BT-Drucksache 17/9496

Deutsche Beiträge zur Sicherheitsarchitektur anlässlich des G8-Gipfels und des NATO-Gipfels in den USA

Vom 27. April 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9496
17. Wahlperiode 30. 04. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Andrej Hunko, Christine Buchholz, Nicole Gohlke,
Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Niema Movassat, Kathrin Vogler, Katrin
Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Deutsche Beiträge zur Sicherheitsarchitektur anlässlich des G8-Gipfels und des
NATO-Gipfels in den USA

Am 18. und 19. Mai 2012 findet im US-amerikanischen Camp David der
G8-Gipfel statt, am 20. und 21. Mai folgt in Chicago der NATO-Gipfel. Beide
Treffen versammeln die wirtschaftlich und militärisch einflussreichsten Staaten,
der NATO-Gipfel zudem das einzige Militärbündnis, das sich weltweite Zu-
ständigkeit und Interventionsrechte zuspricht. Gegen diese Treffen der Mächti-
gen mobilisiert ein breites Netzwerk aus globalisierungskritischen Bewegungen
zu Protestaktionen (http://cang8.wordpress.com/). In einem Aufruf zu einer
internationalen Aktionswoche heißt es: „There NATO will reinforce its new
nuclear doctrine, confirm future strategies for the war in Afghanistan, plan
future wars such as possible intervention in Syria and/or Iran, and deepen its
global military power for the 21st century.“

Deutsche Sicherheitsbehörden waren in den vergangenen Jahren immer wieder,
mit unterschiedlicher Intensität in die Sicherheitszusammenarbeit bei solchen
Großveranstaltungen eingebunden. Nicht zuletzt angesichts des bekannter-
maßen großen Datenhungers der US-Behörden muss befürchtet werden, dass
eine Vielzahl sensibler Daten ausgetauscht werden. Nach Auffassung der
Fragesteller dürfen aber deutsche Behörden keine Beihilfe zu Bürgerrechts-
verletzungen leisten, schon gar nicht, wenn dies nur der Sicherheit eines aggres-
siven Militärbündnisses dient.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Sicherheitskonzeption in Zu-
sammenhang mit den Gipfeln in den USA ausgestaltet (bitte Gremien, Struk-
turen, ihre jeweilige Zusammensetzung und Aufgaben nennen und bei nur
temporären Gremien angeben, wann sie gegründet worden sind bzw. noch
gegründet werden sollen und bis wann ihre Auflösung beabsichtigt ist)?

Inwieweit werden die Gipfel hinsichtlich des Sicherheitskonzepts gemein-
sam behandelt?
2. Inwieweit sind nach Kenntnis der Bundesregierung internationale und/oder
nichtstaatliche, von der EU initiierte oder finanzierte Organisationen und
Forschungsprogramme (inkl. INTERPOL und Europol) in die Sicherheits-
konzeption eingebunden bzw. an ihr beteiligt bzw. inwiefern liegen diesen
die Grundlagen für die Sicherheitskonzeption vor?

Drucksache 17/9496 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

3. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, inwiefern die US-Behörden
Bilder aus Satellitenaufklärung und Überwachungsdrohnen einsetzen wer-
den, und wenn ja, welche Angaben kann sie hierzu machen?

4. Welche US-Behörden haben bei welchen deutschen Sicherheitsbehörden
um die Mitteilung von Erfahrungen aus vergleichbaren Gipfeltreffen in der
Vergangenheit gebeten, um welche Gipfel handelte es sich dabei, und
welchen Aspekten galt das besondere Interesse der US-Behörden?

Welche Mitteilungen haben die deutschen Behörden gemacht?

5. Inwieweit haben sich internationale sowie nichtstaatliche Organisationen,
INTERPOL, Europol, die Europäische Agentur für die operative Zusam-
menarbeit an den Außengrenzen FRONTEX u. a., an deutsche Sicherheits-
behörden in Zusammenhang mit den Gipfeln gewandt, und mit welchen
Anliegen?

Wie haben die angesprochenen Behörden hierauf reagiert, und welche
Treffen haben hierzu bereits stattgefunden (bitte jeweils konkrete Dienst-
stellen, Referate, Abteilungen, Teilnehmerzahl, Besprechungsort, -datum
und besprochene Themen nennen)?

6. Inwieweit haben sich private Firmen, die mit Aufgaben rund um die Gipfel-
ereignisse betraut sind, an deutsche Sicherheitsbehörden gewandt (bitte
deren Rolle, Anliegen und die Reaktion der jeweiligen deutschen Behörden
nennen)?

7. Wann haben die US-Behörden erstmals Kontakt zu deutschen Sicherheits-
behörden hinsichtlich einer Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen auf-
genommen?

Welche Besprechungen fanden in diesem Zusammenhang statt (bitte je-
weils die konkreten Dienststellen, Referate, Abteilungen, die Teilnehmer-
zahl, Besprechungsort, -datum und besprochene Themen nennen)?

8. Inwieweit wurde die Bundesregierung von den USA offiziell über die
Hintergründe der Verlegung des G8-Gipfels von Chicago nach Camp David
informiert, und welche Begründung wurde hierfür angegeben?

9. Inwiefern ist von den USA ein Fragebogen versandt worden, und um was
für einen Fragebogen handelt es sich dabei?

a) Wer hat den Fragebogen entwickelt?

b) Welche Behörde bzw. Dienstelle genau hat den Fragebogen versandt,
und welche hat ihn beantwortet?

c) Welche Angaben kann die Bundesregierung zu den konkreten Fragen
und Inhalten machen?

10. Welche Rolle spielte in der bisherigen Sicherheitszusammenarbeit der
Informationsaustausch über bevorstehende bzw. erwartete Proteste gegen
die Gipfel?

Wurden hierbei konkrete Proteste, Daten, Organisationen oder Personen
(wie Anmelder usw.) angesprochen bzw. Informationen hierüber aus-
getauscht, und wenn ja, welche?

11. Welche Unterstützungsersuchen an welche deutsche Sicherheitsbehörden
sind bislang formuliert bzw. von deutschen Behörden unaufgefordert an-
geboten worden, und welche Entscheidungen hat es diesbezüglich bislang
gegeben (bitte detailliert angeben und ausführen, welche Behörde konkret
das Ersuchen ausgesprochen hat)?
Welche Ersuchen sind gegenüber Stellen der EU ausgesprochen worden,
und wie wurden diese beantwortet?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9496

12. Haben deutsche Sicherheitsbehörden im Vorfeld des Gipfels US-Behörden
personenbezogene Daten übermittelt bzw. ist eine solche Übermittlung
noch angestrebt (bitte jeweils übermittelnde und empfangende Behörde
nennen)?

a) Über wie viele Personen wurden entsprechende Daten übermittelt?

b) Aus welchen Dateien stammen die Daten?

c) Auf welcher Rechtsgrundlage basiert die Übermittlung?

d) Welcher Zweck wurde mit der Datenweitergabe verfolgt?

e) Erfolgte die Datenübermittlung auf Ersuchen der US-Behörde oder auf
eigene Initiative der jeweiligen deutschen Behörde?

f) Welche US-Behörden haben lesenden oder schreibenden Zugriff auf die
Daten?

g) Welche Regelungen zum Umgang mit den Daten, ihrer Speicherung und
Löschung gelten hierbei für die US-Behörden?

h) Inwiefern haben deutsche Sicherheitsbehörden in Zusammenhang mit
dem Gipfel personenbezogene Daten von ausländischen Sicherheitsbe-
hörden (welche jeweils?) erhalten, in welchem Umfang, zu welchem
Zweck und in welcher Datei sind diese Daten gespeichert?

An wen wurden sie seither weitergegeben, und bis wann werden sie auf-
bewahrt?

13. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung welchen Behörden in den
USA unaufgefordert bezüglich der Mobilisierung in Europa gegen die
Gipfel mitgeteilt, und auf welche Vereinbarung stützte sich diese Praxis?

14. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass bestimmten Per-
sonen die Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland in die USA oder
vonseiten der US-Behörden die Einreise in die USA verwehrt werden soll?

15. Wie viele Angehörige deutscher Sicherheitsbehörden (bitte genau angeben)
werden in die USA entsandt und bei welcher Behörde, Dienststelle, wel-
chem Planungs-, Lage-, Analyse-, Entscheidungs-, Koordinierungs- oder
sonstigem, auch nur temporär existierendem Gremium (bitte die genaue
Bezeichnung angeben) werden sie dort arbeiten?

a) Welche Aufgabe haben die entsprechenden Dienststellen bzw. Gremien,
und welche Aufgaben kommen in diesem Rahmen den eingesetzten
deutschen Kräften zu?

b) Bei nur temporär existierenden Gremien: Wann wurden die Gremien
eingerichtet bzw. wann sollen sie noch eingerichtet werden, und bis
wann ist ihre Auflösung vorgesehen?

Wo sind diese Gremien örtlich und institutionell angebunden?

c) Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgen die Einsätze?

d) Wie lange (Beginn, Ende) wird der Einsatz voraussichtlich dauern?

e) Welche Kompetenzen haben die deutschen Kräfte hierbei?

f) Inwieweit hatten oder haben deutsche Behörden Einfluss auf die Zu-
sammensetzung oder die Kompetenzen des Gremiums bzw. überhaupt
auf die Sicherheitskonzeption der Gipfel?

g) Welche anderen, von den USA und von dritten Staaten entsandten
Behörden sind in diesen Gremien außerdem vertreten bzw. stehen in

ständigem Kontakt zu diesen?

Drucksache 17/9496 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
h) Welche nichtstaatlichen, internationalen Organisationen sind in diesen
Gremien vertreten bzw. stehen in ständigem Kontakt zu diesen?

i) Ist ausgeschlossen oder womöglich explizit vereinbart, dass deutsche
Polizisten auch im Rahmen von Demonstrationen eingesetzt werden?

j) Welche Kosten entstehen hierbei, und wer kommt für diese auf?

16. Inwieweit wird hinsichtlich der bevorstehenden Gipfel von verdeckten
Ermittlern bzw. sog. Vertrauenspersonen Gebrauch gemacht?

a) Operieren verdeckte Ermittler deutscher Bundesbehörden bzw. nach
Kenntnis der Bundesregierung auch von Landesbehörden anlässlich der
Gipfel in den USA?

b) Haben Bundesbehörden oder nach Kenntnis der Bundesregierung
Landesbehörden oder ausländische Behörden verdeckte Ermittler bzw.
sog. Vertrauenspersonen in Personenzusammenschlüssen, die in
Deutschland zu Protesteten gegen die Gipfel mobilisieren?

c) Welche Behörden in den USA haben in der Vergangenheit deutsche
verdeckte Ermittler geführt und führen sie gegenwärtig (bitte komplett
auflisten)?

d) Welche dieser Behörden sind nach Kenntnis der Bundesregierung
anlässlich der bevorstehenden Gipfel mit dem Führen von verdeckten
Ermittlern betraut?

e) Wie werden solche Einsätze in der Regel bzw. in konkreten Fällen an-
gebahnt, vermittelt und finanziert?

f) Welche Institutionen der Europäischen Union sind in die Vermittlung,
Durchführung oder Auswertung von Einsätzen verdeckter Ermittler
anlässlich der Gipfel involviert?

g) Inwieweit sind die informellen Polizeinetzwerke „European Cooperation
Group on Undercover Activities“ und „International Working Group on
Polic Undercover Activities“, an denen sich auch die Bundesregierung
beteiligt, in die Erörterung von Rahmenbedingungen in den USA oder
die Vermittlung, Durchführung oder Auswertung von Einsätzen verdeck-
ter Ermittler anlässlich der Gipfel involviert?

17. Inwiefern gewähren deutsche Sicherheitsbehörden materielle Unter-
stützung?

18. Inwieweit gewähren andere deutsche Behörden oder Einrichtungen (z. B.
Bundesanstalt Technisches Hilfswerk – THW) Unterstützungsleistungen
(bitte detaillierte Angaben machen zu Umfang, Zweck und Aufgabe, Gerät,
Leistungen, Personal, Einsatzort und -zeit sowie Rechtsgrundlagen)?

Berlin, den 30. April 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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