BT-Drucksache 17/9565

Gemeinsam für gute Bildung und Wissenschaft - Grundgesetz für beide Zukunftsfelder ändern

Vom 9. Mai 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9565
17. Wahlperiode 09. 05. 2012

Antrag
der Abgeordneten Kai Gehring, Krista Sager, Ekin Deligöz, Sylvia Kotting-Uhl,
Katja Dörner, Tabea Rößner, Agnes Krumwiede, Monika Lazar, Ulrich Schneider,
Sven-Christian Kindler und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Gemeinsam für gute Bildung und Wissenschaft – Grundgesetz für beide
Zukunftsfelder ändern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Debatte um die Aufhebung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich
und mehr Kooperation im Wissenschaftsbereich bringt den Reformbedarf im-
mer klarer zum Ausdruck. So hat auch die Anhörung im Ausschuss für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages am
19. März 2012 gezeigt, dass die großen bildungs- und wissenschaftspolitischen
Herausforderungen nur dann nachhaltig, langfristig und effizient gelöst werden
können, wenn das Grundgesetz geändert wird.

Die derzeit von der Verfassung gesetzten Grenzen für die Kooperation von Bund
und Ländern in Bildung und Wissenschaft sind zu eng und kontraproduktiv. In
der Bildung müssen Kooperationswege geöffnet werden, um mehr Bildungs-
gerechtigkeit zu schaffen, die PISA-Ergebnisse nachhaltig zu verbessern sowie
Qualität und Leistungsfähigkeit unseres Bildungswesens zu steigern. Notwen-
dig ist eine Ermöglichungsverfassung, mit der Bund-/Länder-Programme u. a.
zum Ganztagsschulausbau und zur Inklusion vereinbart werden können. Auch
die Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach gleichen Bildungs- und Teil-
habechancen für Kinder und Jugendliche aus Hartz-IV-Familien kann nur erfüllt
werden, wenn durch eine Verfassungsänderung und eine neue Kooperationskul-
tur das Bildungs- und Teilhabepaket massiv entbürokratisiert wird und die Schu-
len als Lernorte gestärkt werden. Gute Bildungspolitik ist immer auch Integra-
tions-, Sozial- und Wirtschaftspolitik.

In der Wissenschaft müssen klare Wege geöffnet werden, damit der Bund
Forschung und Lehre an Hochschulen unterstützen kann. Die im vorliegenden
Referentenentwurf des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vor-
geschlagene Lösung greift zu kurz. Auch der Wissenschaftsbereich braucht bes-
sere Kooperationsregeln, damit die Bedingungen in Forschung und Lehre auf
Dauer verbessert werden. Es reicht daher nicht, die Verfassung nur soweit zu öff-

nen, dass mögliche Bundesmittel zur Fortsetzung der Exzellenzinitiative ab
2017 kontinuierlich an „Einrichtungen an Hochschulen“ überwiesen werden
können. An allen Hochschulen, nicht nur an ausgewählten Universitäten, brau-
chen Studierende, Lehrende und Forschende klare Perspektiven und verlässliche
Rahmenbedingungen für bessere Lehre und Forschung.

Drucksache 17/9565 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Es ist daher dringend nötig, die entsprechenden Grundgesetzartikel schnellst-
möglich so zu fassen, dass sie eine langfristig tragfähige Kooperation ermögli-
chen. Schon im Prozess der Grundgesetzänderung sollten Bund und Länder sich
in ihren Verhandlungen von ihrem gemeinsamen Ziel leiten lassen: die Grund-
lagen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von Bund und Ländern zum
Wohle von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen genauso wie von
Studierenden, Forschenden und Lehrenden zu legen. Wie bereits im Antrag
(Bundestagsdrucksache 17/8902) „Kooperation ermöglichen – Gemeinsam Ver-
antwortung für die großen Herausforderungen in Bildung und Wissenschaft
übernehmen“ beschrieben, können die großen bildungs- und wissenschaftspoli-
tischen Herausforderungen nur in gemeinsamer und gesamtstaatlicher Verant-
wortung bewältigt werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

nun umgehend einen Entwurf für eine Grundgesetzänderung vorzulegen, die
eine bezüglich der jeweiligen Verantwortlichkeit transparente Zusammenarbeit
sowie eine neue Kooperations- und Vertrauenskultur von Bund und Ländern im
Bildungs- und Wissenschaftsbereich ermöglicht.

Dazu sollten die Änderungsvorschläge so ausgestaltet sein, dass die auf ihrer
Grundlage jeweils zu treffenden Vereinbarungen der Zustimmung einer Drei-
viertel-Mehrheit der Länder bedürfen.

Eine Änderung des Artikels 91b Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) sollte die bis-
herigen Möglichkeiten, z. B. im Zusammenhang mit internationalen Vergleichs-
studien, umfassen und darüber hinausgehen, indem sie die Grundlage dafür legt,
dass Bund und Länder zur Sicherstellung der Leistungsfähigkeit und der Weiter-
entwicklung des Bildungswesens und zur Förderung der Wissenschaft auf der
Basis von Vereinbarungen zusammenarbeiten können.

Gleichzeitig sollte der Entwurf eines neuen Artikels 104c GG Finanzhilfen er-
möglichen, die über kurzzeitige reine Investitionen hinausgehen, indem die
Grundlage dafür geschaffen wird, dass der Bund den Ländern auf der Basis von
Vereinbarungen Finanzhilfen zur Sicherstellung der Leistungsfähigkeit und der
Weiterentwicklung des Bildungswesens sowie der Wissenschaft gewähren kann.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung weiterhin auf,

mit den Ländern und dem Bundestag in Verhandlungen über diese Vorschläge
einzutreten und in den kommenden Monaten endlich einen „Reformkonvent“
für Bildung und Wissenschaft einzuberufen, bei dem alle oben genannten Anlie-
gen mit Blick auf die dafür notwendigen Grundgesetzänderungen beraten wer-
den.

Berlin, den 9. Mai 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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