BT-Drucksache 18/10396

Rechtswidrige Speicherung von personenbezogenen Daten in der Falldatei Rauschgift

Vom 22. November 2016


Deutscher Bundestag Drucksache 18/10396
18. Wahlperiode 22.11.2016

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Frank Tempel, Dr. André Hahn, Ulla Jelpke, Katja Kipping,
Katrin Kunert, Harald Petzold (Havelland), Kathrin Vogler, Harald Weinberg und
der Fraktion DIE LINKE.

Rechtswidrige Speicherung von personenbezogenen Daten in der Falldatei
Rauschgift

Nach einer unabhängigen Datenschutzkontrolle durch Datenschutzbehörden
des Bundes und der Länder kritisierten diese die rechtswidrige Speicherung
von personenbezogenen Daten in der Falldatei Rauschgift (FDR) (vgl.
www.bfdi.bund.de/DE/Infothek/Pressemitteilungen/2016/18_FalldateiRauschgift.
html). Bei der FDR handelt es sich um eine bundesweite Verbunddatei, in der
Polizeibehörden aus Bund und Ländern personenbezogene Daten speichern. Es
dürfen nur Straftaten mit länderübergreifender oder erheblicher Bedrohung ge-
speichert werden, um zukünftige Ermittlungen im Betäubungsmittelbereich zu
erleichtern. Die FDR wird durch das Bundeskriminalamt (BKA) zentral geführt.
Polizeien aller Länder sowie die Zollfahndung haben schreibenden und lesenden
Zugriff auf die Dateien. Im Jahr 2015 waren darin 680 000 Personen gespeichert.
Die Datenschutzbehörden kritisieren, dass die Speicherung von Daten zum Teil
ohne ausreichende Begründung stattfand. Außerdem wurden in der FDR rechts-
widrig auch Bagatelldelikte gespeichert, wie der Besitz und Konsum eines ein-
zelnen Joints. Zudem wurden Personen gespeichert, bei denen kein hinreichender
polizeilicher Tatverdacht festzustellen war. Diese Verfahrensweise kritisierten
die Datenschützer als unverhältnismäßig. Darüber hinaus sei in vielen Fällen
nicht geprüft worden, ob Daten nach Freisprüchen oder Verfahrenseinstellungen
wieder gelöscht wurden. In welchem Ausmaß die Rechtsbrüche stattfanden, wird
aus den öffentlichen Berichten nicht ersichtlich.
Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Län-
der (DSK) fordert nun Nachbesserungen. Hierzu gehören eine konkrete Defini-
tion von Voraussetzungen zur Erfassung von Daten sowie das Löschen von Da-
teien, in denen lediglich Bagatelldelikte erfasst wurden. Die Mängel in der FDR
sollen schnellstmöglich behoben werden. Eine pauschale Übernahme der Daten
in die für das nächste Jahr geplante Datei zur Betäubungskriminalität im Polizei-
lichen Informations- und Analyseverbund (PIAV) lehnt die DSK ab.

http://www.bfdi.bund.de/DE/Infothek/Pressemitteilungen/2016/18_FalldateiRauschgift.html
http://www.bfdi.bund.de/DE/Infothek/Pressemitteilungen/2016/18_FalldateiRauschgift.html
Drucksache 18/10396 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Seit wann existiert die FDR?
2. Wie viele interne Prüfvorgänge durch eigene Beamte gab es beim BKA zum

Datenschutz seit Bestehen der FDR?
3. Für welchen Zeitraum fand die datenschutzrechtliche Überprüfung der Fall-

datei Rauschgift durch die unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes
und der Länder statt?

4. Über wie viele Personen enthielt die FDR Eintragungen zu Drogendelikten
(bitte pro Jahr seit Bestehen der Datei auflisten)?

5. Welche Behörden haben im Prüfungszeitraum jeweils Daten in die FDR ein-
gespeist (bitte nach Anzahl und Jahr der Meldungen pro Behörde auflisten)?

6. Gab es für die Speicherung personenbezogener Daten in die FDR einheitli-
che Kriterien?
Welches Ermessen hatten dabei die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter,
und wie wurde dieses Ermessen geregelt?

7. Wie hoch lag die Gesamtzahl der festgestellten Mängel in der FDR
a) hinsichtlich der Nichteinhaltung von § 2 des Bundeskriminalamtgeset-

zes – BKAG – (Straftat von länderübergreifender und erheblicher Bedeu-
tung) und des § 8 Absatz 2 BKAG (Negativprognose),

b) hinsichtlich der nicht nachvollziehbaren Dokumentation des Vorliegens
der gesetzlichen Speicherungsvoraussetzungen,

c) hinsichtlich der Speicherungen von Sachverhalten, die zur Bagatellkrimi-
nalität gehören,

d) hinsichtlich der fehlenden Berücksichtigung der Ergebnisse der jeweili-
gen Strafverfahren,

e) hinsichtlich Personen, denen selbst kein Rauschgift-Delikt anzulasten ist
(bitte nach Jahren und sofern möglich, nach Eintragungen der speichernden
Stellen auflisten)?

8. Welche Rauschgift-Delikte sind nach Ansicht der Bundesregierung von län-
derübergreifender oder erheblicher Bedeutung, zu denen Daten in der FDR
gespeichert werden dürfen (bitte Art der Delikte sowie Anzahl der gespei-
cherten Delikte vollständig auflisten)?

9. Welche Rauschgift-Delikte sind nach Ansicht der Bundesregierung nicht von
länderübergreifender oder erheblicher Bedeutung, zu denen Daten in der
FDR gespeichert wurden (bitte Art der Delikte sowie Anzahl der gespeicher-
ten Delikte vollständig auflisten)?

10. Inwiefern kann die Bundesregierung bestätigen, dass personenbezogene Da-
ten im Zusammenhang mit dem „Konsum eines Joints“ als Bagatelldelikt
aufgelistet wurden (s. Pressemitteilung der Bundesdatenschutzbeauftragten
vom 10. November 2016), und inwiefern handelt es sich beim „Konsum ei-
nes Joints“ nach Kenntnis der Bundesregierung überhaupt um ein Delikt?

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/10396

11. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung

aus den Vorschlägen der unabhängigen Datenschutzbehörden von Bund und
Ländern, wonach
a) die konkrete Zwecksetzung jeder Datei, die Voraussetzungen, wann die-

ser Zweck erfüllt ist, und welcher Personenkreis erfasst werden darf, ge-
nau definiert werden soll,

b) die Speicherung von Bagatellfällen unverhältnismäßig bzw. rechtswidrig
ist,

c) sicherzustellen ist, dass in Verbunddateien alle Speichervoraussetzungen,
insbesondere die Negativprognose, bei jedem Einzelfall dokumentiert
wird?

12. Wer ist für die Behebung der datenschutzrechtlichen Mängel in der FDR zu-
ständig?

13. Inwiefern hat die Bundesregierung auf das BKA Einfluss genommen, die
FDR rechtskonform auszugestalten?

14. Wurden die rechtswidrigen Datensätze gelöscht?
Falls nein, warum nicht?
Falls ja, wie viele Datensätze wurden wann gelöscht?
Bis wann werden die rechtwidrigen Datensätze gelöscht?

15. Wie hoch ist die gesetzliche Löschfrist von personenbezogenen Daten in der
FDR?

16. Wie erfolgt die Löschung von personenbezogenen Daten nach Ablauf der
Löschfrist in der FDR (z. B. automatisiert, händisch, zuständige Behörden)?

Inwiefern gelten für die einzelnen Delikte unterschiedliche Löschfristen?
17. Inwiefern plant die Bundesregierung, die in der FDR aufgelisteten Personen

nach Ablauf der Löschfrist über die Löschung der über sie gespeicherten Da-
ten zu informieren?

18. Inwiefern wurden die aufgelisteten Personen darüber informiert, dass perso-
nenbezogene Daten in der FDR gespeichert werden?

19. Inwiefern müssen die betroffenen Personen nach geltender Rechtslage infor-
miert werden?

20. Welche Einspruchsmöglichkeiten haben die Betroffenen gegen die Speiche-
rung personenbezogener Daten in der FDR, und inwiefern sind der Bundes-
regierung Widersprüche von Betroffenen gegen die Speicherung bekannt?

21. Inwiefern werden Daten aus der FDR für andere Zwecke als der Betäubungs-
mittelsicherheit genutzt, und inwiefern können andere Behörden direkt oder
indirekt Kenntnis von diesen Daten erlangen?

22. Stimmt die Bundesregierung den Fragestellern zu, dass eine rechtswidrige
Speicherung von Personen in der FDR auch zu unrechtmäßigen Einschrän-
kungen von Berufschancen führt (z. B. hinsichtlich eines negativen Aus-
gangs einer Zuverlässigkeitsüberprüfung durch eine rechtswidrige Eintra-
gung in der FDR)?

23. Inwiefern plant die Bundesregierung sicherzustellen, dass betroffene Perso-
nen darüber aufgeklärt werden, dass ihre Daten rechtswidrig in der FDR ge-
speichert wurden?

Drucksache 18/10396 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

24. Wann im nächsten Jahr ist der Einsatz der neuen Datei zur Betäubungsmit-

telkriminalität im PIAV geplant?
a) Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die Dateien aus der FDR nicht

pauschal in die PIAV übernommen werden?
b) Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die datenschutzrechtlichen

Mängel der FDR bis dahin behoben sind bzw. nicht im PIAV fortgeführt
werden?

c) Welche neuen Zugriffs- und Analysemöglichkeiten stehen dem BKA,
dem Landeskriminalamt und dem Zoll mit PIAV zur Verfügung?

25. Wann findet nach Kenntnis der Bundesregierung die nächste datenschutz-
rechtliche Überprüfung der Falldatei Rauschgift bzw. der geplanten Datei zur
Betäubungsmittelkriminalität statt?

Berlin, den 21. November 2016

Dr. Sahra Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch und Fraktion

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