BT-Drucksache 17/9876

Verschlechtertes Integrationskursangebot und anhaltend unzureichende Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte

Vom 6. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9876
17. Wahlperiode 06. 06. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Diana Golze, Agnes Alpers, Matthias W.
Birkwald, Klaus Ernst, Dr. Rosemarie Hein, Ulla Jelpke, Katja Kipping, Jutta
Krellmann, Harald Weinberg, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Verschlechtertes Integrationskursangebot und anhaltend unzureichende
Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verkündete am 4. Mai
2012 unter der Überschrift „Integrationskurse immer erfolgreicher“, dass die
„Erfolgsgeschichte der Integrationskurse“ sich „im vergangenen Jahr weiter
fortgesetzt“ habe. Verwiesen wurde dabei auf die Integrationskursgeschäfts-
statistik für das Jahr 2011 (http://www.bamf.de/SharedDocs/Meldungen/DE/
2012/20120504_inge-statistik_2011.html) und die gestiegene Zahl ausgestellter
Teilnahmeberechtigungen.

Die Fraktion DIE LINKE. kritisiert, dass die offiziellen Zahlen einseitig als eine
Erfolgsgeschichte interpretiert werden. Zwar wurden 2011 in der Tat vier Pro-
zent mehr Teilnahmeberechtigungen ausgestellt als noch im Vorjahr. Dieser (ge-
ringe) Anstieg ist jedoch vor allem damit zu erklären, dass die Zahlen im Jahr
2010 um über 20 Prozent eingebrochen waren, nachdem aus Kostengründen ein
zeitweiliger Aufnahmestopp und Wartelisten für freiwillige Kursteilnehmende
sowie weitere Sparmaßnahmen erlassen worden waren, mit denen die Sprach-
kursbedingungen insgesamt verschlechtert wurden (vgl. Antwort der Bundes-
regierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestags-
drucksache 17/6924, „Auswirkungen der Sparmaßnahmen bei Integrationskur-
sen und andauernde unzureichende Bezahlung der Lehrkräfte“). Gegenüber dem
Jahr 2009, als noch keine Kürzungsmaßnahmen galten, hat sich die Zahl der im
Jahr 2011 ausgestellten Teilnahmeberechtigungen deshalb um 18 Prozent redu-
ziert, denn viele der im Jahr 2010 ergriffenen Sparmaßnahmen sind weiterhin in
Kraft (Einschränkungen bei der Fahrtkostenerstattung und Kinderbetreuung, bei
Wiederholungsmöglichkeiten, Alphabetisierungs- und Teilzeitkursen). Auch die
Zahl der neuen Teilnehmenden ging im Jahr 2011 gegenüber dem Jahr 2009 um
16,5 Prozent zurück, überdurchschnittlich war der Rückgang bei Eltern- und
Frauenintegrations- und Alphabetisierungskursen.

Zu Recht weist das BAMF aber darauf hin, dass der Anteil derjenigen, die den
Kurs auf dem Niveau B1 absolvierten, im Jahr 2011 auf Rekordniveau gestiegen
ist (56 Prozent), während der Anteil derjenigen, die unterhalb des Niveaus A2
blieben, nur noch acht Prozent betrug. Diese Bilanz ist natürlich eine Leistung

vor allem der Teilnehmenden selbst. Die Zahlen stellen aber zugleich die Rege-
lung der Sprachnachweise im Ausland als Einreisebedingung beim Ehegatten-
nachzug in Frage, da die Bundesregierung bislang behauptete, nur ein Nachweis
im Ausland würde sicherstellen, dass die Betroffenen das Niveau A1 tatsächlich
erreichen – bei einem Sprachkursbesuch in Deutschland hingegen sei dies an-
geblich nicht der Fall (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 16/11997, Frage 8c und

Drucksache 17/9876 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

auf Bundestagsdrucksache 16/7288, Fragen 23b und 23c). Es kann jedoch ohne
Weiteres davon ausgegangen werden, dass auch die wenigen Personen, die nach
600- bzw. 900-stündigem Sprachunterricht das Niveau A2 nicht erreichten, in
jedem Fall über Kenntnisse des niedrigeren Niveaus A1 verfügen (was jedoch
von den Abschlusstests nicht erfasst wird).

Die Erzählung einer vermeintlichen „Erfolgsgeschichte“ der Integrationskurse
blendet zusätzlich aus, dass die Lehrtätigkeit in Integrationskursen für die Lehr-
kräfte, die zu 85 Prozent Frauen sind, vor allem eine Geschichte der Unterbezah-
lung, prekären Beschäftigung und Missachtung ihrer Arbeit ist. Die durch-
schnittlich gezahlten Honorare für Lehrkräfte im Integrationskursbereich sind
zuletzt auf 18,14 Euro pro Unterrichtseinheit gesunken – dabei wären etwa
30 Euro erforderlich, um den Betroffenen zumindest eine Bezahlung vergleich-
bar dem Eingangsgehalt im schulischen Bereich zu bieten (vgl. Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundes-
tagsdrucksache 17/7231. Es ist nach Ansicht der Fragesteller ein Skandal, dass
sich die Bundesregierung der Integrationskurse als wichtigster Integrationsmaß-
nahme des Bundes und als „Erfolgsgeschichte“ rühmt, während sie zugleich
nicht einmal dafür Sorge trägt, dass diejenigen, die als hochqualifizierte Fach-
kräfte diese anspruchsvolle und wichtige Arbeit leisten, hierfür eine existenz-
sichernde, geschweige denn angemessene Entlohnung erhalten. Stattdessen
weist ihre Arbeit wesentliche Merkmale einer Scheinselbständigkeit auf, und
viele Lehrkräfte sehen sich in ihrer Existenz zudem aufgrund von Nachzahlun-
gen zur Rentenversicherung bedroht.

Die Bundesregierung weigert sich unter Hinweis auf die „Vertragsfreiheit zwi-
schen Träger und der Lehrkraft“ seit langem (vgl. bereits Antwort der Bundes-
regierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestags-
drucksache 16/13972, Frage 5b), den Sprachkursträgern verbindliche Auflagen
zum Honorar zu machen. Stattdessen werden Trägerzulassungen bei Honoraren
unter 15 Euro – inzwischen 18 Euro – lediglich auf ein Jahr begrenzt, was sich
jedoch als wirkungslose Maßnahme gegen Dumpinglöhne erwiesen hat.

Obwohl den Trägern durch eine Erhöhung der Trägerpauschale von 2,35 auf
2,54 Euro pro Teilnehmenden und Unterrichtseinheit seit Ende 2011 ein wenig
mehr Geld auf dem Papier zur Verfügung steht (wobei die gleichzeitige Strei-
chung der Verwaltungskostenpauschale und weiterer Zuschläge diese ohnehin
schon minimale Erhöhung weiter reduziert), hat sich deren Gesamteinkom-
menssituation real sogar noch verschlechtert. Da unter anderem infolge der
Sparmaßnahmen die durchschnittliche Kursgröße von 14,5 auf 12,5 Personen
gesunken ist (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der
Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/6924, Frage 4), werden
rechnerisch pro Kurs und Unterrichtsstunde statt zuvor 34,08 Euro (14,5 Teil-
nehmende × 2,35 Euro Pauschale) nur noch 31,75 Euro (12,5 Personen × 2,54
Euro) gezahlt. Dies ist ein Rückgang um 7 Prozent, trotz gestiegener Unterhalts-
kosten (Miete, Strom usw.).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hoch waren im Jahr 2011 die Ausgaben für die Bereiche

a) Intensivkurse;

b) Integrationskurse (645 Unterrichtseinheiten);

c) Wiederholung des Aufbaukurses (300 Unterrichtseinheiten);

d) Kurse für spezielle Zielgruppen (bitte differenzieren);

e) Prüfungskosten/Sprachstandsfeststellungen (bitte differenzieren);
f) hälftige Rückerstattung des Kosteneigenbeitrages;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9876

g) Fahrtkostenzuschuss;

h) Befreiung vom Kostenbeitrag;

i) Kinderbetreuung;

j) Aufwandsentschädigung für Verwaltungstätigkeit;

k) Lehrerqualifizierung;

l) sonstiges;

m) insgesamt

(bitte zu den Fragen 1a bis 1m die Vergleichswerte der Jahre 2009 und 2010
nennen und darlegen, wie Abweichungen jeweils zu erklären sind, und auf-
grund welcher Annahmen mit welchen Ausgaben für das Gesamtjahr 2012
bzw. für 2013 gerechnet wird)?

2. Wie ist die aktuelle durchschnittliche Kursgröße, und wie viele im Jahr 2009,
2010 bzw. 2011 neu begonnene Kurse waren Teilzeitkurse (bitte nach ver-
schiedenen Kursarten differenzieren und Angaben in Relation zur Gesamt-
zahl der neu begonnenen Kurse machen)?

3. Wie war die Verteilung der neuen Sprachkursteilnehmenden auf die einzel-
nen Module des Integrationskurses entsprechend ihrer sprachlichen Vor-
kenntnisse im Jahr 2011?

4. Kann davon ausgegangen werden, dass alle oder nahezu alle Integrationskurs-
teilnehmenden nach 600 Sprachkursunterrichtseinheiten über das Sprach-
niveau A1 verfügen, das nach Angaben der Bundesregierung „nach rund
80 bis 200 UE (Unterrichtseinheiten)“ erreicht wird (Antwort der Bundes-
regierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestags-
drucksache 17/6924, Frage 7c) – wenn nein, bitte begründen?

5. Mit welcher Begründung hält die Bundesregierung gegebenenfalls an ihrer
Behauptung fest, nur verpflichtende Sprachtests im Ausland könnten das Er-
reichen des A1-Sprachniveaus sicherstellen, wenn 92 Prozent der Prüfungs-
teilnehmenden in Deutschland das weitaus höhere Sprachniveau A2 errei-
chen und nach Einschätzung der Bundesregierung bereits nach rund 80 bis
200 (von insgesamt 600 oder auch 900) Unterrichtseinheiten das A1-Niveau
erreicht wird – und der Sprachkursbesuch in Deutschland mit zahlreichen
(aufenthalts- und sozialrechtlichen) Sanktionen und Zwangsmaßnahmen
durchgesetzt werden kann?

6. Wie ist vor dem Hintergrund der Frage 5 bzw. Antwort die Einschränkung des
Grundrechts auf Familienzusammenleben, die mit den Sprachanforderungen
im Ausland unstrittig verbunden ist, noch als verhältnismäßig zu rechtferti-
gen, wenn offenbar auch das mildere Mittel eines Sprachkursbesuchs im In-
land (anders als die Bundesregierung noch in ihrer Antwort auf die Kleine
Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 16/11997 zu
Frage 8c ausgeführt hat) das gesetzgeberische Ziel des Erwerbs zumindest
einfacher Deutschkenntnisse sicherstellen kann (bitte nachvollziehbar be-
gründen)?

7. Wird das Sprachniveau B1 durchschnittlich schneller erreicht, wenn der
Spracherwerb von Beginn an und durchgehend in einem Integrationskurs in
Deutschland erfolgt oder wenn Sprachkenntnisse des Niveaus A1 zunächst
im Ausland erworben werden müssen – und zwar im Regelfall nicht in einem
Sprachkurs des Goethe-Instituts, sondern im Selbststudium oder mithilfe
von Fernlernangeboten – und dann einige Monate bis zur Fortsetzung des
Spracherwerbs in einem Integrationskurs in Deutschland vergehen (bitte

ausführen und begründen; Wiederholung der unbeantwortet gebliebenen
Frage 7d der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestags-

Drucksache 17/9876 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

drucksache 16/6924; die Bundesregierung antwortete mit einem Hinweis
darauf, dass das Niveau B1 von einem Ausgangsniveau A1 schneller er-
reicht wird – was banal ist, aber ebenso wenig eine Antwort auf die Frage
darstellte, wie der Hinweis darauf, dass bei höherem Ausgangsniveau zum
Kursende auch ein höheres Sprachniveau erreicht wird)?

8. Welche neuen Erkenntnisse liegen der Bundesregierung inzwischen dazu
vor, wie viele zur Integrationskursteilnahme Verpflichtete dieser Verpflich-
tung in welchem Zeitraum nachgekommen sind, bzw. welche Gründe dem
jeweils entgegenstanden, und falls es keine solchen Erkenntnisse geben
sollte, wie ist dies vor dem Hintergrund der hiermit begründeten Gesetzes-
verschärfung zum 1. Juli 2011 zu erklären (vgl. Vorbemerkung der Frage-
steller in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleinen Anfrage der
Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/5693)?

9. Ist es aus Sicht des BAMF sachgerecht und in sich schlüssig, sowohl für
eine Einbürgerung als auch für eine mehr als einjährige Aufenthalts-
erlaubnis dasselbe Sprachniveau zu fordern (bitte begründen), und wie
bewertet es entsprechend die Neuregelung des § 8 Absatz 3 Satz 5 des
Aufenthaltsgesetzes – AufenthG (Wiederholung der unbeantwortet geblie-
benen Frage 11 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bun-
destagsdrucksache 17/6924, denn der dortige Verweis auf die Antwort der
Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf
Bundestagsdrucksache 17/5693 zu Frage 25 ergibt nur eine Begründung
der Neuregelung des § 8 Absatz 3 Satz 5 AufenthG, nicht aber eine Ant-
wort auf die gestellte Frage, ob es nach Ansicht des BAMF in sich
schlüssig und sachgerecht ist, sowohl für eine Einbürgerung als auch für
eine mehr als einjährige Aufenthaltserlaubnis das selbe Sprachniveau zu
verlangen)?

10. Wie erklärt die Bundesregierung den Rückgang der neu begonnen Integra-
tionskurse bzw. der neuen Teilnehmenden im Vergleich der Jahre 2011 und
2009 um 18 bzw. 16,5 Prozent, wenn nicht als eine Folge der im Jahr 2010
ergriffenen „Sparmaßnahmen“ (Kürzungen bei der Fahrtkostenerstattung
und Kinderbetreuung, bei Wiederholungsmöglichkeiten, Alphabetisie-
rungs- und Teilzeitkursen)?

11. Inwieweit kann der vierprozentige Anstieg der ausgestellten Teilnahmebe-
rechtigungen im Jahr 2011 gegenüber dem Vorjahr (auch) damit erklärt wer-
den, dass ab Jahresbeginn 2011 auch solche Personen einen Kurs beginnen
konnten, die auf einer Warteliste des Vorjahres standen bzw. die infolge der
Sparmaßnahmen nur eine Zulassung mit verzögertem Beginn erhalten hat-
ten?

12. Inwieweit ist angesichts der Fragen 10 und 11 bzw. Antworten die Einschät-
zung aufrechtzuerhalten, bei den Zulassungszahlen für Integrationskurse im
Jahr 2011 (die deutlich unterhalb der Werte von 2009 liegen) handele es sich
um ein Indiz für die Fortsetzung einer „Erfolgsgeschichte“ (bitte begrün-
den)?

13. Welche Einspareffekte wurden in den Jahren 2010 und 2011 infolge der
2010 ergriffenen Maßnahmen zur Begrenzung der Ausgaben erzielt (bitte
einzeln nach jeweiliger Maßnahme auflisten – z. B. neue Vorgaben zur
Fahrtkostenerstattung, Kinderbetreuung, Wiederholungsmöglichkeiten, Al-
phabetisierungs- und Teilzeitkursen)?

14. In welchem Umfang wurden Mittel des Etats für Integrationskurse für das
Jahr 2012 für Ausgaben des Jahres 2011 verwandt, bzw. wurden Mittel für
das Jahr 2011 nicht abgerufen, und wie hoch waren die tatsächlichen Aus-

gaben für Integrationskurse im Jahr 2011?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/9876

15. Mit wie vielen neuen Integrationskursteilnehmenden rechnet das BAMF für
die Jahre 2012 bzw. 2013, und wie viele der neuen Teilnehmenden hatten
2011 einen Rechtsanspruch auf Teilnahme?

16. Wie lautet der aktuelle Durchschnittswert der gezahlten Lehrkräftehonorare
im Integrationskursbereich, wie viele Träger mit jeweils wie vielen gemel-
deten Lehrkräften bzw. Kursen zahlen unter 12 Euro pro Unterrichtseinheit
(was ist das niedrigste festgestellte Honorar), wie viele zahlen zwischen
12 und 15 Euro, zwischen 15 und 16 Euro, zwischen 16 und 18 Euro, zwi-
schen 18 und 20 Euro, zwischen 20 und 22 Euro, zwischen 22 und 25 Euro
bzw. über 25 Euro (bitte in absoluten und relativen Zahlen darstellen)?

17. Auf welchen Informationen genau beruhen die Auskünfte der Bundesregie-
rung zu gezahlten Honoraren für Lehrkräfte (z. B. auf einer vollständigen
oder teilweisen Abfrage der Träger, oder auf bei der Trägerzulassung vorzu-
legenden Unterlagen zur Honorarhöhe)?

18. Wenn es auf Seite 9 der Begründung zur Zweiten Verordnung zur Änderung
der Integrationskursverordnung heißt, dass „das Ergebnis einer Trägerab-
frage 2011 durch das Bundesamt mit einer Rücklaufquote von rund 82 Pro-
zent [gezeigt habe], dass derzeit rund 45 Prozent der Träger Honorare für
Lehrkräfte unter 18 Euro zahlen“, bedeutet dies, dass sich die Bundesregie-
rung tatsächlich nur auf die Angaben der teilnehmenden Träger gestützt hat,
und was entgegnet sie gegenüber dem Argument, dass die Wahrscheinlich-
keit hoch ist, dass sich unter den 18 Prozent der Träger, die sich nicht zu-
rückgemeldet haben, vor allem solche mit unterdurchschnittlichen Honorar-
zahlungen befinden könnten – und welche Konsequenzen ergeben sich
hieraus (bitte ausführen)?

19. Wie viele Träger mit jeweils wie vielen gemeldeten Lehrkräften bzw. Kur-
sen zahlten in der Praxis ein geringeres Honorar (in welcher Höhe) als ge-
genüber dem BAMF angegeben, und wie wird dies festgestellt?

a) Wie viele Vor-Ort-Prüfungen mit welchen Ergebnissen und Konsequen-
zen gab es diesbezüglich im Jahr 2011 bzw. im bisherigen Jahr 2012?

b) Inwieweit werden Lehrkräfte in die Prüfung einbezogen, ob das tatsäch-
lich gezahlte Honorar den Angaben der Träger gegenüber dem BAMF
entspricht?

c) Inwieweit kann überhaupt von einer wirksamen Kontrolle der tatsächlich
gezahlten Honorare gesprochen werden, wenn die Bundesregierung er-
klärt: „Das BAMF geht davon aus, dass die angegebenen Honorare auch
in der Praxis bezahlt werden“ (Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. zu Frage 22b auf Bundestags-
drucksache 17/6924)?

20. Wie viele auf ein Jahr befristete Kursträgerlizensierungen wegen Honoraren
unter 15 Euro bzw. neuerdings 18 Euro (bitte differenzieren) pro Unter-
richtseinheit hat es im Jahr 2011 bzw. im bisherigen Jahr 2012 gegeben?

21. Wie viele der wegen Unterschreitung der 15-Euro-Grenze nur auf ein Jahr
erteilten Lizensierungen wurden im Jahr 2011 bzw. im bisherigen Jahr 2012
nicht verlängert, befristet verlängert oder vorher widerrufen, und wie hatten
sich die Honorare nach einem Jahr verändert bzw. in welchem Umfang
wurden von diesen Trägern auch nach einem Jahr weiterhin Honorare unter
15 Euro gezahlt?

22. Inwieweit hält die Bundesregierung angesichts der weiterhin unter dem Ni-
veau von 2005 liegenden und zuletzt sogar noch weiter gesunkenen Hono-
rare bei Lehrkräften im Integrationskursbereich die Maßnahme einer auf ein

Jahr befristeten Lizensierung und Qualitätskontrolle bei Trägern, die Hono-

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rare unter 15 bzw. 18 Euro zahlen, für ausreichend, um den Lehrkräften eine
bessere Entlohnung sichern zu können?

23. Inwieweit hält die Bundesregierung überhaupt noch an dem Ziel einer bes-
seren Bezahlung der Lehrkräfte fest, und was unternimmt sie diesbezüglich,
nachdem sich die bislang ergriffenen Maßnahmen als absolut wirkungslos
erwiesen haben?

24. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass es zahlreiche Hono-
rarordnungen in Bezug auf so genannte freie Berufe gibt, die ein Mindest-
honorar rechtlich verbindlich regeln, und dass diese Honorarvorgaben auch
vereinbar sind mit der verfassungsrechtlich garantierten Vertrags- und Be-
rufsfreiheit (wenn nein, wie verhält es sich)?

25. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung zu, dass es auch in verfas-
sungsrechtlicher Sicht möglich wäre, den Sprachkursträgern ein verbindlich
den Lehrkräften zu zahlendes Mindesthonorar vorzugeben, mit dem Ziel,
ein Lohndumping zu verhindern und eine hohe Qualität des Unterrichts zu
sichern (vgl. auch: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26. Septem-
ber 2005, 1 BvR 82/03, Rn. 17), indem im Aufenthaltsgesetz oder/und in der
Integrationskursverordnung eine Rechtsgrundlage für eine entsprechende
Honorarverordnung geschaffen würde, wenn nein, wie verhält es sich, wenn
ja, warum hat die Bundesregierung nicht längst diesen Weg beschritten, um
Lehrkräften ein Mindesteinkommen zu sichern, das ihrer Qualifikation und
Tätigkeit entspricht (bitte ausführen)?

26. Aus welchen Gründen wurde mit der Zweiten Verordnung zur Änderung der
Integrationskursverordnung in § 20 der Satz gestrichen, dass „die Zulassung
… mit Auflagen erteilt werden [kann], insbesondere zur Vergütung der
Lehrkräfte…“, während in der aktuellen Fassung nur noch die Rede davon
ist, dass „die Dauer der Zulassung“ verkürzt werden kann, „wenn eine vom
Bundesamt festzulegende Vergütungsgrenze für die Lehrkräfte unterschrit-
ten wird“ (bitte genau begründen), und welche Folgewirkungen hat dies,
insbesondere in Bezug auf die Möglichkeit, den Trägern eine Mindestver-
gütung verbindlich vorzuschreiben, die auch nicht um den Preis einer ver-
kürzten Zulassung unterschritten werden darf (bitte ausführen)?

27. Was entgegnet die Bundesregierung gegenüber dem Argument, dass Sprach-
kursträger, die ihren Gewinn durch möglichst niedrige Honorare steigern
wollen, sich nicht von einer lediglich auf ein Jahr verkürzten Zulassung
hiervon abhalten lassen werden, und dass die Bundesregierung somit einem
Lohndumping im Integrationskursbereich nichts Wirksames entgegensetzt?

28. Wie sollen Sprachkursträger höhere Honorare bezahlen können (im Träger-
rundschreiben des BAMF vom 27. Oktober 2011 heißt es: „Mit der vorge-
nannten Erhöhung des Erstattungssatzes ist die Erwartung verknüpft, dass
sich die Lehrkräftevergütung insgesamt verbessert“), wenn sich deren zur
Verfügung stehendes Einkommen rechnerisch trotz der leichten Anhebung
der Pauschale (abzüglich der Reduzierung durch Einberechnung von zuvor
gezahlten Pauschalen) sogar noch verringert hat, weil durch die geringere
durchschnittliche Teilnehmendenzahl auch das Entgelt pro Kurs gesunken
ist (vgl. Vorbemerkung) und die Träger zudem noch höhere Nebenkosten
ausgleichen müssen (Miete, Strom usw.)?

29. Nach welchen Kriterien und Überlegungen wurde die Anhebung der Hono-
raruntergrenze für mehrjährige Trägerzulassungen von 15 auf 18 Euro be-
stimmt bzw. errechnet, und wie sollen die Träger solche höhere Honorare
bezahlen können, wenn ihnen nicht zugleich effektiv mehr Geld zur Ver-
fügung gestellt wird (vgl. Frage 28)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/9876

30. Wie hat der Präsident des BAMF auf das Schreiben der Gewerkschaft
Erziehung und Wissenschaft vom 11. Januar 2012 (Organisationsbereich
Berufliche Bildung und Weiterbildung, Dr. Stephanie Odenwald) reagiert,
mit dem die Ernsthaftigkeit der Beteuerungen des Bundesamtes, für eine
bessere Bezahlung der Lehrkräfte sorgen zu wollen, in Frage gestellt wurde,
weil die Anhebung der Honoraruntergrenze (für den Erhalt einer mehrjähri-
gen Trägerzulassung) auf 18 Euro und die Erhörung der Trägerpauschale
auf 2,54 Euro (bei gleichzeitiger Streichung z. B. der Verwaltungskosten-
pauschale) als unzureichend angesehen wurden – und was entgegnet die
Bundesregierung inhaltlich dieser Kritik?

31. Welche konkreten Schlussfolgerungen wurden aus der vom Bundesministe-
rium des Innern in Auftrag gegebenen Evaluierung des Finanzierungssys-
tems der Integrationskurse durch die Firma RambØll Management Consul-
ting GmbH in Bezug auf die dort festgestellte Unterbezahlung der
Lehrkräfte gezogen, und inwieweit plant die Bundesregierung insbesondere
eine grundlegende Änderung des derzeit bestehenden Finanzierungssys-
tems, das für die Träger einen Anreiz zur Reduktion der Lehrgehälter bietet,
um einen ökonomischen Erfolg zu sichern oder zu vergrößern (S. 18 des
Gutachtens, vgl. aber auch schon das erste Gutachten der RambØll Manage-
ment Consulting GmbH zu Integrationskursen, S. 133, bitte nachvollzieh-
bar begründen; Wiederholung der Frage 30 der Kleinen Anfrage der Frak-
tion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/6924, weil der dortige
Verweis der Bundesregierung auf die Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/
1536 zu Frage 13 in Bezug auf die angefragte Unter- bzw. die eingeforderte
Besserbezahlung der Lehrkräfte keine andere Antwort erbringt als: „Darü-
ber hinaus werden derzeit Spielräume zur Verbesserung der Vergütung der
Lehrkräfte geprüft“)?

32. Ist die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion
DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/6924 zu Frage 31 so zu verste-
hen, dass sie die Feststellung des Finanzierungsgutachtens von RambØll
Management nicht teilt, wonach die Beschäftigung als Honorarkräfte „von
den befragten Lehrkräften sowie ihren Interessensvertretungen und Verbän-
den als besonders problematisch wahrgenommen“ wird, z. B. wegen der
geringen Beschäftigungssicherheit, der unangemessenen Vergütung, des
Verdienstausfalls im Krankheitsfall, der fehlenden Absicherung für Ur-
laubs- und Regenerationsphasen usw. (S. 9 des Gutachtens), oder dass sie
die Bezahlung der Honorarkräfte für ausreichend hält (bitte ausführen)?

33. Inwieweit wurde oder wird von der Möglichkeit eines automatisierten Da-
tenabrufs nach § 8 Absatz 1 und 3 der Integrationskursverordnung (IntV)
Gebrauch gemacht, inwieweit wurde dabei gegebenenfalls die Anforderung
eingehalten, dass dies nur zulässig ist, „wenn der automatische Datenabruf
wegen der Vielzahl oder der besonderen Eilbedürftigkeit der zu erwartenden
Übermittlungsersuchen unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Inte-
ressen des Betroffenen angemessen ist“, und welche neuen Erkenntnisse
oder Vorteile haben sich hieraus ergeben (bitte ausführen)?

34. Inwieweit macht das BAMF den neu zugelassenen Trägern Auflagen zur
Wochenstundenzahl der Kurse?

35. Wie viele Widerrufe der Trägerzulassung nach §20b Absatz 1 IntV gab es
bislang (bitte soweit möglich nach den Nummern 1 bis 6 differenziert ange-
ben und nähere Angaben machen)?

36. Wie hat sich die Neuregelung ausgewirkt, nur einjährige Trägerzulassungen
zu erteilen, wenn ein Honorar unter 18 Euro/Unterrichtseinheit gezahlt wird

(auf die Honorare, auf die „Trägerlandschaft“, auf den organisatorischen

Drucksache 17/9876 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Aufwand usw.) – was nach früheren Angaben der Bundesregierung fast die
Hälfte aller Kursträger betreffen müsste (vgl. Antwort der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdruck-
sache 17/6924, Frage 21)?

37. In welchem Umfang sind bislang Abrechnungsbetrugsfälle bei Sprachkurs-
trägern bekannt geworden (bitte nach Jahren differenzieren und Angaben
zur Art und Weise und finanzieller Auswirkung des Betrugs sowie zur rela-
tiven Häufigkeit solcher Fälle in Relation zur Gesamtzahl der Kursträger/
Kurse machen), welche Sanktionen hatte dies zur Folge, und wie viele ge-
richtliche Verurteilungen wegen Betrugs oder Ähnlichem gab es?

38. Warum gibt es keine neuere Untersuchungen oder Erhebungen dazu, wie
viele Sprachkursträger mit der derzeitigen Kostenpauschale kostendeckend
und entsprechend ihrer Qualitätsanforderungen arbeiten können, obwohl im
ersten Evaluierungsgutachten der Firma RambØll Management Consulting
GmbH vom Dezember 2010 (S. 133) festgestellt wurde, dass 51 Prozent der
befragten Träger angaben, nicht kostendeckend arbeiten zu können, und
weitere 28 Prozent angaben, angesichts der geringen Kostenpauschale, Ab-
striche bei der Qualität machen zu müssen, und mit welcher Begründung
hält sie die Finanzierung des Integrationskurssystems entgegen dieser Fest-
stellung im Gutachten gegebenenfalls für ausreichend (Nachfrage zu Ant-
wort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE.
auf Bundestagsdrucksache 17/6924, Frage 34)?

39. Welche Mehrkosten wären unter derzeitigen Bedingungen und Annahmen
damit verbunden, wenn eine Honorierung von 30 Euro pro Unterrichtsein-
heit für Lehrkräfte im Integrationskursbereich angestrebt würde, wie hoch
müsste dann in etwa die Trägerkostenpauschale sein, und warum konnte die
Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE
LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/6924 zur ersten Teilfrage zu Frage 26
noch Angaben machen („über 50 Mio. Euro“), während sie zu Frage 37
schon nicht mehr zur Auskunft bereit war („Pauschale Angaben können hier
nicht gemacht werden“; bitte nachvollziehbar begründen)?

40. Was unternimmt oder plant die Bundesregierung zur Erreichung der im
Dialogforum 7 des Nationalen Aktionsplans Integration genannten Ziele:

a) Fortentwicklung der Zusatzqualifizierung der Lehrkräfte,

b) Beibehaltung eines flächendeckenden, bedarfsorientierten Kursangebots
unter Fortentwicklung der Kursqualität und Verbesserung des Kurs-
zugangs und

c) Erreichung spezieller Zielgruppen,

und wie sind hiermit jeweils vereinbar die Sparmaßnahmen des Jahres 2010,
die empirisch nachweisbar eher zu einem gegenteiligen Effekt geführt
haben (Reduzierung der Ausgaben für Lehrerqualifizierung auf 0 Euro im
ersten Halbjahr 2011, Rückgang der begonnenen Integrationskurse im Ver-
gleich der Jahre 2009 und 2011 um über 12 Prozent, überdurchschnittlicher
Rückgang von Teilnehmenden in Alphabetisierungs- und Frauen/Elternkur-
sen im Vergleich der Jahre 2009 und 2011)?

41. Wie hoch waren die Zahl der Teilnehmenden in Berufsintegrationskursen
und entsprechende finanzielle Ausgaben im Jahr 2011, wie hoch ist die Ver-
mittlungsquote, und wie bewertet die Bundesregierung diese Zahlen?

42. In welchem Umfang (in welchen Konstellationen, bis zu welcher Höhe)
werden im Rahmen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch bzw. des Zwölf-
ten Buches Sozialgesetzbuch die für einen Integrationskurs erforderlichen

Lernbücher und andere notwendigen Anschaffungen übernommen, und er-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 9 – Drucksache 17/9876

folgt dies im Ermessen oder infolge einer Rechtspflicht, und welche Urteile
sind der Bundesregierung hierzu bekannt?

43. Wie ist die aktuelle Personalstruktur des BAMF in absoluten und relativen
Zahlen und nach Personalstellen und Kosten differenziert (bezüglich der in-
haltlichen Aufgabenbereiche bitte so differenziert wie möglich antworten,
d. h. mindestens nach Abteilungs- und Gruppenebene aufgegliedert)?

44. Für welchen Zeitraum wurden bzw. werden nach letztem Stand wie viele
Beschäftigte des BAMF aus welchen Bereichen zur Abarbeitung von Asyl-
anträgen eingesetzt, welche Aufgaben übernahmen diese Kräfte in welchem
Umfang, und welche Auswirkungen hatten diese Umsetzungen für die Be-
reiche, denen Personal entzogen wurde?

Berlin, den 6. Juni 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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