Beispiel
die Einrichtung einer zentralen Erfassungsstelle für Filmwerke, so wie es sie bereits in
Frankreich gibt, ohne Weiteres möglich. An diese würden alle Auswertungen und Nut-
zungen von Filmwerken jeglicher Art automatisiert gemeldet. Ausnahmen von dieser
Auskunftspflicht sollten nur dann möglich sein, wenn eine gemeinsame verbindliche
Vergütungsregel oder ein Tarifvertrag dies erlaubt.
Das Verbandsklagerecht ist zu begrüßen. Nur so lässt sich vermeiden, dass einzelne
Urheberinnen und Urheber Schwierigkeiten bekommen, neue Verträge abzuschließen,
wenn sie ihr Recht auf eine angemessene Vergütung einklagen. Beispiele für dieses
sogenannte Black-Listing gibt es viele. Ein Verbandsklagerecht kann dem entgegen-
wirken. Dieses sollten aber nicht nur vorab bestimmte Organisationen anwenden dür-
fen, sondern auch solche Berufsverbände, die sich nachweislich für die Belange ihrer
Mitglieder einsetzen.
Die Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln muss weiter vorangetrieben werden.
Dies kann nur gelingen, wenn Schiedssprüche der Schlichtungsstelle für alle Seiten
verbindlich sind. Darüber hinaus sollten zwischen Urheberverbänden mit Verwertern
ausgehandelte Vergütungsregeln innerhalb einer gesetzlich bestimmten Frist von ei-
nem Jahr zustande kommen und für alle betreffenden Unternehmen verbindlich sein.
Um die Rechte der Urheberinnen und Urheber zu stärken, bedarf es eines bedingungs-
losen Kündigungsrechts nach fünf Jahren. In manchen Branchen, wie zum Beispiel der
Computersoftwarebranche, kann es sinnvoll sein, diesbezüglich eine Differenzierung
vorzunehmen. Daher sollten Ausnahmen möglich sein, wenn gemeinsame verbindli-
che Vergütungsregeln oder Tarifverträge dies regeln. Pauschale Ausnahmen sind da-
gegen abzulehnen.

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10660
Ein durchsetzungsstarkes Urhebervertragsrecht ist wichtig für die Urheberinnen und
Urheber, um die Angemessenheit ihrer Vergütung zu sichern. Doch darf ein solches
Urhebervertragsrecht die Verwendung freier Lizenzen nicht erschweren. Es müssen
also Ausnahmen unter anderem bei der Auskunftspflicht implementiert werden, um
Urheberinnen und Urhebern die Möglichkeit zu geben, ihre Werke gemeinfrei zur Ver-
fügung zu stellen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

ein neues Gesetz zu erarbeiten, dass die verbesserte Vergütung von Urheberinnen und
Urhebern tatsächlich gewährleistet. Dieses Gesetz soll sicherstellen, dass:
1. eine Vergütung nur dann als angemessen gilt, wenn jede Nutzung eines Werkes

gesondert vergütet wird,
2. Total-buy-out-Verträge und Pauschalvergütungen eingeschränkt werden und

Ausnahmen nur zugelassen werden, wenn gemeinsame verbindliche Vergütungs-
regeln oder Tarifverträge abgeschlossen werden,

3. eine jährliche Auskunftspflicht der Werknutzerinnen und -nutzer gegenüber den
Urheberinnen und Urhebern besteht,

4. zwischen Urheberverbänden mit Verwertern(-verbänden) ausgehandelte Vergü-
tungsregeln innerhalb einer gesetzlich bestimmten Frist von einem Jahr zustande
kommen müssen und für alle betreffenden Unternehmen verbindlich sind,

5. Schiedssprüche der Schlichtungsstelle verbindlich festgeschrieben werden,
6. ein bedingungsloses Kündigungsrecht nach fünf Jahren eingeführt wird, das auch

für unveröffentlichte Werke gilt und von dem nur Verträge ausgenommen werden
können, wenn vorher Tarifverträge oder verbindliche gemeinsame Vergütungs-
regeln abgeschlossen wurden,

7. das Widerrufsrecht bei Verträgen über unbekannte Nutzungsarten erst dann er-
lischt, wenn es zwischen Verwerten und Urheberin bzw. Urheber eine Einigung
gibt und bei einer ausbleibenden Einigung innerhalb von sechs Monaten das Nut-
zungsrecht an der neuen Nutzungsart an den Urheber bzw. die Urheberin zurück-
fällt,

8. Ausnahmen gelten, um die Verwendung freier Lizenzen nicht zu erschweren.

Berlin, den 13. Dezember 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

anzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.