BT-Drucksache 17/9942

Anstehende Überprüfung des Gemeinsamen Standpunktes zur Waffen- und Rüstungsexportkontrolle (2008/944/GASP)

Vom 13. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9942
17. Wahlperiode 13. 06. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heidemarie Wieczorek-Zeul, Klaus Barthel, Michael Groschek,
Garrelt Duin, Hubertus Heil (Peine), Rainer Arnold, Doris Barnett, Dr. Hans-Peter
Bartels, Edelgard Bulmahn, Martin Dörmann, Ingo Egloff, Petra Ernstberger,
Karin Evers-Meyer, Dagmar Freitag, Iris Gleicke, Günter Gloser, Dr. h. c. Susanne
Kastner, Rolf Hempelmann, Dr. Barbara Hendricks, Lars Klingbeil, Hans-Ulrich
Klose, Fritz Rudolf Körper, Dr. Bärbel Kofler, Ute Kumpf, Ullrich Meßmer, Dr. Rolf
Mützenich, Manfred Nink, Thomas Oppermann, Johannes Pflug, Dr. Sascha Raabe,
Stefan Rebmann, Karin Roth (Esslingen), Franz Thönnes, Wolfgang Tiefensee,
Andrea Wicklein, Uta Zapf, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Anstehende Überprüfung des Gemeinsamen Standpunktes
zur Waffen- und Rüstungsexportkontrolle (2008/944/GASP)

Mit der Verabschiedung des Gemeinsamen Standpunktes des Rates 2008/944/
GASP betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Mili-
tärtechnologie und Militärgütern im Jahre 2008 wurde der zehn Jahre geltende
EU-Verhaltenskodex überarbeitet und rechtlich verbindlich gemacht. Die acht
Kriterien des Gemeinsamen Standpunktes sollen von allen Mitgliedstaaten bei
Entscheidungen über Ausfuhranträge zugrunde gelegt werden. In Deutschland
ist der Gemeinsame Standpunkt den Politischen Grundsätzen der Bundesregie-
rung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern angefügt
worden. Jedoch lässt sich beobachten, dass die EU-Mitgliedstaaten ihre Rüs-
tungsexportpolitik weiterhin lediglich nach nationalen Vorgaben handhaben.

Nach Angaben des International Center for Conversion (BICC) in Bonn hat die
Bundesregierung für das Jahr 2010 3 347 Lizenzen für die Ausfuhr von Rüs-
tungsgütern erteilt, die gemäß des EU-Verhaltenskodex als problematisch einzu-
stufen sind. Wie die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE)
in ihrem Rüstungsexportbericht 2011 darlegt, ist darüber hinaus der Wert der
genehmigten Rüstungslieferungen, die eine Missachtung der EU-Richtlinien
darstellen, deutlich gestiegen. Problematisch sind insbesondere Lieferungen an
Staaten mit prekärer Menschenrechtssituation oder inneren Konflikten, wie
Saudi-Arabien, Pakistan, Bahrain und Oman.

Im Jahr 2012 soll der Gemeinsame Standpunkt erstmalig einer Überprüfung
unterzogen werden. Die Konsultationen hierzu sind im Rahmen der regelmäßig

stattfindenden COARM-Sitzungen (COARM = Council Working Group on
Conventional Arms Exports) in der zweiten Hälfte des Jahres 2011 bereits ein-
geleitet worden. Über den Inhalt und Stand der vertraulichen Sitzungen gibt es
zurzeit nur wenig frei zugängliche Informationen. Das Stockholm International
Peace Research Institute hat, wie auch andere Forschungsinstitute, Vorschläge
bezüglich der Schwerpunkte einer Überprüfung vorgelegt. Aus diesen Vorschlä-
gen geht hervor, dass sowohl die nationale Umsetzung des Gemeinsamen Stand-

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punktes 2008/944/GASP in den Mitgliedstaaten als auch die Analyse von Fak-
toren wie „Gute Regierungsführung“ und „Demokratie“ bei Entscheidungspro-
zessen bezüglich Rüstungsexporten von großer Bedeutung sind.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Mit welchen Zielen ist die Bundesregierung in die anstehende Überprüfung
des Gemeinsamen Standpunktes 2008/944/GASP gegangen?

2. Welche Ressorts vertreten die Position der Bundesregierung?

3. Wie plant die Bundesregierung den Deutschen Bundestag und die Öffent-
lichkeit über Verlauf und Ergebnisse der Überprüfung zu unterrichten?

4. Wie unterstützt die Bundesregierung den Überprüfungsprozess, beispiels-
weise durch die Bereitstellung von Informationen, personeller und finan-
zieller Ressourcen?

5. Wie steht die Bundesregierung dazu, folgende Aspekte zum Gegenstand der
anstehenden Überprüfung zu machen
a) Stand der Umsetzung des Gemeinsamen Standpunktes 2008/944/GASP

auf der jeweiligen nationalstaatlichen Ebene,
b) Aufnahme des Kriteriums „gute Regierungsführung und Korruptionsbe-

kämpfung“ für die Entscheidungspraxis von Rüstungslieferungen,
c) Stärkung des Kriteriums 8 „Entwicklungsverträglichkeit“?

6. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Gemeinsame Standpunkt
2008/944/GASP in die nationalen Rüstungsexportkontrollregime der EU-
Staaten umgesetzt worden?

7. Wie bewertet die Bundesregierung den höchst unterschiedlichen Implemen-
tierungsstand des Gemeinsamen Standpunktes 2008/944/GASP in den ein-
zelnen europäischen Mitgliedstaaten, und welche Schlussfolgerungen zieht
sie daraus?

8. Kann die Bundesregierung detailliert darlegen, wie der Gemeinsame Stand-
punkt 2008/944/GASP in die eigene nationale Gesetzgebung zur Herstel-
lung von Rechtsverbindlichkeit aufgenommen wurde?

9. Wie verbindlich ist die Anfügung des Gemeinsamen Standpunktes 2008/
944/GASP an die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den
Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern?

10. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen ein europäischer Staat
Rüstungstransfers genehmigt hat, die den Kriterien des Gemeinsamen
Standpunktes widersprechen oder sie unterlaufen?

11. Wenn der Bundesregierung solche Fälle bekannt sind, um welche Länder
und welche Ausfuhren handelt es sich?

12. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen ein Rüstungsexport von
ihr gemäß des Gemeinsamen Standpunktes 2008/944/GASP abgelehnt
wurde, aber ungeachtet dessen ein anderes europäisches Mitgliedsland
einen derartigen Export genehmigt hat?

13. Wenn der Bundesregierung solche Fälle bekannt sind, um welche Länder
und welche Exporte in welche Länder handelt es sich?

14. Hat die Bundesregierung im Gegenzug Rüstungsausfuhren genehmigt, die
von anderen europäischen Staaten abgelehnt wurden?

15. Wenn ja, um welche Ausfuhren handelt es sich, und welche Staaten haben

diese abgelehnt?

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16. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen ein europäisches Mit-
gliedsland gegen die Kriterien 2 „Achtung der Menschenrechte“, 3 „innere
Situation des Empfängerlandes“ und/oder 4 „Regionale Stabilität“ des Ge-
meinsamen Standpunktes 2008/944/GASP verstoßen hat?

17. Wie sind nach Ansicht der Bundesregierung europäische Rüstungslieferun-
gen in den zurückliegenden Jahren an nordafrikanische und arabische Staa-
ten unter Maßgabe des Gemeinsamen Standpunktes 2008/944/GASP zu be-
werten, und welche Konsequenzen zieht sie daraus?

18. Welche Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung nach den Umwälzun-
gen in den arabischen Staaten für ihre Rüstungsexportpraxis in diese Länder
und Regionen gezogen?

19. Gerade im Hinblick auf die Umwälzungen in der arabischen Welt, wie kön-
nen nach Ansicht der Bundesregierung die europäischen Staaten stärker auf
die Einhaltung der Kriterien 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunktes
2008/944/GASP verpflichtet werden?

20. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass das Europäische Parlament stär-
ker als bisher in die Bewertung des EU-Jahresberichts für Rüstungstransfers
auf europäischer Ebene einbezogen werden sollte?

21. Wie könnte nach Ansicht der Bundesregierung ein stärkerer Zusammen-
hang zwischen der europäischen Rüstungsexportpolitik und der Gemein-
samen Sicherheits- und Verteidigungspolitik hergestellt werden?

22. Welche Auswirkungen ergeben sich nach Ansicht der Bundesregierung
durch die Liberalisierung des binneneuropäischen Rüstungstransfers für das
Berichtswesen?

23. Wie können nach Ansicht der Bundesregierung die europäischen Staaten
dazu verpflichtet werden, ausführliche Angaben nach einheitlichen Krite-
rien zum EU-Jahresbericht für Rüstungstransfers zu machen?

24. Weshalb erfüllt die Bundesregierung nach Ansicht von Rüstungsexportkri-
tikern die Vorgaben nicht und liefert nur unvollständige Angaben zum EU-
Jahresbericht, die beispielsweise den Typ des Rüstungsexports auslassen?

25. Sind die Angaben im EU-Jahresbericht nach Meinung der Bundesregierung
ausreichend, um Rückschlüsse über den Implementierungsstand des Ge-
meinsamen Standpunktes 2008/944/GASP in den Nationalstaaten ziehen zu
können?

26. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand der Überlegungen,
Post-Embargo-Waffenausfuhrregelungen in den Gemeinsamen Standpunkt
2008/944/GASP aufzunehmen?

27. In welcher Weise fließt der Gemeinsame Standpunkt 2008/944/GASP nach
Kenntnis der Bundesregierung in die Verhandlungsposition der EU für die
ATT-Verhandlungen (ATT = Arms Trade Treaty) im Jahr 2012 ein?

Berlin, den 13. Juni 2012

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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