BT-Drucksache 17/9856

Ungereimtheiten beim Flughafen Berlin Brandenburg

Vom 30. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9856
17. Wahlperiode 30. 05. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sabine Stüber, Herbert Behrens, Dr. Kirsten Tackmann,
Dr. Dagmar Enkelmann, Ralph Lenkert, Sabine Leidig, Stefan Liebich, Thomas
Nord, Petra Pau, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Ungereimtheiten beim Flughafen Berlin Brandenburg

Am 30. Januar 2012 beantwortete die Bundesregierung die Große Anfrage der
Fraktion DIE LINKE. „Flughafen Berlin Brandenburg: Flugrouten, Lärmaus-
wirkungen“ (Bundestagsdrucksache 17/8514). Aus der Antwort der Bundes-
regierung zu Frage 6 geht hervor, dass von den Inlandsflügen 55 Prozent der von
und nach Berlin-Schönefeld gehenden Flüge und 93 Prozent der von und nach
Berlin-Tegel gehenden Flüge bei Realisierung der geplanten Schienenprojekte
innerhalb von sechs Stunden mit der Bahn erreichbar wären.

Sechs Monate nach Inbetriebnahme würde die Deutsche Flugsicherung GmbH
(DFS) analysieren, ob Optimierungen bei den Flugrouten möglich seien (Ant-
wort zu Frage 41).

Der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Dr. Peter Ramsauer
sprach sich im Zuge der Festlegung der Flugverfahren am BER dafür aus, dass
der Lärmschutz „soweit vertretbar, (…) vor Wirtschaftlichkeit gehen (sollte)“.
Der Bundesminister kritisierte die DFS dafür, dass sich diese gegen das
weiträumige Umfliegen von Potsdam ausgesprochen habe (www.maerkische
allgemeine.de/cms/beitrag/12082894/62249/Minister-kritisiert-eigene-Behoerde-
Ramsauer-rueffelt-die-Flugsicherung.html).

Am 26. Januar 2012 wurden die Flugverfahren für den BER offiziell vom Bun-
desaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) festgelegt. Im Vorfeld gab es im Zuge
der gesetzlich gebotenen Herstellung des Benehmens mit dem Umweltbundes-
amt (UBA) einen Dissens über die Präsentation der Stellungnahme des Umwelt-
bundesamtes. Dieses wollte seine Stellungnahme am 10. Januar 2012 öffentlich
präsentieren, um Transparenz im Verfahren zu wahren und das komplexe Gut-
achten zu erläutern. Diese am 6. Januar 2012 angekündigte Pressekonferenz
wurde nach Gesprächen zwischen dem Präsidenten des UBA, Jochen Flasbarth,
und dem zuständigen Staatssekretär beim Bundesministerium für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung (BMVBS), Prof. Klaus-Dieter Scheuerle, abgesagt. Am
Folgetag (11. Januar 2012) gab Staatssekretär Prof. Klaus-Dieter Scheuerle eine
Pressekonferenz und parallel veröffentlichte das UBA seine Stellungnahme im
Internet. Mittlerweile hat das UBA auch ein Rechtsgutachten zur „Prüfung von
formell- und materiell-rechtlichen Aspekten bei der Benehmensregelung zur

Festlegung von Flugrouten nach § 32 LuftVG zwischen UBA und BAF“ ver-
öffentlicht, das in Teilen für die Stellungnahme zum BER herangezogen worden
war.

In den Ausschusssitzungen des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwick-
lung und des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit des
Deutschen Bundestages am 18. Januar 2012 wurde der Ablauf um die Präsenta-

Drucksache 17/9856 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

tion der Stellungnahme des UBA ausgiebig thematisiert. Inhaltliche Fragen, die
mit der Benehmensäußerung im Zusammenhang stehen, wurden allerdings nicht
bzw. nur am Rande behandelt.

Eine der zentralen Aussagen des Gutachtens ist folgende: Das UBA „… hält
auch andere Flugroutenverläufe für möglich, um die Fluglärmsituation in der
Region Müggelsee zu verbessern.“

Sowohl im UBA-Gutachten „Lärmfachliche Bewertung der Flugrouten für den
Verkehrsflughafen Berlin Brandenburg (BER)“, als auch im aktuellen Berliner
Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU und in einem Antrag des Berliner Se-
nats an die Fluglärmkommission wird aus Lärmschutzgründen die Überprüfung
der Alternativroute über die Gosener Wiesen gefordert. Die DFS folgt dieser
Forderung bisher nicht und Staatssekretär Prof. Klaus-Dieter Scheuerle begrün-
det dies damit, dass im Planfeststellungsbeschluss die Betriebsform des un-
abhängigen Parallelbetriebes vorgesehen sei und es dem größten Flughafenkun-
den, Air Berlin, ohne diese Betriebsform nicht möglich wäre, in Schönefeld ein
Drehkreuz aufzubauen (Märkische Allgemeine „Das Dilemma ist einfach da“,
11. Januar 2012). Im Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Flughafens
Berlin-Schönefeld vom 13. August 2004 wurde trotz diesem vorgesehenen Be-
triebssystems immer von geradeaus verlaufenden Abflügen ausgegangen. Die
DFS präsentierte am 6. September 2010 jedoch erstmals Flugroutenvorschläge
für den BER, die nach dem Start abknickende Flugrouten vorsahen und berief
sich dabei auf eine Regel der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO,
die allerdings schon seit 1998 existiert und daher während der Planfeststellung
bereits bekannt war. Dass diese jetzt für die Inbetriebnahme des BER angeblich
unabdingbare Regelung im Planfeststellungsverfahren nicht berücksichtigt
wurde, führte bei der nun tatsächlich betroffenen Bevölkerung zur Verwehrung
ihres Rechts auf Teilnahme am Planfeststellungsverfahren.

Die Bürgerinitiative Friedrichshagen hat im November 2011 eine Fachaufsichts-
beschwerde beim BMVBS/BAF über die DFS eingereicht. Hauptpunkte darin
sind die Ungleichbehandlung von Ost und West bei der Planung und Korrektur
von Flugrouten für den BER, die Verletzung des Vertrauensschutzes, Verdacht
auf Täuschung der Öffentlichkeit, Verdacht auf Veränderung offizieller Pla-
nungsunterlagen ohne die Öffentlichkeit zu informieren sowie Verdacht auf Ver-
stoß gegen § 32b des Luftverkehrsgesetzes.

Der Müggelsee ist Teil des über 1 600 Hektar großen Natura 2000-Gebietes
Müggelsee-Müggelspree, welches ebenfalls als FFH (Flora-Fauna Habitat)-Ge-
biet gemeldet und zum Teil SPA (Special Protection Area)-Gebiet ist. Nach § 33
des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) sind „alle Veränderungen und Stö-
rungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets in
seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestand-
teilen führen können, (…) unzulässig“. Alle Projekte, die geeignet sind Natura
2000-Gebiete erheblich zu beeinträchtigen, sind nach § 34 BNatSchG vor ihrer
Zulassung und Durchführung auf ihre Verträglichkeit zu überprüfen. Dass dies
für den Müggelsee und weitere damalige FFH-Vorschlagsgebiete nicht gesche-
hen ist, wird im Planfeststellungsbeschluss 2004 (S. 849/850) damit begründet,
dass sich die Gebiete „außerhalb des Auswirkungsbereichs der jeweiligen vor-
habensbedingten Wirkungen befinden“ und „damit (…) die Beeinträchtigung
der Gebiete in ihren Erhaltungszielen oder den daraus abzuleitenden Schutz-
zweck maßgeblichen Bestandteilen offensichtlich auszuschließen (ist) …“.
Auch als die Müggelseeroute festgelegt wurde, ist keine Verträglichkeitsprüfung
durchgeführt worden. Ein Überflug dieser Gebiete würde nicht nur die festge-
legten Normen und Ziele gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für FFH-
Schutzgebiete erheblich verletzen, sondern auch einen Verstoß gegen den Arti-
kel 4 der EG-Wasserrahmenrichtlinie darstellen, nach dem „die Mitgliedstaaten

(die) notwendigen Maßnahmen durch(führen), um eine Verschlechterung des
Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern“. Das schließt die Ver-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9856

schmutzung durch prioritäre Stoffe, wie Benzol, welches neben anderen Schad-
stoffen Teil von Flugzeugemissionen ist, mit ein.

Die Route 25 der im Januar beschlossenen Flugverfahren (Müggelseeroute)
führt über die Brunnengalerien des Wasserwerks Friedrichshagen (173 Brun-
nen), die von überragender Bedeutung für die Trinkwasserversorgung Berlins
sind. Wesentliche Teile des Bezirks Treptow-Köpenick liegen in der Sicherheits-
zone 2 des BER, in der statistisch 25 Prozent aller Flugunfälle passieren.

Schon 1994 wies das Bezirksamt Köpenick in seiner Stellungnahme zu den An-
tragsunterlagen für das Raumordnungsverfahren mit integrierter Umweltver-
träglichkeitsprüfung zum Flughafen BER (S. 7) darauf hin, dass „(e)s erstaun-
lich (ist), daß in den Antragsunterlagen der Berlin Brandenburg Flughafen Hol-
ding GmbH (BBF) auf die Berliner Trinkwasserproblematik nicht eingegangen
wird. Insbesondere muß die Trinkwasserversorgung Berlins in die Störfallbe-
trachtung mit aufgenommen werden.“ und prognostiziert, dass „(a)llein durch
den Bodenbetrieb des Flughafens bei 327 000 Flugbewegungen im Jahr 2010
Emissionen von (…) 1907 t/a Kohlenwasserstoffe (…) und 3 t/a Rußpartikel.
(…) Aussagen darüber (…) (und) Ausbreitungsmodelle für die Luftschadstoffe
(…) fehlen in den Unterlagen.“. Diese Belastung wird sich durch die Schadstoff-
immissionen von Starts, Landungen und Überflüge über dieses Gebiet verviel-
fachen.

Auch in einer bisher wenig bekannten Stellungnahme der Wasserbehörde Berlin
zum Planfeststellungsverfahren aus dem Jahr 2000, die sich u. a. auf die Rein-
haltung der Oberflächengewässer und den Grundwasserschutz bezieht, wider-
spricht die Behörde der Umweltverträglichkeitsstudie, die zu dem Schluss
kommt, dass die Dahme und deren durchflossene Seen sowie der Müggelsee
nicht vertiefend in die Untersuchungen einzubeziehen sind, da keine erheblichen
Auswirkungen zu erwarten sind, folgendermaßen: „Dieser Feststellung muß
grundsätzlich widersprochen werden, da die Berliner Oberflächengewässer
(Stadtgebiet) durch einen Ausbau des Standorts Schönefeld betroffen sind (…)“
und listet dann eine Reihe begründeter Problempunkte auf, für die „keine oder
nur ungenaue Aussagen getroffen (wurden)“ und benennt die für eine Bewer-
tung der Auswirkungen notwendigen Untersuchungsparameter. Die Behörde
kritisiert ebenfalls, dass über den Eintrag von Verbrennungsrückständen in die
Oberflächenwassersysteme keine Angaben vorliegen, obwohl „sich die Oberflä-
chengewässer aber im unmittelbaren Bereich von Trinkwasserschutzzonen be-
finden bzw. selbst Trinkwasserschutzzone sind (und) entsprechende Angaben
hierzu unerlässlich (sind)“. Das Wasserschutzgebiet Friedrichshagen wurde in
den Kartenunterlagen des Planfeststellungsbeschlusses gar nicht eingetragen.
Die Wasserbehörde stellt fest, dass „(b)eim Überfliegen dieses Wasserschutz-
gebietes grundwasserbezogen mit nachteiligen Auswirkungen gerechnet werden
(muss). (…) Insoweit ist es nicht tolerierbar, dass das Wasserschutzgebiet
Friedrichshagen mit Landflächen und dem Müggelsee überflogen wird.“.

Im Abwägungsvermerk des BAF vom 26. Januar 2012 (S. 28 ff.) wird zu den
Themen Natur und Landschaft sowie Gewässerschutz lediglich festgehalten,
dass „im Planfeststellungverfahren die Auswirkungen des Flugbetriebs (…) ge-
prüft worden sind (und) angesichts des eindeutigen Bewertungsergebnisses kein
Anlass zu einer erneuten Prüfung der Belange von Natur und Landschaft (und
des Gewässerschutzes) im Rahmen der Flugverfahrensregelung (besteht)“.
Auch im Amtsblatt für Brandenburg Nr. 10. vom 14. März 2012, S. 353 wurde
veröffentlicht, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleibt.

Die nach BNatSchG geforderten Prüfungen gehen über eine Umweltverträglich-
keitsprüfung (UVP) nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung
(UVPG) hinaus und sollen sicherstellen, dass die Erhaltungsziele eines Gebietes

von gemeinschaftlicher Bedeutung oder eines Europäischen Vogelschutzgebie-
tes nicht beeinträchtigt werden.

Drucksache 17/9856 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Nach der Richtlinie 2002/49/EG über die Bewertung und Bekämpfung von Um-
gebungslärm ist für Großflughäfen ab 50 000 Starts und Landungen eine
Lärmkartierung verpflichtend. Nach einem Schreiben der Europäischen Kom-
mission auf die Petition 1085/2007 an das Europäische Parlament hätte die Lan-
desregierung die Lärmkartierung mit Frist zum 30. Juni 2007 für den Flughafen
Schönefeld vorlegen müssen.

Die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesregierung, ist mit
einem Anteil von 26 Prozent Gesellschafterin der Flughafen Berlin Schönefeld
GmbH (FBB)/Berliner Flughafen-Gesellschaft mbH (BFG). Zwei Staatssekre-
täre, aus dem Bundesministerium der Finanzen und aus dem Bundesministerium
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, vertreten als Mitglieder der Bundesre-
gierung im Aufsichtsrat der FBB die Interessen des Gesellschafters Bund. Die
Bundesregierung ist somit als Vertreterin des Gesellschafters Bund an der FBB/
BFG, Vertreterin des 100-prozentigen Eigners Bund an der DFS und in Form des
BMVBS weisungsbefugte Aufsichtsbehörde des BAF, das die Flugrouten fest-
gelegt hat, in mehrfacher Funktion für diese Fehlentwicklungen zuständig und
mitverantwortlich.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Strategien verfolgt die Bundesregierung, um die am neuen Großflug-
hafen zu erwartenden Verkehre auf den Verkehrsträger Schiene umzuleiten?

Werden die Bemühungen der Bundesregierung evaluiert?

2. Gab es, vor dem Hintergrund der Antwort der Bundesregierung zu Frage 31
der Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache
17/8514, wonach dem „BMVBS (…) gegenüber dem BAF die allgemein
anerkannten Instrumente der Rechts- und Fachaufsicht zu(stehen), wozu
auch der Erlass von Weisungen gehört“, bezüglich der Flugverfahren am
BER Weisungen aus dem BMVBS ans BAF?

Wenn ja, welche, und gab es insbesondere Weisungen, bestimmte Gebiete
nicht zu überfliegen (bitte gegebenenfalls die Gebiete benennen)?

3. Gab es Weisungen oder Vorgaben sonstiger Art an die DFS, das bestimmte
Gebiete nicht überflogen werden sollen (bitte gegebenenfalls die Gebiete be-
nennen)?

4. In welcher Funktion und auf Basis welcher fachlichen Bewertung kritisierte
Bundesminister Dr. Peter Ramsauer am 10. Mai 2011 die weisungsungebun-
dene DFS für ihre Aussagen zu Vorschlägen aus der Fluglärmkommission?

5. Auf Basis welcher rechtlichen Auffassung vertrat Bundesminister Dr. Peter
Ramsauer die Auffassung, dass Lärmschutz vor Wirtschaftlichkeit gehen
solle?

6. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag einer gesetzlichen Ände-
rung, mit der bei der Festlegung von Flugverfahren mit dem UBA statt eines
Benehmens ein Einvernehmen hergestellt werden müsste?

7. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag einer rechtlichen Ände-
rung, mit der das UBA wie das BAF und die DFS zu allen Sitzungen von
Fluglärmkommissionen einzuladen wäre?

8. Welche Parameter werden bei der angekündigten Überprüfung der Flugrou-
ten sechs Monate nach Inbetriebnahme beachtet (Zahl der Betroffenen, Zahl
der Starkbetroffenen, Zahl der Doppeltbelasteten, Wirtschaftlichkeit einer
Route, Zahl der Betroffenen ohne ausreichenden Schallschutz, weitere)?

9. Wird die Fluglärmkommission an der Überprüfung der Flugrouten beteiligt?

Wenn ja, in welchen Verfahrensschritten wird sie wie beteiligt?
Wenn nein, warum nicht?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/9856

10. Werden während der Evaluierungsdauer der festgelegten Flugrouten auch
Alternativen geprüft, die keine 15 Grad Divergenz der Routen nach dem
Start vorsehen, dafür aber die Anzahl der Lärmbetroffenen reduzieren wür-
den?

11. Werden Parallelstarts mit einem längeren Geradeausflug, nach dem Münch-
ner Modell, eine Alternative sein, die während der Evaluationsphase der
festgelegten Routen praktisch geprüft wird?

12. Teilt die Bundesregierung die rechtliche Einschätzung im o. g. Rechtsgut-
achten im Auftrag des UBA (S. 81), dass „die personelle Ausstattung der
örtlichen Flugsicherung (…), soweit sie nicht als Aspekte der Sicherheit des
Flugverkehrs einzuordnen sind, lediglich als sonstige in die Abwägung ein-
zubeziehende Umstände zu berücksichtigen sind“ (Begründung)?

13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass bei der Festlegung von
Flugverfahren der Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm gegenüber den An-
forderungen an die personelle Ausstattung der DFS bzw. der jeweiligen
Flugsicherungsorganisation Vorrang genießt (Begründung)?

14. Wie prüft die Bundesregierung bzw. das BAF bei der Festlegung von Flug-
verfahren, inwieweit die DFS den Aspekt der Personalausstattung bei ihren
Vorschlägen für Flugverfahren zu Grunde legt?

15. Warum hat die DFS jeweils für die Betriebsrichtungen 07 und 25 (Radarfüh-
rungsstrecken) Alternativen verworfen, weil dadurch die Kapazität des Zu-
führungslotsen überschritten worden wäre (s. Lärmfachliche Bewertung der
Flugrouten für den Verkehrsflughafen Berlin Brandenburg (BER), UBA
2012, S. 21f.)?

a) Wie bewertet die Bundesregierung dies?

b) Wie bewertet die Bundesregierung die Ablehnung der jeweils gewählten
Routenfestlegungen durch das UBA?

16. Teilt die Bundesregierung die rechtliche Einschätzung im o. g. Rechtsgut-
achten im Auftrag des UBA (S. 94), dass den Procedures for Air Navigation
Services – Aircraft Operations (PANS-OPS) als Veröffentlichungen der
ICAO keine rechtliche Bindung zukommt, sondern dass ein „abweichendes
Verhalten eines Vertragsstaates (…) aufgrund örtlicher Gegebenheiten oder
sonstiger wesentlicher Anforderungen (möglich ist)“ (Begründung)?

17. Was bedeutet diese rechtliche Bewertung für die Vorgabe der Abweichung
von 15 Grad nach dem Start?

18. Inwieweit wurde von wem beim der Festlegung der Flugverfahren für den
BER geprüft, ob eine Abweichung von der Vorgabe der Abweichung von
15 Grad nach dem Start möglich ist?

19. Warum entschieden sich die DFS und das BAF gegen eine Abweichung von
dieser Vorgabe?

20. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der unabhängige Parallel-
betrieb bei der tatsächlich gebauten und nach der Eröffnung verfügbaren
Abfertigungskapazität notwendig ist (Begründung)?

21. Seit wann hat die DFS die Erkenntnis, dass die Müggelseeroute alternativlos
ist, und warum wurde den Bürgern erst nach Abschluss der Beratungen der
Fluglärmkommission am 4. Juli 2011 mitgeteilt, dass die Müggelseeroute
gewählt wurde?

22. Warum wurde die Alternativroute über die Gosener Wiesen bisher nicht ge-
prüft, obwohl die Zahl der Fluglärmbetroffenen dadurch deutlich geringer

wäre und dies in der Lärmfachlichen Bewertung des UBA, dem aktuellen

Drucksache 17/9856 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Koalitionsvertrag von Berlin und einem Antrag des Berliner Senats an die
Fluglärmkommission gefordert wird?

23. Hat das BAF schon auf die Fachaufsichtsbeschwerde der Friedrichshagener
Bürgerinitiative reagiert?

Wenn ja, wie?

Wenn nein, warum nicht, bzw. wie ist der Zwischenstand der Prüfung der
Beschwerde?

24. Welche konkreten Folgen hatte die Aussage „(…) man (hat) den Leuten bei
den Flugrouten etwas anderes erzählt, als am Ende rausgekommen ist. So
geht das nicht.“ von Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer in Bezug
auf die Müggelseeroute (Interview in der Süddeutschen Zeitung am 22. No-
vember 2011)?

25. Wie schlägt sich der Umweltschutz konkret im Businessplan der FBS nieder
(siehe Antwort zu Frage 61 der Großen Anfrage auf Bundestagsdrucksache
17/8514)?

26. Welche Regelungen gelten am BER für voraussichtlich nach 0.00 Uhr ver-
spätet oder vor 5.00 Uhr verfrüht anfliegende Maschinen?

a) Werden diese auf andere Flughäfen umgeleitet, und wenn ja, auf welche?

b) Unter welchen Bedingungen wird solchen Flügen, falls diese nicht um-
geleitet werden sollen, eine Landung erlaubt, und gibt es Sanktionen für
die Fluggesellschaften?

27. Wie viele Flüge sind in den Jahren 2010 und 2011 jeweils in Berlin-Schö-
nefeld und Berlin-Tegel jeweils zwischen 0.00 und 5.00 Uhr gelandet, wie
viele davon fallen unter die für den BER geltenden Ausnahmebestimmun-
gen, und wie viele Flüge, die unter die Ausnahmeregelungen fallen, werden
zukünftig jährlich in der Zeit zwischen 0.00 und 5.00 Uhr erwartet (Begrün-
dung)?

28. Welche konkreten wirtschaftlichen Gründe sprechen aus Sicht des Gesell-
schafters Bund gegen ein Nachtflugverbot von 22.00 bis 6.00 Uhr am BER?

29. Sind wirtschaftliche Beeinträchtigungen mit der vom Bundesverwaltungs-
gericht für den BER verhängten Nachtflugregelung verbunden?

Wenn ja, welche?

30. Wurden die nach Richtlinie 2002/49/EG (Umgebungslärmrichtlinie) erfor-
derlichen Lärmkarten inzwischen erstellt?

Wenn nein, welchen Grund hat die Verzögerung, und bis wann wird die
Lärmkartierung erfolgen?

Wenn ja, wo sind sie einzusehen?

31. Warum fallen die nach Festlegung der Flugverfahren im Januar 2012 fest-
gelegten Tag-Lärmschutzzonen mit einem Dauerschallpegel über 60 dB(a)
wesentlich kleiner aus, als die im Planfeststellungsbeschluss von 2004 vor-
gesehenen?

32. Wie kann die Bundesregierung erklären, dass zwischen den in der Lärm-
fachlichen Bewertung des UBA (Tabelle 3) aufgeführten Betroffenenzahlen
der DFS aus dem Abwägungspaket I und den in Tabelle 5 aufgeführten Be-
troffenenzahlen aus eigenen Berechnungen des UBA große Differenzen
hinsichtlich der Betroffenenzahlen auftreten?

33. Warum werden in der Lärmfachlichen Bewertung des UBA Routen mit bis

zu 220 000 Flugbewegungen anstelle der planfestgestellten 360 000 bewer-
tet?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 7 – Drucksache 17/9856

34. Welche Untersuchungen zur Schallausbreitung und -verstärkung über großen
Wasserflächen existieren, welche Erkenntnisse wurden daraus gewonnen,
und wie sind deren Ergebnisse mit in die Festsetzung der Schallschutzzonen
eingeflossen?

35. Welche Untersuchungen zur Schallausbreitung und -verstärkung über großen
Wasserflächen laufen derzeit oder sind geplant, in wessen Auftrag finden
diese Untersuchungen statt, und wer führt sie durch?

36. Ist der Bundesregierung bekannt, dass die festgelegten Flugrouten über das
FFH-Gebiet Müggelsee-Müggelspree nicht durch die Festlegungen und die
Naturschutzziele des Planfeststellungsbeschlusses zum Ausbau des Flugha-
fens Berlin-Schönefeld gedeckt sind?

37. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass für die Inbetriebnahme des
Flughafens BER eine vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung nach §§ 34
und 35 BNatSchG für sämtliche geschützte betroffene Gebiete notwendig
ist, um nicht gegen geltendes Europäisches Recht und Bundesrecht zu ver-
stoßen?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, in welcher Verantwortung hat diese Prüfung aus Sicht der Bundes-
regierung zu erfolgen?

38. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob eine vom BER unabhängige
Verträglichkeitsprüfung für alle FFH- und SPA-Gebiete Berlins existiert,
die das Überfliegen des Müggelsee-Müggelspree-FFH-Gebietes erlaubt?

39. Welche Art der Kompensation ist für die Beeinträchtigungen des Zustandes
des FFH-Gebietes vorgesehen, und welche Teile davon wurden bereits ge-
leistet?

40. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Überflug des Müggel-
sees durch die Schadstoffemissionen der Flugzeuge den Umweltzielen der
EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) widerspricht?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, was unternimmt die Bundesregierung, um dem entgegenzuwirken
und die Ziele der WRRL in geforderter Qualität umzusetzen?

41. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass bei Beibehaltung der festge-
setzten Flugrouten über den Müggelsee, die Müggelspree und der Dahme
Einträge gemäß §7(1) Pkt 1. der Wasserschutzgebietsverordnung Fried-
richshagen mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgen werden und somit gegen
die Verordnung zur Festsetzung des Wasserschutzgebietes für das Wasser-
werk Friedrichshagen vom 31. August 1999 bzw. gegen den § 22 des
Berliner Wassergesetzes in der Fassung vom 3. März 1989 (GVBl. S. 605),
zuletzt geändert durch Artikel IV des Gesetzes vom 9. Juni 1999 (GVBl.
S. 200), in Verbindung mit § 19 des Wasserhaushaltsgesetzes in der Fassung
vom 12. November 1996 (BGBl. I S. 1695), zuletzt geändert durch Artikel 2
des Gesetzes vom 25. August 1998 (BGBl. I S. 2455) offensichtlich ver-
stoßen wird?

42. Sind der Bundesregierung die Stellungnahme der Wasserbehörde Berlin
zum Planfeststellungsverfahren für das Vorhaben „Ausbau des Verkehrs-
flughafens Berlin-Schönefeld“ (VIII D 24 – 6750a / 94) und die Stellung-
nahme des Bezirksamtes Köpenick zu den Vertragsunterlagen für das Raum-
ordnungsverfahren mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung zum
Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI) bekannt?
43. Wurden nach Kenntnis der Bundesregierung Katastrophenschutzpläne für
den Fall eines möglichen Flugunfalls in den Trinkwasserschutzgebieten er-

Drucksache 17/9856 – 8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
arbeitet, um eine Verunreinigung des Grundwassers zu vermeiden bzw. zu
begrenzen?

Wenn ja, welche Pläne wurden erstellt, wann wurden diese Pläne erstellt,
und wo sind sie veröffentlicht?

Wenn nein, warum wurden keine Katastrophenschutzpläne erstellt, und
wann wird dies nachgeholt?

44. Wessen Angelegenheit sind die Kosten für Ausgleichszahlungen wie z. B.
der Lärmrente noch, wenn sie „vorrangig Angelegenheit des Flughafen-
betreibers und der Genehmigungsbehörde“ sind (siehe Antwort der Bundes-
regierung zu den Fragen 58 und 59 der Großen Anfrage auf Bundestags-
drucksache 17/8514)?

45. Welche Kriterien sollten aus Sicht der Bundesregierung bei einem Gesund-
heitsmonitoring im Umfeld eines Flughafens unbedingt berücksichtigt
werden, und welche Aspekte hält die Bundesregierung darüber hinaus für
sinnvoll, um die Auswirkungen des Flugbetriebes auf die menschliche Ge-
sundheit zu beurteilen?

46. Wie sieht die Beteiligung des BER an der Lärmwirkungsstudie im Umland
des Flughafens Frankfurt konkret aus (siehe Antwort der Bundesregierung
zu den Fragen 63 und 64 der Großen Anfrage auf Bundestagsdrucksache
17/8514)?

47. Geht die Bundesregierung davon aus, dass die Ergebnisse der Lärmwir-
kungsstudie im Umland des Flughafens Frankfurt dazu geeignet sind, stand-
ortspezifische Gesundheitsrisiken im Umland des Flughafens BER umfas-
send zu beurteilen?

Wenn nein, hält die Bundesregierung dann ein auf die Standortbedingungen
des BER zugeschnittenes Gesundheitsmonitoring für notwendig, oder wel-
che zusätzlichen Untersuchungen müssten aus Sicht der Bundesregierung
über die Lärmwirkungsstudie in Frankfurt hinaus am Flughafen BER durch-
geführt werden?

Wenn ja, wie sieht die Bundesregierung die standortspezifischen Unter-
schiede zwischen den Flughäfen Frankfurt und Berlin berücksichtigt?

Berlin, den 30. Mai 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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