BT-Drucksache 17/9514

Umsetzung der Verschlechterungsverbote des EWG-Türkei-Assoziationsrechts durch die Bundesländer

Vom 27. April 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9514
17. Wahlperiode 27. 04. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Annette Groth, Heike Hänsel, Andrej Hunko,
Ulla Jelpke, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler, Katrin Werner und der Fraktion
DIE LINKE.

Umsetzung der Verschlechterungsverbote des EWG-Türkei-Assoziationsrechts
durch die Bundesländer

Die Fraktion DIE LINKE. hat in der Vergangenheit durch mehrere parlamenta-
rische Anfragen auf das Problem einer unzureichenden Umsetzung der Recht-
sprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum EWG-Türkei-Asso-
ziationsrecht aufmerksam gemacht (vgl. zuletzt auf Bundestagsdrucksachen
17/6970 und 17/5884). Das Assoziationsrecht (AssR) umfasst neben dem Asso-
ziationsabkommen aus dem Jahr 1963 unter anderem das Zusatzprotokoll zum
Abkommen (ZP) und den Beschluss 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei
(ARB 1/80).

Auch Äußerungen der EuGH-Richterin Dr. Maria Berger im Interview mit „Die
Presse“ vom 25. September 2011 lassen eine gewisse Verärgerung des EuGH
über die mangelhafte Berücksichtigung des AssR erkennen: „Auffällig oft
landen bei uns derzeit Fälle, bei denen es um die Einhaltung des Assoziierungs-
übereinkommens mit der Türkei geht. In einer Zeit, als man türkische Arbeit-
nehmer dringend gesucht hat, wurden ihnen die Rechte versprochen (…). Jetzt,
wo diese Rechte fällig werden, wollen einige Mitgliedstaaten nichts mehr da-
von wissen“. Die von den deutschen Bundesregierungen vertretenen rigiden
Rechtsauffassungen zum AssR wurden in konkreten Verfahren vom EuGH im-
mer wieder erneut zurückgewiesen (vgl. z. B. die EuGH-Urteile zu: Toprak
vom 9. Dezember 2010, Rn. 48, Urteil C-92/07 vom 29. April 2010, Rn. 42,
Abatay vom 21. Oktober 2003, Rn. 75, Birden vom 26. November 1998,
Rn. 29 und 51, Demirel vom 30. September 1987, Rn. 6).

Eine besondere Bedeutung kommt den so genannten Stillhalteklauseln bzw.
Verschlechterungsverboten des AssR zu. Artikel 13 ARB 1/80 und Artikel 41
Absatz 1 ZP verbieten den Vertragsstaaten vor dem Hintergrund des Ziels einer
Annäherung bzw. eines späteren Beitritts der Türkei zur Europäischen Union
(EU) die Einführung „neuer Beschränkungen“ in Bezug auf die Arbeitnehmer-
freizügigkeit, die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit, wovon nach der
Rechtsprechung des EuGH auch aufenthaltsrechtliche Regelungen umfasst
sind. Diese Verschlechterungsverbote erfordern die Kenntnis der jeweiligen

Rechtslage und Praxis im Aufenthalts- und Beschäftigungsrecht seit 1973 bzw.
1980 (Gesetze, Verordnungen, Runderlasse), denn für türkische Staatsangehö-
rige gilt die seitdem jeweils günstigste Regelung, nachträgliche materielle oder
verfahrensrechtliche Verschlechterungen sind nicht zulässig. Auch der Wissen-
schaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat in einer Ausarbeitung (WD 3
– 3000 – 188/11) auf die sich hieraus ergebenden umfangreichen Konsequen-
zen für das deutsche Aufenthaltsrecht hingewiesen.

Drucksache 17/9514 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

In ihrem Antrag auf Bundestagsdrucksache 17/7373 fordert die Fraktion DIE
LINKE. vor diesem Hintergrund eine umfassende Berücksichtigung, Umsetzung
und gesetzliche Verankerung der Rechtsprechung des EuGH zum AssR und
einen systematischen Rechtsvergleich, aus dem sich der konkrete Änderungs-
bedarf ergibt. Rechtsanwalt Ünal Zeran aus Hamburg hat die Rechtsprechung
des EuGH und die sich hieraus ergebenden Konsequenzen für das deutsche
Aufenthaltsrecht beispielhaft dargestellt („Gewitterwolken über dem deutschen
Aufenthaltsgesetz“, in Nummer 10 und 12/2011 des ASYLMAGAZINS).

Die Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern (BMI) zum
ARB 1/80 hingegen basieren auf dem Stand des Jahres 2002 und sind damit je-
denfalls in Bezug auf die Verschlechterungsverbote praktisch wertlos, weil der
EuGH diesbezüglich insbesondere in den letzten Jahren eine Vielzahl maßgeb-
licher Urteile gefällt hat (vgl. z. B. die EuGH-Urteile zu: Dereci vom 15. No-
vember 2011, Oguz vom 21. Juli 2011, Toprak vom 9. Dezember 2010, Urteil
C-92/07 vom 29. April 2010, Sahin vom 17. September 2009). Im Mai 2011
erklärte die Bundesregierung, die Anwendungshinweise würden „derzeit über-
arbeitet“ (vgl. Bundestagsdrucksache 17/5884, zu Frage 1) – bis heute dauert
diese Überarbeitung offenkundig an. Das kuriose Ergebnis ist, dass eine völlige
Unklarheit über die Rechte türkischer Staatsangehöriger besteht, obwohl das
AssR in seiner Bindungswirkung sogar Verordnungen und Richtlinien der Eu-
ropäischen Union vorgeht.

In ihrer Vorbemerkung auf Bundestagsdrucksache 17/5884 erklärte die Bundes-
regierung, dass sie es nicht als ihre Aufgabe ansieht, eine Beachtung des AssR
in der Auslegung durch den EuGH sicherzustellen, zumal für die Rechtsanwen-
dung „überwiegend“ die Bundesländer zuständig seien.

Vor diesem Hintergrund sollen mit dieser Kleinen Anfrage die Positionen und
Maßnahmen der Bundesländer zur Umsetzung des AssR erfragt werden. Die
Fragesteller sind anders als die Bundesregierung zwar nicht der Auffassung,
dass es überwiegend den Bundesländern obliegt, eine bundeseinheitliche Be-
achtung verbindlichen Europarechts in Deutschland sicherzustellen. Sie gehen
aber davon aus, dass auch die Bundesregierung ein Interesse daran haben muss,
durch eine sorgfältige Bearbeitung und Beantwortung dieser Kleinen Anfrage
Klarheit über die Umsetzung des AssR in Deutschland durch die Bundesländer
zu gewinnen, auch um gegebenenfalls Änderungs- und Handlungsbedarf erken-
nen zu können.

Da die Beantwortung der nachfolgenden Fragen eine Mitwirkung der zuständi-
gen Stellen in den Bundesländern und gegebenenfalls entsprechende Nachfra-
gen durch die Bundesregierung erfordert, erklären die Fragesteller vorsorglich
ihr Einverständnis für eine Verlängerung der Beantwortungsfrist.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche allgemeinen Vorgaben zu den Verschlechterungsverboten des AssR
haben die Bundesländer nach Kenntnis der Bundesregierung den ausführen-
den Ausländerbehörden in welcher Form gemacht, und wie wird in den ein-
zelnen Bundesländern der Personenkreis definiert, der sich hierauf berufen
kann (bitte hier, wie auch bei allen Folgefragen, differenziert nach Bundes-
ländern antworten, soweit dort unterschiedliche Rechtsauffassungen, Vorga-
ben, Praktiken usw. bestehen)?

Sofern die Bundesregierung keine Kenntnisse hat, warum verschafft sie sich
diese nicht durch entsprechende Anfragen an die Bundesländer?

2. In welcher Weise (durch welche Stellen, in welchem Verfahren) werden
nach Kenntnis der Bundesregierung Urteile des EuGH zum AssR von den

einzelnen Bundesländern rezipiert, interpretiert und deren Inhalte an die aus-
führenden Ausländerbehörden übermittelt?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9514

Sofern die Bundesregierung keine Kenntnisse hat, warum verschafft sie sich
diese nicht durch entsprechende Anfragen an die Bundesländer?

3. Zu welchen letzten zehn EuGH-Urteilen mit Bezug zum AssR haben nach
Kenntnis der Bundesregierung welche Bundesländer welche Rundschreiben
oder sonstigen Anweisungen oder Informationen an die ausführenden Aus-
länderbehörden übermittelt, um die Beachtung von AssR sicherzustellen
(bitte jeweils das Urteil benennen sowie wie dieses Urteil konkret umgesetzt
werden soll)?

Sofern die Bundesregierung keine Kenntnisse hat, warum verschafft sie sich
diese nicht durch entsprechende Anfragen an die Bundesländer?

4. Inwieweit wünschen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die einzelnen
Bundesländer von der Bundesregierung mehr, klarere, detailliertere Vorga-
ben, Informationen, Anwendungshinweise, gesetzliche Regelungen usw.
zum AssR bzw. zu den Verschlechterungsverboten bzw. zu maßgeblichen
Urteilen des EuGH?

Sofern die Bundesregierung keine Kenntnisse hat, warum verschafft sie sich
diese nicht durch entsprechende Anfragen an die Bundesländer?

5. Inwieweit sehen nach Kenntnis der Bundesregierung die von den Behörden
benutzten Antragsformulare die Beantragung des Aufenthaltstitels nach § 4
Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vor, und inwieweit gibt es An-
weisungen auf Landesebene dazu, dass potentiell Betroffene auf die (Pflicht
zur) Antragstellung nach § 4 Absatz 5 AufenthG hingewiesen und/oder ent-
sprechend beraten werden sollen?

Sofern die Bundesregierung keine Kenntnisse hat, warum verschafft sie sich
diese nicht durch entsprechende Anfragen an die Bundesländer?

6. Welche Bundesländer (neben Baden-Württemberg und Hamburg; vgl. Bun-
destagsdrucksache 17/1927, zu Frage 10) haben nach Kenntnis der Bundes-
regierung inzwischen die Standesämter und/oder die Ausländerbehörden
(bitte differenziert beantworten) darüber informiert, dass in Deutschland ge-
borene Kinder türkischer Staatsangehöriger auch dann die deutsche Staats-
angehörigkeit nach §4 Absatz 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG)
erworben haben können, wenn deren ausländische Eltern nicht über ein im
entsprechenden Formblatt eigens aufgeführten unbefristeten Aufenthaltstitel
verfügen, und welche Erkenntnisse, Debatten oder Maßnahmen gibt es
inzwischen auf der Länderebene zu der Problematik einer unerkannt geblie-
benen deutschen Staatsangehörigkeit von Kindern türkischer Eltern (vgl.
Bundestagsdrucksache 17/1927)?

Sofern die Bundesregierung keine Kenntnisse hat, warum verschafft sie sich
diese nicht durch entsprechende Anfragen an die Bundesländer?

7. Inwieweit haben nach Kenntnis der Bundesregierung die einzelnen Bundes-
länder durch Anweisungen an die Standesämter und/oder die Ausländer-
behörden sichergestellt, dass bei türkischen Staatsangehörigen bei der Be-
rechnung des nach § 4 Absatz 3 Nummer 1 StAG erforderlichen achtjähri-
gen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts zur Feststellung der deutschen
Staatsangehörigkeit von Kindern ausländischer Eltern durch Geburt in
Deutschland Unterbrechungen des rechtmäßigen Aufenthalts (bis zu wel-
chem Zeitraum) infolge einer verspäteten Antragstellung (zur Verlängerung)
unschädlich sind?

Sofern die Bundesregierung keine Kenntnisse hat, warum verschafft sie sich
diese nicht durch entsprechende Anfragen an die Bundesländer?

Drucksache 17/9514 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

8. Inwieweit stellen nach Kenntnis der Bundesregierung die einzelnen Bun-
desländer sicher, dass türkische Selbstständige vor dem Hintergrund der
Verschlechterungsverbote für ein Aufenthalts- und Niederlassungsrecht
keine Mindestinvestitionssumme, keine bestimmte Zahl von Beschäftigten
und auch kein übergeordnetes öffentliches Interesse vorweisen müssen, da
entsprechend der Rechtslage von vor 1990 lediglich glaubhaft gemacht
werden musste, dass eine Einfügung ins Wirtschaftsleben erfolgen wird
(vgl. Ünal Zeran, ASYLMAGAZIN 12/2011, S. 398 f.)?

Sofern die Bundesregierung keine Kenntnisse hat, warum verschafft sie
sich diese nicht durch entsprechende Anfragen an die Bundesländer?

9. Inwieweit stellen nach Kenntnis der Bundesregierung die einzelnen Bun-
desländer sicher, dass türkischen Staatsangehörigen mit einer vor dem
1. Januar 2005 erteilten unbefristeten Arbeitserlaubnis vor dem Hinter-
grund der Verschlechterungsverbote hieraus unter Umständen ein unbefris-
tetes Aufenthaltsrecht zukommt (bzw. in vergleichbaren Fällen einer „über-
schießenden Arbeitserlaubnis“ ein entsprechendes Aufenthaltsrecht, vgl.
Ünal Zeran, ASYLMAGAZIN 12/2011, S. 399 sowie das EuGH-Vorlage-
verfahren „Gülbahace“ C-268/11, in dem die Europäische Kommission mit
Schriftsatz vom 12. September 2011 und in der mündlichen Verhandlung
eine entsprechende Stellungnahme abgegeben hat)?

Sofern die Bundesregierung keine Kenntnisse hat, warum verschafft sie
sich diese nicht durch entsprechende Anfragen an die Bundesländer?

10. Inwieweit stellen nach Kenntnis der Bundesregierung die einzelnen Bun-
desländer sicher, dass Anträgen auf Aufenthaltserlaubnis bzw. verspäteten
Verlängerungsanträgen von türkischen Staatsangehörigen vor dem Hinter-
grund der Verschlechterungsverbote eine Fiktionswirkung zukommt (ent-
sprechend § 5 Absatz 1 und § 21 Absatz 3 des Ausländergesetzes (AuslG)
1965) und dass entsprechende Fiktionsbescheinigungen auch keine Gebüh-
ren kosten (vgl. Ünal Zeran, ASYLMAGAZIN 12/2011, S. 400 und 404)?

Sofern die Bundesregierung keine Kenntnisse hat, warum verschafft sie
sich diese nicht durch entsprechende Anfragen an die Bundesländer?

11. Inwieweit stellen nach Kenntnis der Bundesregierung die einzelnen Bun-
desländer sicher, dass bei türkischen Staatsangehörigen vor dem Hinter-
grund der Verschlechterungsverbote an die Nichtteilnahme an Integrations-
kursen keine aufenthalts- oder sozialrechtlichen Folgen knüpfen dürfen
(vgl. Ünal Zeran, ASYLMAGAZIN 12/2011, S. 400 und die entsprechende
Praxis in den Niederlanden)?

Sofern die Bundesregierung keine Kenntnisse hat, warum verschafft sie
sich diese nicht durch entsprechende Anfragen an die Bundesländer?

12. Inwieweit haben nach Kenntnis der Bundesregierung die einzelnen Bun-
desländer durch Anweisungen an die zuständigen Ausländerbehörden si-
chergestellt, dass auch nach der Verschärfung des § 8 Absatz 3 AufenthG
zum 1. Juli 2011 die Nichtteilnahme an einem Integrationskurs bei türki-
schen Staatsangehörigen nicht zu einer Aufenthaltsbeendigung führen darf,
wie zu Punkt 44a.3.3 der Allgemeinen Verwaltungshinweise zum Auf-
enthG klargestellt wurde – und wenn dies nicht bundesweit der Fall sein
sollte, was unternimmt die Bundesregierung in Bezug auf eine entspre-
chende Klarstellung bzw. Ergänzung der Allgemeinen Verwaltungsvor-
schriften zum AufenthG?

Sofern die Bundesregierung keine Kenntnisse hat, warum verschafft sie
sich diese nicht durch entsprechende Anfragen an die Bundesländer?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/9514

13. Inwieweit stellen nach Kenntnis der Bundesregierung die einzelnen Bun-
desländer sicher, dass bei türkischen Staatsangehörigen vor dem Hinter-
grund der Verschlechterungsverbote für die Erteilung einer Niederlas-
sungserlaubnis einfache Deutschkenntnisse genügen und keine fünfjährige
Beitragszahlung zur Rentenversicherung verlangt wird (entsprechend § 24
AuslG 1990; vgl. Ünal Zeran, ASYLMAGAZIN 12/2011, S. 400)?

Sofern die Bundesregierung keine Kenntnisse hat, warum verschafft sie
sich diese nicht durch entsprechende Anfragen an die Bundesländer?

14. Inwieweit stellen nach Kenntnis der Bundesregierung die einzelnen Bun-
desländer sicher, dass der Kindernachzug bei türkischen Staatsangehörigen
vor dem Hintergrund der Verschlechterungsverbote bis zum 18. Lebensjahr
möglich ist – bis zum 16. Lebensjahr ohne Visumspflicht (entsprechend § 2
Absatz 2 Nummer 1 AuslG 1965; vgl. Ünal Zeran, ASYLMAGAZIN 12/
2011, S. 400 f. und VG Darmstadt, Beschluss vom 3. November 2011, 3 L
1098/11.DA.A, S. 5 f.)?

Sofern die Bundesregierung keine Kenntnisse hat, warum verschafft sie
sich diese nicht durch entsprechende Anfragen an die Bundesländer?

15. Inwieweit stellen nach Kenntnis der Bundesregierung die einzelnen Bun-
desländer bei türkischen Staatsangehörigen vor dem Hintergrund der Ver-
schlechterungsverbote sicher, dass ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für
Ehegatten entsprechend der bis Mitte 2011 geltenden Rechtslage bereits nach
zwei Jahren erlangt wird (vgl. Ünal Zeran, ASYLMAGAZIN 12/2011, S. 401
und Antwort der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 17/4623, zu
Frage 1)?

Sofern die Bundesregierung keine Kenntnisse hat, warum verschafft sie
sich diese nicht durch entsprechende Anfragen an die Bundesländer?

16. Inwieweit stellen nach Kenntnis der Bundesregierung die einzelnen Bun-
desländer bei türkischen Staatsangehörigen vor dem Hintergrund der Ver-
schlechterungsverbote sicher, dass es bei türkischen Staatsangehörigen im
Zusammenhang des (und sei es verpflichtenden) Integrationskursbesuchs
keine aufenthaltsrechtlichen Sanktionen geben darf (vgl. Ünal Zeran,
ASYLMAGAZIN 12/2011, S. 400 und die dem Assoziationsrecht geschul-
dete entsprechende Praxis in den Niederlanden und in Österreich)?

Sofern die Bundesregierung keine Kenntnisse hat, warum verschafft sie
sich diese nicht durch entsprechende Anfragen an die Bundesländer?

17. Welche Vorgaben haben nach Kenntnis der Bundesregierung die einzelnen
Bundesländer den Ausländerbehörden bei der Ausweisung assoziations-
berechtigter türkischer Staatsangehöriger gemacht, vor dem Hintergrund,
dass nach der Rechtsprechung des EuGH das System und die Regelungen
des AufenthG der Ist-, Regel- und Kann-Ausweisungen wie auch general-
präventive Überlegungen auf türkische Staatsangehörige nicht anwendbar
sind (vgl. zuletzt das Ziebell-Urteil des EuGH vom 8. Dezember 2011,
Rn. 80 ff.)?

Sofern die Bundesregierung keine Kenntnisse hat, warum verschafft sie
sich diese nicht durch entsprechende Anfragen an die Bundesländer?

18. Welche Vorgaben haben nach Kenntnis der Bundesregierung die einzelnen
Bundesländer den Ausländerbehörden gemacht in Bezug auf die Gebüh-
renerhebung für Aufenthaltstitel türkischer Staatsangehöriger, da die der-
zeitigen Gebühren nicht mit dem Verschlechterungsverbot nach Artikel 13
ARB 1/80 vereinbar sind (vgl. Ünal Zeran, ASYLMAGAZIN 12/2011,

Drucksache 17/9514 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

S. 403 f., vgl. die Praxis z. B. in Dänemark und in den Niederlanden, vgl.
auch jüngst: VG Aachen, 8 K 1159/10)?

Sofern die Bundesregierung keine Kenntnisse hat, warum verschafft sie
sich diese nicht durch entsprechende Anfragen an die Bundesländer?

19. Welche Vorgaben zum Diskriminierungsverbot nach Artikel 9 des Assozia-
tionsabkommens von 1963 bzw. nach Artikel 10 ARB 1/80 infolge der
Rechtsprechung des EuGH (z. B. im Toprak-Urteil) haben nach Kenntnis
der Bundesregierung die einzelnen Bundesländer den Ausländerbehörden
gemacht?

Sofern die Bundesregierung keine Kenntnisse hat, warum verschafft sie
sich diese nicht durch entsprechende Anfragen an die Bundesländer?

20. Inwieweit haben nach Kenntnis der Bundesregierung die einzelnen Bun-
desländer die Ausländerbehörden darüber informiert, dass Rechte nach
dem AssR auch bei eingebürgerten deutschen Staatsangehörigen mit ergän-
zender türkischer Staatsangehörigkeit gelten (vgl. EuGH-Urteil vom
29. März 2012 – Kahveci/Inan, C-7/10 und C-9/10)?

Sofern die Bundesregierung keine Kenntnisse hat, warum verschafft sie
sich diese nicht durch entsprechende Anfragen an die Bundesländer?

21. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Positionen
und Maßnahmen der Bundesländer zur Umsetzung und Beachtung der Ver-
schlechterungsverbote des AssR, und welchen Handlungs- oder Gesetzes-
änderungsbedarf sieht sie gegebenenfalls vor dem Hintergrund der Ant-
worten auf die obigen Fragen?

Berlin, den 27. April 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.