BT-Drucksache 17/9894

Politik der Europäischen Union und der Bundesregierung gegenüber Tunesien in den Bereichen Justiz und Inneres

Vom 6. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9894
17. Wahlperiode 06. 06. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan van Aken, Christine Buchholz,
Annette Groth, Ulla Jelpke, Niema Movassat, Kathrin Vogler, Katrin Werner
und der Fraktion DIE LINKE.

Politik der Europäischen Union und der Bundesregierung gegenüber Tunesien in
den Bereichen Justiz und Inneres

Eilig nach den Umbrüchen in Nordafrika hat auch die Europäische Union (EU)
eine Neubestimmung ihrer Politik gegenüber Tunesien vorgenommen. Am
8. März 2011 haben die Europäische Kommission und die Hohe Vertreterin der
Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik die Mitteilung
„Partnerschaft für Demokratie und gemeinsamen Wohlstand“ vorgelegt
(KOM(2011) 200 endg.), die am 25. Mai 2011 um die Mitteilung „Eine neue
Antwort auf eine Nachbarschaft im Wandel“ ergänzt wurde (KOM(2011) 303).
Die Europäische Kommission präsentierte dem Rat für Justiz und Inneres im
April 2011 einen ersten „Katalog für kurz- und mittelfristige Maßnahmen“
(Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE
LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/6431). Auch der am 18. November
2011 veröffentlichte „Gesamtansatz für Migration und Mobilität“ widmet sich
der Migrationskontrolle (KOM(2011) 743 endg.). Ein neuer „Aktionsplan“ soll
weitere Maßnahmen regeln. Ein Abschluss ist noch für dieses Jahr geplant.
Die eiligen Abkommen, vor allem zur Migrationsabwehr, werfen jedoch völ-
kerrechtliche Fragen auf: Nach Ansicht vieler Menschen in Tunesien ist die
Regierung lediglich als Übergangsregierung gewählt, die keine endgültigen
Abkommen abschließen darf.

Die veränderten Koordinaten betreffen auch die Zusammenarbeit in den Berei-
chen Justiz und Inneres. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Verhinderung
unerwünschter Migration. Sogenannte Mobilitätspartnerschaften sollen aber
helfen, dem EU-Arbeitsmarkt bei Bedarf geeignete, billige Arbeitskräfte zuzu-
führen. Die Europäische Kommission hat hierzu einen „Dialog mit den Län-
dern des südlichen Mittelmeerraums über Migration, Mobilität und Sicherheit“
veröffentlicht, der Bedingungen für die Gewährung von Vorteilen für Reisende
aus Nordafrika formuliert. Reiseerleichterungen könnten demnach erst nach
Abschluss von Rückübernahmeabkommen für abzuschiebende Migrantinnen
und Migranten gewährt werden (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/6431). Ein
„Kapazitätsaufbau im Bereich Grenzmanagement“ wurde bereits kurz nach der

erfolgreichen Vertreibung des früheren Präsidenten Ben Ali angestrebt.
Verhandlungspartner seitens der EU sind hierfür die Europäische Agentur für
die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der
EU FRONTEX, aber auch das Directorate-General (DG) Home Affairs und
das DG Justice. Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) plante die Entsen-
dung von „Expertenteams im Bereich Sicherheitssektorreform“ (SSR) unter
anderem nach Tunesien, um eine „Bedarfsanalyse“ für spätere Maßnahmen

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„aus dem Bereich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ zu
erstellen (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion
DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/6431). Auch deutsche „Kandida-
ten“ waren für die „Expertenteams“ vorgesehen.

Im Dezember 2011 erteilte der Rat für Auswärtige Angelegenheiten der Kom-
mission ein Mandat zur Aushandlung von Abkommen zur „Schaffung von Weit-
reichenden und Umfassenden Freihandelszonen“ (DCFTA) unter anderem mit
Tunesien. Abkommen zur Liberalisierung von Landwirtschaft und Dienstleis-
tungen werden ebenso verhandelt. Auch ein Fischereiabkommen ist angestrebt.
Eine „Taskforce Tunesien“ soll unter dem Motto „money, market and mobility“
weitere Verhandlungen vorantreiben. Dieser Gruppe gehören seitens der EU
neben der Hohen Vertreterin und der Kommission auch die Europäische Ent-
wicklungsbank, die Weltbank, der Internationale Währungsfonds, die Europä-
ische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, die Islamische sowie die Afri-
kanische Entwicklungsbank sowie Vertreter privater Unternehmen an.

Tunesien erhält finanzielle Mittel aus diversen Finanzinstrumenten der Euro-
päischen Union ebenso wie der Weltbank oder nationalen Finanzinstitutionen.
Offiziell ausgegeben als „Unterstützung des Transformationsprozesses“ werden
auch Maßnahmen zur „Sicherheitssektorreform“ unterstützt. Ein „gemeinsames
Operationsprojekt“ mit Tunesien dient dazu, unerwünschte Migration zu be-
kämpfen. Die EU-Grenzschutzagentur FRONTEX soll ein Arbeitsabkommen
mit Tunesien abschließen. FRONTEX lieferte in einer „Scenario Analysis
Northern Africa“ sechs Hypothesen zu möglichen Migrationsbewegungen. Die
FRONTEX-Mission „Hermes“ vor der tunesischen Küste wurde auf unbe-
stimmte Zeit verlängert. Gleichzeitig fördern auch einzelne Mitgliedstaaten die
Migrationsabwehr vor der tunesischen Küste: Italien lieferte hierfür im Mai 2011
vier Patrouillenboote. Offenbar werden die von FRONTEX bzw. den beteiligten
Polizeien der Mitgliedstaaten auf See aufgegriffenen Migranten auch an Schiffe
des tunesischen Militärs übergeben (Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/7270).

Tunesien hat auch beim Bundesministerium des Innern um Ausstattungshilfe so-
wie zur Entsendung eines Verbindungsbeamten des Bundeskriminalamtes (BKA)
nachgesucht. Dessen „zeitnahe Entsendung“ hatte die Bundesregierung im
Herbst 2011 angekündigt (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/7587). Die Präsenz des
BKA soll auch Aus- und Fortbildungsmaßnahmen zu polizeilichen Einsatztak-
tiken und -methoden anbahnen. Das Engagement dient aber auch der Bekämp-
fung neuer „wachsender Risiken“, die die Bundesregierung zunächst pauschal
als „illegale Migration, Organisierte Kriminalität, Terrorismus“ angibt. Zukünf-
tige Projekte könnten demnach eine „Konzentration auf (Grenz-)Polizeiaufbau
und Ausbildung von Polizeikräften“ sowie eine Zusammenarbeit im Katastro-
phenschutz umfassen.

Die Freundschaft mit Saudi-Arabien und den damit verbundenen Einfluss will
die Bundesregierung aber nicht nutzen, um sich für die Auslieferung des in
Saudi-Arabien untergeschlüpften früheren Präsidenten Ben Ali nach Tunesien
einzusetzen. In der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der
Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/6431 wird aber verspro-
chen, „das Bemühen der tunesischen Regierung um eine Aufarbeitung der Re-
gierungszeit des früheren Präsidenten Ben Ali“ zu unterstützen. Bislang ist über
die Inhalte dieser „Bemühungen“ aber nichts bekannt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Was kann die Bundesregierung zur vom EAD geplanten Entsendung von

„Expertenteams“ zur Durchführung einer „Sicherheitssektorreform“ nach

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Ägypten, Tunesien und Libyen mitteilen (Antwort der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache
17/6431)?

a) Welche bundesdeutschen Stellen haben an der „Expertenkommission im
Bereich Sicherheitssektorreform nach Ägypten, Tunesien und Libyen“
teilgenommen?

b) Welche Bedarfsanalysen sind hierzu verfasst worden, und welchen Inhalt
haben diese in groben Zügen?

c) Welche weiteren „zivilen Maßnahmen der EU (…) einschließlich aus dem
Bereich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ sind auf
Basis der Berichte eingeleitet worden?

2. Inwieweit sind Einrichtungen der EU oder, soweit der Bundesregierung
bekannt, der EU-Mitgliedstaaten in den Aufbau von Grenzmanagement, Kri-
minalitätsbekämpfung und Migrationsabwehr oder einer Sicherheitssektor-
reform in Libyen eingebunden?

a) Auf welche Art und Weise ist die Grenzschutzagentur FRONTEX hierzu
aktiv?

b) Inwiefern drängen Einrichtungen der EU darauf, dass die Übergangsregie-
rung in Libyen die Bekämpfung unerwünschter oder unerlaubter Migra-
tion ausführt oder sogar intensiviert?

3. Welche konkreten Projekte werden im Rahmen von „Transformationspart-
nerschaften in der MENA-Region“ („Middle East & North Africa“) vorange-
trieben?

a) Worin besteht der deutsche Beitrag für die „Transformationspartnerschaf-
ten“?

b) Welche Durchführungsorganisationen sind mit der Umsetzung befasst?

c) Inwieweit werden die Vorhaben mit weiteren Maßnahmen der G8, der EU
und der Vereinten Nationen verzahnt?

d) Auf welche Weise sind die Europäische Kommission, der EAD sowie wei-
tere EU-Institutionen eingebunden?

e) Auf welche Weise greifen die Maßnahmen auf eine frühere Zusammenar-
beit in den Bereichen Entwicklungspolitik, Inneres und Auswärtiges zu-
rück?

f) Mit welchen Vorhaben sind die Deutsche Gesellschaft für Internationale
Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, das Bundesministerium für wirtschaft-
liche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und Finanzinstitutionen
der Bundesregierung eingebunden?

g) Welche Defizite wurden im Rahmen des MENA-Programms festgestellt?

h) Welche Maßnahmen wurden in den Bereichen „Förderung demokra-
tischen Austauschs, Stärkung der Medien/Pressefreiheit, der Förderung
und Implementierung der Menschenrechte, Hilfe beim Aufbau zivilgesell-
schaftlicher Gruppen und Wahlvorbereitung bzw. Wahlbeobachtung“ be-
reits gefördert?

4. Auf welche Art und Weise arbeiten Bundesbehörden mit der tunesischen
Regierung in den Bereichen Justiz und Inneres zusammen?

a) Wie wurde der Bitte Tunesiens nach Ausstattungshilfe und der Entsen-
dung eines BKA-Verbindungsbeamten seitens der Bundesregierung ent-
sprochen (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Frak-

tion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/7587)?

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b) Wie kam die Entsendung eines Verbindungsbeamten der Bundespolizei
nach Tunesien zustande?

c) Welche Funktionen übernehmen die deutschen Verbindungsbeamten in
Tunesien, und wo sind sie untergebracht?

d) Welche weiteren Maßnahmen der Bundespolizei oder anderer deutscher
Innenbehörden (insbesondere zur Zusammenarbeit im Katastrophen-
schutz oder Aus- und Fortbildungsmaßnahmen) wurden seitens Tunesien
nachgefragt, und wie wurde ihnen entsprochen?

e) Auf welche Risikoanalysen oder sonstigen Lagebewertungen zu Tunesien
stützt sich die Bundesregierung in den Bereichen Migration, Kriminalität
und Terrorismus?

f) Welches weitere Engagement in der Region leitet sich aus diesen Bewer-
tungen ab?

5. Inwiefern ist der im Juli 2011 vom Rat ernannte „Sonderbeauftragte für den
südlichen Mittelmeerraum“ in Maßnahmen oder Verhandlungen mit der
tunesischen Regierung in den Bereichen Justiz und Inneres eingebunden?

6. Welche finanzielle Rahmenprogramme bzw. sonstigen finanziellen Mittel
werden seitens der Europäischen Kommission und der Bundesregierung seit
2011 an Tunesien ausgegeben?

a) Welche Mittelzuweisungen werden hierfür aufgewendet, und an welche
Bedingungen knüpft sich ihre Auszahlung?

b) Inwieweit ist das BMZ bzw. andere Behörden der Bundesregierung in die
Gewährung von Finanzhilfen eingebunden?

c) Wofür müssen diese Mittel jeweils verwendet werden (bitte tabellarisch
darstellen)?

7. Welche Anstrengungen existieren zur Neufassung der Verordnung des Finan-
zinstrumentariums der „European Neighbourhood Policy“ (ENP)?

a) Welche Vorschläge existieren zur Definition von „Benchmarks“ oder „In-
dikatoren“, anhand derer Reformschritte bestimmter Länder gemessen
werden sollen?

b) Wie wurden diese „Benchmarks“ oder „Indikatoren“ bereits konkretisiert,
und wer legt diese fest?

8. Welche näheren Erläuterungen kann die Bundesregierung zu Verhandlungen
um eine Freihandelszone mit Tunesien mitteilen, für die der Rat für Auswär-
tige Angelegenheiten im Dezember 2011 ein Mandat erteilte?

a) Welches Ziel wird mit den Verhandlungen verfolgt?

b) Welche Vertreter welcher Behörden, Bundesministerien oder sonstiger
(auch privater) Institutionen haben an den Verhandlungen teilgenommen?

c) Inwieweit werden auch Bestimmungen zu Agrar- und Fischereierzeug-
nissen, Energie oder zur Liberalisierung von Dienstleistungen verhan-
delt?

d) Welche Position vertritt die Bundesregierung in den Gesprächen zu einer
Freihandelszone mit Tunesien?

9. Welche konkreten Ziele verfolgt die „Taskforce Tunesien“ in den Bereichen
Justiz und Inneres, und wer gehört ihr an bzw. hat an Treffen teilgenommen?

a) Wie oft hat die „Taskforce Tunesien“ seit ihrem Bestehen getagt?
b) Welche Innenbehörden Tunesiens haben mit welchem Anliegen an der
„Taskforce Tunesien“ teilgenommen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/9894

c) Welche Rolle spielen die Europäische Investitionsbank, die Europäische
Bank für Wiederaufbau und Entwicklung oder andere internationale In-
stitutionen (auch die G8 oder die sogenannte Deauville-Partnerschaft)
innerhalb der „Taskforce“, und in welche Verhandlungen sind diese ein-
gebunden?

d) Inwieweit wurde im Rahmen der „Taskforce“ die Rückzahlung eingefro-
rener Guthaben verabredet?

e) Auf welche Art und Weise ist ein „Privatsektor“ in die „Taskforce“ inte-
griert, und um welche Unternehmen, Institutionen oder Personen handelt
es sich konkret?

f) Auf welche Art und Weise konnte die „Taskforce“, wie von der Kommis-
sion in ihrer Mitteilung „Umsetzung einer neuen Europäischen Nachbar-
schaftspolitik“, die „Bereitstellung der Hilfe und finanziellen Unterstüt-
zung unter Einbeziehung zahlreicher Institutionen“ beschleunigen?

10. Welchen Zeitplan sieht die Roadmap für die „Umsetzung einer neuen Euro-
päischen Nachbarschaftspolitik“ bezüglich der „südlichen Nachbarschaft“
und insbesondere Tunesien vor?

11. Welchen Inhalt hat der im Oktober 2011 zwischen der EU und Tunesien be-
gonnene „Dialog zu Migration, Mobilität und Sicherheit“, und wer ist an
entsprechenden Verhandlungen beteiligt?

a) Mit welchem konkreten Anliegen nehmen die EU-Agenturen
FRONTEX und Europol sowie der EAD an dem „Dialog“ teil, bzw. wel-
che (Zwischen-)Ergebnisse sind bereits erzielt worden?

b) Welche Institutionen der tunesischen Zivilgesellschaft sind in den „Dia-
log“ eingebunden?

c) Auf welche Art und Weise bringt sich die Bundesregierung „aktiv“ in
den „Dialog“ mit den „südlichen Mittelmeeranrainern“ ein (Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf
Bundestagsdrucksache 17/6431)?

12. Welchen Stand kann die Bundesregierung zur Verhandlung eines „Aktions-
plans“ der Europäischen Union zu Tunesien mitteilen?

a) Wer ist vonseiten der EU sowie der Bundesregierung an den Verhand-
lungen beteiligt?

b) Welche Unterausschüsse sind mit welchen Fragen befasst, und wie ist
die Bundesregierung hierin eingebunden?

c) Inwiefern werden von dem „Aktionsplan“ Bereiche der Justiz und des
Innern, vor allem zu Polizeizusammenarbeit und Migrationsabwehr, be-
rührt?

d) Inwieweit soll der Aktionsplan auch die Einbindung der EU-Agenturen
FRONTEX oder Europol regeln?

e) Welcher Zeitrahmen liegt dem „Aktionsplan“ zugrunde, und wie wird
dessen technische und finanzielle Unterstützung umgesetzt?

13. Inwiefern werden im „Aktionsplan“ auch jene Voraussetzungen themati-
siert, die vor einer „Stärkung der Mobilitätsmöglichkeiten“ durch die EU
seitens der tunesischen Regierung erfüllt werden müssen (Antwort der Bun-
desregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundes-
tagsdrucksache 17/6431)?

a) Welche Zugeständnisse gegenüber Tunesien sollen nach gegenwärtigem

Stand an das Erreichen von „Reformzielen“ geknüpft werden?

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b) Inwieweit macht die EU Zugeständnisse im Bereich nachbarschaftlicher
Zusammenarbeit oder auch die Erleichterung von „Mobilitätsmöglich-
keiten“ von der Ratifizierung oder Anwendung internationaler Abkom-
men zur Migrationskontrolle abhängig?

c) Welchen Stand haben die Verhandlungen um ein Rückübernahmeab-
kommen mit Tunesien für aus der EU abzuschiebende Migrantinnen und
Migranten?

d) Welchen Stand haben die „Gemeinsame Erklärungen“, die im Falle
Tunesiens grundlegend für zukünftige „Mobilitätspartnerschaften“ sein
sollen?

e) Welchen Inhalt sollte die zu verabschiedende „Gemeinsame Erklärung“
aus Sicht der Bundesregierung hinsichtlich der Bereiche Justiz und Inne-
res betonen?

14. Inwiefern unterstützt die EU oder die Bundesregierung die Regierung
Tunesiens im „Kapazitätsaufbau im Bereich Grenzmanagement“?

a) Welche Treffen haben hierzu stattgefunden, und welche Vereinbarungen
wurden dort getroffen?

b) Welche Behörden bzw. sonstigen Stellen der Bundesministerien des In-
nern und der Justiz haben von deutscher Seite an derartigen Gesprächen
teilgenommen?

15. Welche UN-Protokolle oder sonstigen Abkommen zu Menschenrechtskon-
ventionen oder Folter hat Tunesien nach Kenntnis der Bundesregierung in
den letzten beiden Jahren ratifiziert?

a) Inwiefern kommt Tunesien aus Sicht der Bundesregierung der Umset-
zung der darin übernommenen Verpflichtungen nach?

b) Ist der Bundesregierung bekannt, inwieweit die Meinungsfreiheit von
der neuen Regierung Tunesiens garantiert wird?

c) Teilt die Bundesregierung die Schlussfolgerungen der Europäischen
Kommission und des Auswärtigen Dienstes, wonach das Land über
einen „zufriedenstellenden Rechtsrahmen zum Schutz der Versamm-
lungs- und Vereinigungsfreiheit“ verfüge?

d) Falls ja, wird dieser Rechtsrahmen angesichts weiterer Schüsse auf De-
monstrantinnen und Demonstranten etwa in Sidi Bouzid oder auch der
pauschalen Demonstrationsverbote im April 2012 auf der Avenue Habib
Bourgiba in Tunis aus Sicht der Bundesregierung umgesetzt?

16. Welche Anstrengungen der tunesischen Regierung sind der Bundesregie-
rung bekannt, das Recht auf Asyl gesetzlich zu regeln?

17. Welche konkreten Anliegen verfolgen das Directorate-General (DG) Home
Affairs, das DG Justice sowie die Grenzschutzagentur FRONTEX in Ge-
sprächen und Verhandlungen mit der tunesischen Regierung?

a) Welchen Stand haben die Verhandlungen um ein Arbeitsabkommen zwi-
schen der FRONTEX und Tunesien?

b) Wie steht die Bundesregierung zu der Frage, ob es sich bei der gegenwär-
tigen Regierung Tunesiens um eine vorübergehende handelt?

c) Sofern die Bundesregierung die Ansicht vieler Menschen in Tunesien
teilt, wonach die Regierung nur vorübergehend im Amt ist, inwiefern ist
diese dann eingeschränkt bezüglich eines Verhandlungsmandats für völ-
kerrechtliche Abkommen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/9894

18. Inwieweit kooperiert Tunesien bereits jetzt mit FRONTEX bzw. anderen
Grenzbehörden von EU-Mitgliedstaaten?

a) Welche tunesischen Einrichtungen sind hieran beteiligt?

b) Welche finanziellen Mittel oder Sachleistungen haben EU-Mitgliedstaa-
ten Tunesien nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2011 für die
Grenzüberwachung zur Verfügung gestellt?

c) Welche weiteren Abkommen wurden hierfür geschlossen, wie es die
Bundesregierung für Italien etwa hinsichtlich eines „technischen Ab-
kommens“ und der Überlassung von vier Motorbooten zur Küstenüber-
wachung berichtet (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine An-
frage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/6431)?

d) Welche FRONTEX-Missionen haben seit 2011 vor der Küste Tunesiens
stattgefunden, und wie ist die Bundespolizei in diese (auch zukünftig)
eingebunden?

e) Inwieweit sind polizeiliche oder militärische Aufklärungssysteme (etwa
Radar, Nachtsichtgeräte, Positionierungsdienste) in die Grenzüberwa-
chung oder sonstige Missionen von EU-Einrichtungen eingebunden?

f) Welche weiteren Einrichtungen öffentlicher oder privater Natur (etwa
Reedereien, Ölbohrinseln, Geodienste) sind nach Kenntnis der Bundes-
regierung in die Sicherheitszusammenarbeit in der maritimen Region vor
Tunesien eingebunden?

19. Inwieweit sind Tunesien, Marokko, Algerien und Libyen in die Entwicklung
des EU-Vorhabens zur Migrationsabwehr „GLOBE – Integrated Border
Management System“ eingebunden?

a) Inwieweit sollen in den Ländern eigene Einrichtungen aufgebaut wer-
den, die dann in EU-Systeme integriert werden („National Coordination
Centre“, „Satellite Earth Station“, „Coastal Surveillance Station“, „Re-
mote Surveillance Platform“)?

b) Aus welchem Grund sieht die Präsentation des Vorhabens (http://tiny-
url.com/cv75nyv) zunächst keine der genannten Einrichtung in Tunesien
vor, wohl aber in den Nachbarländern?

c) Auf welche Weise ist FRONTEX in den genannten Ländern in den
Aufbau einer gemeinsamen Plattform zur Migrationsabwehr (z. B.
EUROSUR, GLOBE) aktiv?

20. Auf welche Art und Weise arbeiten EU-Mitgliedstaaten, die Grenzschutz-
agentur FRONTEX bzw. an deren Missionen beteiligte Mitgliedstaaten für
derartige Maßnahmen mit dem tunesischen Militär zusammen?

a) Welche Abkommen und Kommunikationskanäle existieren hierzu?

b) Von welchen weiteren Fällen hat die Bundesregierung Kenntnis, in
denen die italienische, französische oder spanische Küstenwache Flücht-
linge vor Tunesien aufgriff und diese (auch teilweise) an tunesische
Militärs übergeben hat, wie es in der Antwort der Bundesregierung auf
die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache
17/7270 für einen Einzelfall beschrieben wird?

21. Welche konkreten Maßnahmen sieht das so genannte Gemeinsame Opera-
tionsprojekt mit Tunesien vor (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine
Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/6431)?

a) Wie soll das Programm „illegale Migration im Mittelmeerraum“ bewäl-

tigen?

Drucksache 17/9894 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
b) Welche „Kapazitäten der tunesischen Behörden“ zur Förderung legaler
Zuwanderungsmöglichkeiten werden von dem Programm erfasst?

22. Wie kam die deutsche Delegation zustande, die im tunesischen Flüchtlings-
lager Choucha Interviews mit einer Auswahl an Flüchtlingen durchführte,
um einige Personen auszuwählen, die im Zuge des Resettlement-Verfahrens
nach Deutschland aufgenommen werden?

a) Nach welchen Kriterien werden die 200 Aufzunehmenden schließlich
aus den mehreren Tausend vom UNHCR (Hoher Flüchtlingskommissar
der Vereinten Nationen) anerkannten Flüchtlingen ausgewählt?

b) Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis von nicht dokumentierten
oder geheimen Haftanstalten für unerwünschte Migrantinnen und Mi-
granten, in denen Menschen ohne gültige Papiere inhaftiert werden und
diese vor die Wahl gestellt werden, monatelang eingesperrt zu bleiben
oder ein Flugticket in ihr Heimatland zu akzeptieren?

23. Welche deutschen Firmen oder deren Interessensverbände haben sich nach
Kenntnis der Bundesregierung nach der Revolte in Tunesien aus dem Land
zurückgezogen?

Inwieweit handelt es sich dabei um Unternehmen, die sich mit der Herstel-
lung von Technik zur Überwachung und Kontrolle befassen?

24. Hat die Bundesregierung gegenüber ihren Partnern in Saudi-Arabien mitt-
lerweile die Forderung der neuen tunesischen Regierung vorgetragen, den
früheren Präsidenten Ben Ali auszuliefern?

25. Wie hat die Bundesregierung seit 2011 „das Bemühen der tunesischen
Regierung um eine Aufarbeitung der Regierungszeit des früheren Präsiden-
ten Ben Ali“ unterstützt, wie sie es in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage
der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/6431 bekräftigt
hatte?

Berlin, den 6. Juni 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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