BT-Drucksache 17/9807

Neustrukturierung der europäischen Förderprogramme für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport

Vom 23. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9807
17. Wahlperiode 23. 05. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Jan Korte, Diana Golze, Agnes Alpers,
Nicole Gohlke, Katrin Kunert, Jens Petermann, Kathrin Senger-Schäfer,
Dr. Petra Sitte und der Fraktion DIE LINKE.

Neustrukturierung der europäischen Förderprogramme für allgemeine
und berufliche Bildung, Jugend und Sport

Ab 2014 sollen die Förderprogramme der Europäischen Union (EU) in den Be-
reichen allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport neu strukturiert
und unter dem Dach „Erasmus für alle“ zusammengefasst werden. Die Europä-
ische Kommission hat hierfür am 25. November 2011 einen Vorschlag für eine
entsprechende Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates vorge-
legt (KOM(2011) 788), der im Rat Bildung, Jugend, Kultur und Sport der Euro-
päischen Union am 11. Mai 2012 beraten wurde. Bereits im Vorfeld hatte der
Vorsitz des Rates aufgrund kritischer Rückmeldungen aus den Mitgliedstaaten
einen Kompromissvorschlag für die Verordnung unterbreitet (Rats-Drucksache
6792/12).

Die geplante Zusammenfassung der bisherigen Förderprogramme in den Berei-
chen Schule (Comenius und eTwinning), Hochschule (Erasmus und Erasmus
Mundus sowie Jean Monnet), Berufsausbildung (Leonardo da Vinci) und Er-
wachsenenbildung (Grundtvig), des Querschnittsprogramms zur Förderung des
lebenslangen Lernens, des Programms Jugend in Aktion und der kürzlich gestar-
teten EU-Förderlinie im Bereich des Sports wirft unter anderem die Fragen auf,
inwieweit sich die Ziele und Leitlinien der EU-Förderpolitik für die einzelnen
Bereiche in diesem Rahmen verändern, welche neuen Möglichkeiten durch die
Zusammenführung der unterschiedlichen Bereiche entstehen und inwieweit die
Gefahr besteht, dass Förderbereiche mit einer schwächeren Lobby in den Hin-
tergrund gedrängt werden. Hierüber hinaus ist bislang offen, welche Schwer-
punkte die Bundesregierung im Rahmen der Neustrukturierung der EU-Förder-
politik für die Umsetzung in Deutschland setzen will.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Unterstützt die Bundesregierung das Vorhaben der Europäischen Kommis-
sion, die Förderprogramme in den Bereichen allgemeine und berufliche Bil-
dung, Jugend und Sport ab 2014 unter einem gemeinsamen Dach zusammen-

zuführen (bitte begründen)?

2. Hält die Bundesregierung den Namen „Erasmus“, der bisher mit der Förde-
rung der Hochschulbildung assoziiert wird, für einen geeigneten Titel für ein
neues Programm, welches neben der Hochschulbildung auch die Schulbil-
dung, die berufliche Aus- und Weiterbildung, die allgemeine Erwachsenen-
bildung, die Jugendarbeit sowie den Sport umfassen soll?

Drucksache 17/9807 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. a) Unterstützt die Bundesregierung das Anliegen, durch eine Zusammenfüh-
rung der bisherigen Förderprogramme im betreffenden Bereich, diejeni-
gen Programme in den Mittelpunkt zu rücken, die den „stärksten Multi-
plikatoreneffekt“ erzielt haben (vgl. KOM(2011) 788) (bitte begründen)?

b) Welche der betreffenden Förderprogramme haben aus Sicht der Bundes-
regierung in den vergangenen Jahren den stärksten Multiplikatoreneffekt
erzielt?

c) Welche der betreffenden Förderprogramme werden aus Sicht der Bundes-
regierung in den kommenden Jahren den stärksten Multiplikatoreneffekt
erzielen?

4. a) Unterstützt die Bundesregierung das Anliegen, durch eine Zusammenfüh-
rung der bisherigen Förderprogramme im betreffenden Bereich zu errei-
chen, dass sich die „Investitionen deutlich besser rentieren“ (vgl.
KOM(2011) 788) (bitte begründen)?

b) Wie lässt sich aus Sicht der Bundesregierung die „Rendite“ der betreffen-
den EU-Förderprogramme bemessen?

c) Welche der betreffenden Förderprogramme haben aus Sicht der Bundes-
regierung in den vergangenen Jahren die beste „Rendite“ erzielt?

d) Welche der betreffenden Förderprogramme werden aus Sicht der Bundes-
regierung in den kommenden Jahren die beste „Rendite“ erzielen?

5. a) Inwieweit werden sich die Ziele und Leitlinien der Förderprogramme im
Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung durch die Überführung
in das neue Programm „Erasmus für alle“ verändern?

b) Bilden die Ziele der auf wirtschaftliches Wachstum fokussierten euro-
päischen Strategie „Europa 2020“, auf deren Verwirklichung das neue
Programm „Erasmus für alle“ ausgerichtet sein soll, aus Sicht der Bundes-
regierung eine angemessene Leitlinie für die bildungspolitischen Förder-
programme der EU (bitte begründen)?

6. a) Inwieweit werden sich die Ziele und Leitlinien der Förderprogramme im
Bereich Jugend durch die Überführung in das neue Programm „Erasmus
für alle“ verändern?

b) Bilden die Ziele der auf wirtschaftliches Wachstum fokussierten euro-
päischen Strategie „Europa 2020“, auf deren Verwirklichung das neue
Programm „Erasmus für alle“ ausgerichtet sein soll, aus Sicht der Bundes-
regierung eine angemessene Leitlinie für die jugendpolitischen Förderpro-
gramme der EU (bitte begründen)?

7. a) Inwieweit werden sich die Ziele und Leitlinien der Förderprogramme im
Bereich Sport durch die Überführung in das neue Programm „Erasmus für
alle“ verändern?

b) Bilden die Ziele der auf wirtschaftliches Wachstum fokussierten euro-
päischen Strategie „Europa 2020“, auf deren Verwirklichung das neue
Programm „Erasmus für alle“ ausgerichtet sein soll, aus Sicht der Bundes-
regierung eine angemessene Leitlinie für die sportpolitischen Förderpro-
gramme der EU (bitte begründen)?

8. a) In welchem Umfang sind in den vergangenen zehn Jahren Fördermittel in
die einzelnen Bereiche geflossen (bitte nach den einzelnen Bildungsberei-
chen, Jugend und Sport, nach europäischer und nationaler Ebene sowie
nach Jahren aufschlüsseln)?

b) Wie sollten sich aus Sicht der Bundesregierung in Deutschland die Förder-

mittel in den kommenden Jahren auf die einzelnen Bereiche verteilen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9807

9. a) Wie viele Personen konnten in den vergangenen zehn Jahren in den ein-
zelnen Bereichen jeweils gefördert werden (bitte nach den einzelnen Bil-
dungsbereichen, Jugend und Sport, nach europäischer und nationaler
Ebene sowie nach Jahren aufschlüsseln)?

b) Wie sollte sich aus Sicht der Bundesregierung in Deutschland die Anzahl
der geförderten Personen in den einzelnen Bereichen in den kommenden
Jahren verteilen?

10. Wie kann aus Sicht der Bundesregierung gewährleistet werden, dass die
geplante Zusammenführung der Förderprogramme in den Bereichen all-
gemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport nicht dazu führt, dass
Förderbereiche mit einer schwächeren Lobby in den Hintergrund gedrängt
werden?

11. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Förderung gerade
in denjenigen Bereichen zu stärken, die bisher unterproportional von den
Fördermitteln partizipiert haben?

12. a) Wie beurteilt die Bundesregierung die durch den Vorsitz des Rates in
seinem Kompromisstext (Rats-Drucksache 6792/12) vorgeschlagenen
Mindestanteile für die einzelnen Förderbereiche?

b) Teilt die Bundesregierung die Kritik des Hauptausschusses des Bundes-
instituts für Berufsbildung (BIBB), dass der Vorschlag der Europäischen
Kommission den arbeitsmarktpolitischen Herausforderungen nicht ge-
recht wird, indem er eine Verschiebung der Finanzmittel zu Lasten der
beruflichen Bildung und zugunsten der Hochschulbildung vorsieht (vgl.
Stellungnahme des BIBB-Hauptausschusses vom 21. März 2012) (bitte
begründen)?

c) Unterstützt die Bundesregierung die Forderung des BIBB-Hauptaus-
schusses, den Mindestanteil der beruflichen Bildung am Programmbud-
get auf 25 Prozent anzuheben (bitte begründen)?

d) Hält die Bundesregierung den geplanten Mindestanteil der allgemeinen
Erwachsenenbildung von gerade einmal 2 Prozent für angemessen (bitte
begründen)?

13. a) Teilt die Bundesregierung die Auffassung des BIBB-Hauptausschusses,
dass der Zugang zu den EU-Förderprogrammen insbesondere für kleine
und mittlere Unternehmen sowie für kleinere Bildungseinrichtungen er-
leichtert werden muss, und welche Maßnahmen plant sie hierzu?

b) Teilt die Bundesregierung die Auffassung des BIBB-Hauptausschusses,
dass die Förderung von Maßnahmen, die Übergänge zwischen den Bil-
dungsbereichen erleichtern, nachhaltiger im neuen Programm „Erasmus
für alle“ verankert werden sollte, und setzt sie sich hierfür auf
europäischer Ebene ein (bitte begründen)?

c) Teilt die Bundesregierung die Auffassung des BIBB-Hauptausschusses,
dass eine Beteiligung der Sozialpartner im Programmausschuss auch im
neuen Förderprogramm unbedingt gewährleistet werden muss, und setzt
sie sich hierfür auf europäischer Ebene ein (bitte begründen)?

14. a) Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die soziale
Zusammensetzung des durch die betreffenden Programme geförderten
Personenkreises vor (bitte nach den einzelnen Bildungsbereichen, Ju-
gend und Sport aufschlüsseln)?

b) Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um Menschen aus
finanzschwachen (Eltern-)Haushalten im Rahmen der betreffenden

Förderprogramme gezielt stärker anzusprechen?

Drucksache 17/9807 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

c) Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um junge Menschen,
deren Eltern nicht über höhere Bildungsabschlüsse verfügen, im Rah-
men der Förderprogramme gezielt stärker anzusprechen?

d) Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um geringer qualifi-
zierte Menschen im Rahmen der Förderung von Erwachsenenbildung
gezielt stärker anzusprechen?

15. a) In welcher Höhe werden Lernende, die an den betreffenden EU-Förder-
programmen teilnehmen, derzeit gefördert (bitte nach Schülerinnen und
Schülern, Auszubildenden, Studierenden sowie Teilnehmerinnen und
Teilnehmern an Erwachsenenbildung aufschlüsseln)?

b) Hält die Bundesregierung die Höhe der Förderung von Lernenden im
Hinblick auf deren Bedarf zur Deckung des Lebensunterhaltes sowie
ausbildungs- und mobilitätsbezogener Kosten für angemessen (bitte nach
Schülerinnen und Schülern, Auszubildenden, Studierenden sowie Teil-
nehmerinnen und Teilnehmern an Erwachsenenbildung aufschlüsseln)?

c) Unterstützt die Bundesregierung die von der Mitgliederversammlung
des Deutschen Studentenwerkes e. V. 2011 beschlossene Forderung, die
Fördersätze für Studierende zu erhöhen, und setzt sie sich auf europäi-
scher Ebene für eine Erhöhung der Fördersätze für Studierende ein (bitte
begründen)?

16. a) Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag der Europäischen Kom-
mission, dass die EU im Rahmen des Programmes „Erasmus für alle“
eine Teilgarantie für Darlehen gewähren sollte, welche Studierende auf-
nehmen, um ein Masterstudium im Ausland zu absolvieren (bitte be-
gründen)?

b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Auffor-
derung des Deutschen Studentenwerkes e. V., anstelle von Kreditbürg-
schaften Zuschüsse für Master-Studierende zu schaffen (vgl. Beschluss
der Mitgliederversammlung des Deutschen Studentenwerkes e. V. 2011)?

c) Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Deutschen Studentenwer-
kes e. V., dass eine Mobilitätssteigerung nur erreicht werden kann, wenn
ein Auslandsstudium keine finanzielle Hürde darstellt, und dass aus die-
sem Grund eine bedarfsdeckende Höhe der Mobilitätszuschüsse ange-
strebt werden sollte (bitte begründen)?

d) Ist es aus Sicht der Bundesregierung sinnvoll, durch die Übernahme von
Kreditbürgschaften für die EU-Mitgliedstaaten Anreize zu schaffen, die
Studienfinanzierung über Kredite zu organisieren, um damit die Förder-
möglichkeiten der EU auszuschöpfen (bitte begründen)?

e) Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass eine Zunahme von
Kreditmodellen für die Studienfinanzierung gerade junge Menschen aus
finanzschwachen und nicht-akademischen Elternhäusern von einem
Studium abschrecken wird, und welche Konsequenzen zieht sie hieraus
für die Perspektiven der Studienfinanzierung (bitte begründen)?

17. Wird die Bundesregierung sich dafür einsetzen, dass die von der Euro-
päischen Kommission vorgeschlagene Aufstockung der finanziellen Mittel
für die Förderprogramme im betreffenden Bereich auf insgesamt 19,1 Mrd.
Euro für die Laufzeit von 2014 bis 2020 in der Finanzplanung tatsächlich
eingestellt wird (bitte begründen)?

18. a) Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag der Europäischen
Kommission, dass es in jedem Mitgliedstaat nur noch eine nationale

Agentur geben soll, die die zusammengeführten Programme betreut?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/9807

b) Welche Institution sollte nach Auffassung der Bundesregierung bei einer
Zusammenführung der Förderprogramme die Rolle der nationalen
Agentur übernehmen?

19. a) Welches Bundesministerium wird nach einer Zusammenlegung der EU-
Förderprogramme in den Bereichen allgemeine und berufliche Bildung,
Jugend und Sport die Federführung für die Umsetzung des neuen Pro-
grammes „Erasmus für alle“ haben?

b) Welche weiteren Bundesministerien werden an der Umsetzung welcher
Förderlinien von „Erasmus für alle“ in welcher Form beteiligt sein?

Berlin, den 23. Mai 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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