BT-Drucksache 17/967

Konflikte um Kinderlärm

Vom 5. März 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/967
17. Wahlperiode 05. 03. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katja Dörner, Bettina Herlitzius, Ekin Deligöz, Kai Gehring,
Priska Hinz (Herborn), Agnes Krumwiede, Monika Lazar, Tabea Rößner und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Konflikte um Kinderlärm

Laute Geräusche sind eine natürliche Begleiterscheinung und entwicklungsnot-
wendige Ausdrucksform kindlichen Verhaltens. Wichtige motorische und so-
ziale Fähigkeiten entwickeln sich beim Spielen. Auch wenn eine von Kindern
ausgehende Geräuschkulisse im Einzelfall als störender Lärm empfunden
werden kann, so ist es dennoch ein Phänomen, das nicht generell unterdrückt
beziehungsweise unvorsichtig und unverhältnismäßig beschränkt werden darf.
Durch Spielen und Bewegung von Kindern und Jugendlichen ausgehende Ge-
räusche sind in einer kinderfreundlichen Gesellschaft in der Regel als sozial-
adäquat zu akzeptieren. Ihre Bedeutung für die Entwicklung von Kindern muss
allgemein bewusst sein. Dennoch berichten die Medien immer wieder über
Gerichtsurteile, mit denen der Betrieb von Kindertagesstätten aufgrund des ein-
hergehenden Lärms eingeschränkt, mit erheblichen Auflagen versehen oder
sogar verboten wird. Berichte wie diese schaffen eine erhebliche Unsicherheit
bei Kommunen, Betreibern der Kindertagesstätten und betroffenen Eltern. Sie
werfen die Frage auf, wie kindergerecht Deutschland ist.

Dies muss auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die Bundesregie-
rung 2005 mit dem Nationalen Aktionsplan „Für ein kindgerechtes Deutsch-
land 2005–2010“ eine Vielzahl von Initiativen für kindgerechtere und kinder-
freundlichere Bedingungen auf den Weg gebracht hat und mit dem Kinder-
förderungsgesetz bis 2013 ein erheblicher Ausbau der Betreuungsangebote für
Kinder unter drei Jahren geplant ist. Eine in Teilen kinderentwöhnte oder gar
kinderfeindliche Gesellschaft stehen dem Anspruch, ein kindgerechtes und
familienfreundliches Deutschland zu schaffen, entgegen.

In der 16. Legislaturperiode verabschiedete der Deutsche Bundestag den Antrag
„Die Zulässigkeit von Kindertagesstätten in reinen Wohngebieten verbessern“
(Bundestagsdrucksache 16/13624), in dem die Bundesregierung aufgefordert
wird, die Baunutzungsordnung dahingehend zu ändern, dass Kindertagesstätten
in reinen Wohngebieten allgemein zulässig sind.

Bisher sieht das Baugesetzbuch bzw. die Baunutzungsverordnung für reine

Wohngebiete eine ausnahmsweise Zulässigkeit von Anlagen für soziale Zwecke
vor, die von Gemeinden durch eine entsprechende Festlegung im Bebauungs-
plan in eine allgemeine Zulässigkeit umgewandelt werden kann. Das betrifft
u. a. Kindergärten, Kinderspielplätze und ähnliche Einrichtungen.

Drucksache 17/967 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, nach denen es eine
Zunahme der vor Gericht anhängigen Verfahren gibt, bei denen die Ge-
räuschimmissionen von Kindern oder Jugendlichen Grund der Auseinan-
dersetzung sind?

Wenn ja, liegen der Bundesregierung differenziertere Informationen da-
rüber vor, in wie vielen Fällen es bei den Auseinandersetzungen um Kinder-
tagesbetreuungseinrichtungen, um Spielplätze, Schulen (bzw. Pausenhöfe),
Skateanlagen, Fußballplätze oder ähnliche Anlagen oder aber um Streitig-
keiten zwischen Wohnungs- bzw. Hausnachbarn geht?

Wenn nein, welche Einschätzung hat die Bundesregierung zur Entwicklung
dieser Problematik?

2. Wann wird die Bundesregierung den Beschluss des Deutschen Bundestages
zum Antrag „Die Zulässigkeit von Kindertagesstätten in reinen Wohn-
gebieten verbessern“ (Bundestagsdrucksache 16/13624) umsetzen?

3. Wie und an welcher Stelle beabsichtigt die Bundesregierung die Bau-
nutzungsverordnung bzw. das Baugesetzbuch zu verändern?

4. Inwiefern unterscheidet sich nach Auffassung der Bundesregierung der Be-
schluss zum Antrag „Die Zulässigkeit von Kindertagesstätten in reinen
Wohngebieten verbessern“ (Bundestagsdrucksache 16/13624) von der Ver-
abredung im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vom
26. Oktober 2009, S. 68 „(…), dass Kinderlärm keinen Anlass für gericht-
liche Auseinandersetzungen geben darf“?

5. Handelt es sich nach Auffassung der Bundesregierung bei der Problematik
des Kinderlärms überwiegend um verhaltensbezogenen Lärm oder um an-
lagenbezogenen Lärm (bitte ggf. differenzieren nach Einrichtungen bzw.
Anlagen, wie Kindertagesbetreuungseinrichtungen, Spielplätze, Schulen
(bzw. Pausenhöfe), Skateanlagen, Fußballplätze oder ähnliche Anlagen)?

6. Für welche der in Frage 1 aufgeführten Einrichtungen bzw. Anlagen be-
steht nach Auffassung der Bundesregierung die Gesetzgebungskompetenz
des Bundes im Hinblick auf Lärmschutz?

7. Sind Kindertageseinrichtungen nach Auffassung der Bundesregierung An-
lagen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes?

8. Wer hat nach Auffassung der Bundesregierung die Regelungskompetenz
für den sog. Kinderlärm, so dieser im Zusammenhang mit Kindertages-
betreuungseinrichtungen oder Schulen steht?

9. Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Dr. Franz-Josef Feldmann
vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit,
der die Regelungskompetenz des Bundes für den Bereich (Kinder-)Lärm
von Kindertagesstätten eröffnet sieht (so vertreten auf einer Anhörung der
Kinderkommission des Deutschen Bundestages am 21. März 2007, Wort-
protokoll Nr. 16/19)?

Wenn nein, warum nicht?

10. Wie steht die Bundesregierung zu der Problematik, dass eine Änderung der
Baunutzungsverordnung keine Rückwirkung auf bestehende Bebauungs-
pläne hat?

11. Welche rechtlichen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, bereits
bestehende Einrichtungen bzw. Anlagen in die Wirkung einer möglichen
Änderung der Baunutzungsverordnung einzubeziehen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/967

12. Wie stehen nach aktuellsten Erkenntnissen der Bundesregierung die Bun-
desländer zum Bedarf einer Änderung der Baunutzungsverordnung und zu
immissionsschutzrechtlichen Änderungen (bitte wenn möglich die Ein-
schätzung der einzelnen Bundesländer aufführen)?

13. Wie stehen nach aktuellsten Erkenntnissen der Bundesregierung die kom-
munalen Spitzenverbände zu einer Änderung der Baunutzungsverordnung
und zu immissionsschutzrechtlichen Änderungen?

14. Wird die Bundesregierung entsprechend dem Beschluss in der 16. Wahl-
periode zum oben genannten Antrag über die Änderung der Baunutzungs-
verordnung hinaus weitergehende Regelungen zum Lärmschutz treffen,
und wenn ja, welche, und wann ist mit diesen Änderungen zu rechnen?

Wenn nein, wieso nicht?

15. Wie steht die Bundesregierung zum Anliegen des Bundeslandes Rhein-
land-Pfalz (welches unterstützt wird von den Bundesländern Brandenburg,
Bremen, Hessen), das mit dem Entschließungsantrag des Bundesrates
„Kinderlärm: kein Grund zur Klage – gesetzliche Klarstellungen zum Um-
gang mit Geräuschemissionen von Kinder- und Jugendeinrichtungen“
(Bundesratsdrucksache 831/09) zum Ausdruck gebracht wird?

16. Wie steht die Bundesregierung insbesondere zum o. g. Anliegen des
Bundeslandes Rheinland-Pfalz, eine Klarstellung im Bürgerlichen Gesetz-
buch vorzunehmen, damit Kinderlärm in der Regel keine schädliche Um-
welteinwirkung mehr darstellt?

Berlin, den 5. März 2010

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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