BT-Drucksache 17/9653

Förderung einheimischer Blumenproduktion sowie fair und ökologisch erzeugter Blumenimporte

Vom 9. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9653
17. Wahlperiode 09. 05. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann, Jan van Aken,
Karin Binder, Heike Hänsel, Jutta Krellmann, Katrin Kunert, Caren Lay,
Sabine Leidig, Ingrid Remmers, Kersten Steinke, Sabine Stüber, Kathrin Vogler,
Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Förderung einheimischer Blumenproduktion sowie fair und ökologisch
erzeugter Blumenimporte

Deutschland ist der drittgrößte Markt für Schnittblumen weltweit. Jedoch nur
20 Prozent der verkauften Blumen werden in Deutschland produziert. Der Rest
kommt über die Niederlande nach Deutschland, wird aber zum großen Teil in
Äthiopien, Ecuador, Israel, Kenia, Kolumbien, Südafrika und Uganda herge-
stellt. Da die Länder des globalen Südens über deutlich mehr Licht und Sonne
verfügen, sind die Produktionskosten trotz der langen Transportwege geringer.

Allerdings gibt es in vielen Anbaugebieten offensichtliche ökologische und
soziale Probleme. In einigen Anbauländern muss die Bevölkerung mit den Blu-
menproduzenten um die geringen Wasserressourcen konkurrieren. Es mangelt
daher nicht nur an Trinkwasser – auch die örtlichen Kleinbäuerinnen und Klein-
bauern haben nicht genügend Wasser für die Bewässerung ihrer Felder oder zum
Tränken ihrer Tiere. Damit der Erschöpfung der Wasserressourcen in ohnehin
wasserarmen Regionen vorgebeugt werden kann, sind drastische Maßnahmen
zur Wassereinsparung nötig. Durch den Einsatz von Dünger und zum Teil hoch-
gefährlichen Pflanzenschutzmitteln werden allerdings nicht nur das Grund-
wasser und die Oberflächengewässer verunreinigt, auch die Gesundheit der Ar-
beiterinnen und Arbeiter in der Blumenproduktion wird gefährdet. In Ecuador,
Kenia, Kolumbien und Uganda klagen Beschäftigte in den Gewächshäusern
über Beschwerden, die von Kopfschmerzen, Atembeschwerden, Schwindel,
Gliederzittern, Augenerkrankungen bis zu Fehlgeburten, Missbildungen bei
Neugeborenen, Chromosomenschäden und Krebs reichen. Sogar Floristinnen
und Floristen in Deutschland leiden an Allergien, die durch den Kontakt mit
gespritzten Blumen hervorgerufen werden. Arbeiterinnen und Arbeiter der Blu-
menproduktion erhalten keine passende Schutzkleidung gegen Pestizide und
Wiederbetretungsfristen von 6 bis 24 Stunden werden nicht eingehalten. Das
liegt auch an den kurzfristigen Bestellungen der Supermärkte und Importeure.
Arbeiterinnen und Arbeiter werden zu früh nach Pestizideinsätzen in die Ge-
wächshäuser geschickt und damit erheblichen Gesundheitsrisiken ausgesetzt

(vgl. u. a. „fair Flowers“ – Mit Blumen für Menschenrechte. Faire Blumen in
Kommunen und Kirchen. Eine Handreichung für die öko-faire Beschaffung“ der
Vereine Vamos e. V. Münster und FIAN Deutschland e. V.).

Weiterhin steht die Produktion von Schnittblumen häufig auch im Zusammen-
hang mit dem sogenannten land grabbing. Dabei kommt es zu Landvertreibung
von Kleinbauernfamilien, die infolgedessen keinen ausreichenden Zugang zu

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Land zur Nahrungsmittelproduktion haben. Mit den freiwilligen Leitlinien der
Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO)
zur Landnutzung, die Mitte März 2012 in Rom beschlossen wurden, sollen sol-
che Übergriffe ausgeschlossen werden.

Zwei Drittel der Beschäftigten in der Blumenproduktion des globalen Südens
sind Frauen (in Deutschland sind es sogar 90 Prozent). In den Produktions-
ländern mangelt es an ausreichenden Mutterschutzfristen und Betreuungsmög-
lichkeiten für die Kinder. Hinzu kommen Einschränkungen bei der gewerk-
schaftlichen und betrieblichen Interessensorganisation, unsichere Beschäf-
tigungsverhältnisse, lange Arbeitszeiten und niedrige Löhne.

Diese Produktionsbedingungen laufen den Millenniumsentwicklungszielen ent-
gegen, widersprechen den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorga-
nisation (IAO) und verletzen die Menschenrechte.

Die Produktionsbetriebe müssen ihrer sozialen Verantwortung nachkommen.
Was für die Arbeiterinnen und Arbeiter der entwickelten Länder eine Selbstver-
ständlichkeit ist, muss auch für die Arbeiterinnen und Arbeiter aus den Entwick-
lungsländern gelten. Dass dies möglich ist, zeigen Blumen, die unter fairen
sozialen und ökologischen Bedingungen produziert wurden. Diese sind an ver-
schiedenen Siegeln zu erkennen, wie z. B. am Fairtrade-Siegel, dem Fair-
Flowers-Fair-Plants-Siegel oder dem Flower-Label-Program-Siegel. Alle drei
Siegel basieren auf dem „Internationalen Verhaltenskodex für die sozial- und
umweltverträgliche Produktion von Schnittblumen“ (ICC). Dieser basiert auf
den Konventionen der IAO sowie den internationalen Menschenrechtspakten.
Er definiert universelle Standards für Blumenproduktion und fordert Gewerk-
schaftsfreiheit und Kollektivverhandlungen, Gleichstellung von Frauen und
Männern, existenzsichernde Löhne, Beschäftigungssicherheit durch Festarbeits-
verträge, Arbeitszeiten von maximal 48 Stunden pro Woche, Verbot von ausbeu-
terischer Kinderarbeit und Zwangsarbeit, Gesundheit und Sicherheit am Ar-
beitsplatz, Verbot des Einsatzes hochgiftiger Pestizide und anderer Chemikalien
sowie Umweltschutz.

Es liegt auch in der Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland, unter wel-
chen sozialen und ökologischen Bedingungen Blumen produziert werden, die in
Deutschland vertrieben und verbraucht werden. Allerdings bedeutet die Nut-
zung von großen, fruchtbaren Flächen in Ländern des globalen Südens für die
Produktion von Blumen für den Export nach Europa indirekten Import von
Land, Wasser und Arbeitskraft nach Europa. Regionen, die von Hunger und
Dürre geprägt sind, sollten jedoch ihre Ressourcen selbst nutzen können, anstatt
sie zu exportieren. Dies gilt auch, wenn die Blumen ökologisch und sozial „fair“
produziert wurden. Es sind daher Möglichkeiten anzustreben, den einheimi-
schen Bedarf an Blumen – wenn immer möglich – vorrangig durch einheimi-
sche, saisonale Produktion zu decken, anstatt diese zu importieren.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über die Beteiligung deut-
scher Unternehmen an großflächiger Schnittblumenproduktion in Ländern
Afrikas, Asiens oder Lateinamerikas vor?

2. Inwiefern sieht sich die Bundesregierung nach dem Übereinkommen über die
Leitlinien der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten
Nationen (FAO) zur Landnutzung veranlasst, das Engagement deutscher Un-
ternehmen in der Schnittblumenproduktion auf Übereinstimmung mit diesen
Leitlinien hin zu überprüfen?

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3. Welche Projekte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit fördern die
Produktion von Schnittblumen (bitte nach Ländern und konkreten Projek-
ten aufschlüsseln und unter Angabe der jeweiligen Budgets und Projekt-
träger)?

4. Sieht sich die Bundesregierung gegebenenfalls veranlasst, Entwicklungs-
projekte, die die Produktion von Schnittblumen unterstützen, auf die Über-
einstimmung mit den FAO-Leitlinien zur Landnutzung hin zu überprüfen
(bitte begründen)?

5. Stellt die Blumenproduktion in den Ländern des globalen Südens nach
Kenntnis der Bundesregierung eine Gefahr für die dortige kleinbäuerliche
Landwirtschaft dar, und wenn ja, unter welchen Bedingungen?

Welche Maßnahmen könnten seitens der Bundesregierung diesbezüglich
ergriffen werden?

6. Sind der Bundesregierung die oben genannten Blumensiegel bekannt?

Plant die Bundesregierung diese Blumensiegel stärker zu fördern?

Falls ja, wie, und aus welchen Mitteln?

7. Welche Informationen besitzt die Bundesregierung über den Anteil ökolo-
gisch und fair produzierter Blumen bei der Beschaffung von floristischen
Artikeln durch den Bund?

8. Was unternimmt die Bundesregierung, um die Beschaffung von floris-
tischen Artikeln, deren Herstellung nicht mit den FAO-Leitlinien und den
Kernarbeitsnormen der IAO übereinstimmt, auszuschließen?

9. Plant die Bundesregierung Regelungen im Rahmen des Vergaberechts und
des Beschaffungswesens der öffentlichen Hand zugunsten von

– regional erzeugten Blumen und

– ökologisch und fair produzierten Importblumen

zu treffen?

Wenn ja, welche?

Wenn nein, warum nicht?

10. Welche Rolle können die IAO-Konventionen im deutschen Vergaberecht
und Beschaffungswesen spielen?

11. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um den einheimischen
Gartenbau – insbesondere die Blumenerzeugung – zu unterstützen?

12. Sieht die Bundesregierung eine Alternative zu einer stärkeren Berücksich-
tigung der einheimischen Blumenerzeugung im Vergaberecht und Beschaf-
fungswesen als sinnvollen Beitrag zur Schaffung und Stützung regionaler
Wirtschafts- und Stoffkreisläufe (bitte begründen)?

13. Was unternimmt die Bundesregierung, um die Floristinnen und Floristen in
Deutschland zu schützen, die sich durch den erhöhten Kontakt mit behan-
delten Blumen dem Risiko aussetzen, an Allergien zu erkranken?

14. Sieht die Bundesregierung eine Gefahr für die Verbraucherinnen und Ver-
braucher durch den Einsatz von hochgiftigen Pestiziden und anderen Che-
mikalien in der Blumenindustrie?

Wenn ja, was wird die Bundesregierung dagegen tun?

Wenn nein, warum nicht?

Drucksache 17/9653 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
15. Gibt es Planungen auf EU-Ebene, die ökologische und faire Produktion von
Blumen zu fördern?

Falls ja, wie sehen diese aus?

Falls nein, will sich die Bundesregierung dafür einsetzen, und in welcher
Form?

Berlin, den 9. Mai 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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