BT-Drucksache 17/958

Umsetzung der Resolution 1685 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 30. September 2009

Vom 5. März 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/958
17. Wahlperiode 05. 03. 2010

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jens Petermann, Jan Korte, Harald Koch, Ralph Lenkert,
Wolfgang Neskovic, Petra Pau, Raju Sharma, Frank Tempel, Halina Wawzyniak
und der Fraktion DIE LINKE.

Umsetzung der Resolution 1685 der Parlamentarischen Versammlung des
Europarates vom 30. September 2009

Die Parlamentarische Versammlung des Europarates stellt fest, dass die Unab-
hängigkeit der Justiz in Recht und Praxis die Hauptlinie der Verteidigung gegen
politisch motivierten Missbrauch darstellt. Die Unabhängigkeit der Gerichte und
der einzelnen Richter und Richterinnen wird in allen Mitgliedstaaten des Europa-
rates anerkannt. Dies sollte auch in der Verfassung zum Ausdruck kommen. Die
wirkliche Unabhängigkeit von Richtern und Richterinnen erfordert jedoch eine
Vielzahl von rechtlichen und praktischen Schutzmaßnahmen. Dazu gehören zu-
nächst die einzig und allein auf Qualifikation, Integrität, Kompetenz und Effizi-
enz beruhende Einstellung und Beförderung von Richtern und Richterinnen. Da-
neben sollte ein wirksamer Schutz gegen unlautere Disziplinarmaßnahmen be-
stehen. Die Bezüge und Zulagen sollten es dem Richter und der Richterin sowie
dessen bzw. deren Familie ermöglichen, in Bezug auf die Bereitstellung von
Wohnraum und anderer sozialer Bedürfnisse nicht von der Exekutive abhängig
zu sein. Darüber hinaus verdient die Unabhängigkeit der Richter und Richterin-
nen gegenüber Gerichtspräsidenten und Gerichtspräsidentinnen sowie gegen-
über Richtern und Richterinnen der obersten Gerichte besonderen Schutz. Die
am Gerichtsverfahren beteiligten Parteien müssen sicher sein können, dass auch
Staatsanwälte und Staatsanwältinnen ihre Aufgaben frei von Einmischungen aus
dem politischen Raum wahrnehmen können.

Damit die praktischen Garantien der Unabhängigkeit der Justiz wirksam werden,
spielt ein Justizrat eine wichtige Rolle für die Überwachung der Wahrung der
richterlichen Unabhängigkeit. Deshalb müssen die Räte der Gerichte einen ent-
scheidenden Einfluss auf die Einstellung und Beförderung von Richtern und
Richterinnen sowie Staatsanwälten und Staatsanwältinnen haben.

Die Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz und der Waffengleichheit zwischen
Anklage und Verteidigung sind insbesondere durch die Bereitstellung ausrei-
chender Ressourcen der Gerichte, einschließlich der Prozesskostenhilfe, welche
in den letzten Jahrzehnten in Deutschland keine angemessene Erhöhung erfahren
hat, und durch die Stärkung der gerichtlichen Selbstverwaltung zu erreichen.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie stellt sich die Bundesregierung die Umsetzung der Aufforderung der Par-
lamentarischen Versammlung des Europarates vor, zur Sicherung der Unab-
hängigkeit der Justiz in der Zukunft ein System der gerichtlichen Selbstver-
waltung unter Berücksichtigung der föderalen Struktur der deutschen Justiz
einzurichten – und zwar nach dem Vorbild der bestehenden Justizräte in der
überwiegenden Mehrheit der europäischen Staaten?

Drucksache 17/958 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
2. Wann wird damit begonnen, der Aufforderung nach einer schrittweisen Erhö-
hung der Bezüge der Richter und Richterinnen, der Staatsanwälte und Staats-
anwältinnen sowie der Anhebung der zur Verfügung stehenden Mittel für die
Prozesskostenhilfe, nachzukommen?

3. Durch welche Initiativen beabsichtigt die Bundesregierung den Ministern der
Justiz die Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Strafverfolgung durch An-
weisungen im Einzelfall zu nehmen?

4. In welchem Umfang wird die Bundesregierung die Aufsicht durch die Richter
und Richterinnen in Recht und Praxis über die Ausübung erweiterter Befug-
nisse der Staatsanwaltschaft, insbesondere im Kampf gegen den Terrorismus
stärken?

5. Auf welche Art und Weise beabsichtigt die Bundesregierung mit den zu er-
wartenden Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschen-
rechte zu Verstößen gegen die Unabhängigkeit von Richtern und Richterinnen
sowie politisch motivierten Missbrauch der Strafjustiz umzugehen?

Berlin, den 5. März 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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