BT-Drucksache 17/9398

Rechtssicherheit beim Zugang zu einem Basiskonto schaffen

Vom 24. April 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9398
17. Wahlperiode 24. 04. 2012

Antrag
der Abgeordneten Klaus-Peter Flosbach, Dr. Michael Meister, Peter Altmaier,
Peter Aumer, Ralph Brinkhaus, Olav Gutting, Manfred Kolbe, Bettina Kudla,
Patricia Lips, Dr. h. c. Hans Michelbach, Dr. Mathias Middelberg, Stefan Müller
(Erlangen), Eduard Oswald, Norbert Schindler, Dr. Frank Steffel, Christian
Freiherr von Stetten, Antje Tillmann, Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und der
Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Daniel Volk, Holger Krestel, Dr. Birgit Reinemund,
Björn Sänger, Dr. Volker Wissing, Rainer Brüderle und der Fraktion der FDP

Rechtssicherheit beim Zugang zu einem Basiskonto schaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Dem bargeldlosen Zahlungsverkehr kommt im Wirtschaftskreislauf eine
gesteigerte Bedeutung zu, da die Zahl der alltäglichen Geschäfte, die über
Girokonten abgewickelt werden, stetig zunimmt. Mietverträge, Stromliefer-
verträge, Telefonfestnetzanschlüsse und überwiegend auch Arbeitsverträge
werden in der Regel mit dem Nachweis einer Kontoverbindung abgeschlos-
sen. Die Führung eines Kontos für die Bürgerinnen und Bürger durch die
Kreditinstitute ist daher Bindeglied zum Wirtschaftskreislauf und Teil der
gewöhnlichen Lebensführung.

2. Kontolosigkeit beschränkt die Betroffenen in ihrer wirtschaftlichen Hand-
lungsfreiheit. Die Verweigerung oder der Verlust des Zahlungskontos haben
dabei nicht nur einen Ausschluss vom bargeldlosen Zahlungsverkehr zur
Folge. Um die notwendigen Zahlungsvorgänge vornehmen zu können, müs-
sen kontolose Privathaushalte kostenintensive Bareinzahlungen und -über-
weisungen veranlassen. Dies führt zu erheblichen Belastungen der Betroffe-
nen. Kontolosigkeit von Bürgerinnen und Bürgern ist für Gläubiger und
Schuldner ein Kostenfaktor. So sind die für die Auszahlung von Sozialleis-
tungen zuständigen Stellen schon zur Optimierung der mit Sozialleistungen
verbundenen Ziele bestrebt, dass diese Leistungen ungeschmälert auf Kon-
ten der Begünstigten überwiesen werden können.

3. Die Deutsche Kreditwirtschaft (ehemals ZKA) hat 1995 auf Vorschlag des
damaligen Präsidenten des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen (jetzt:
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) ihren Mitgliedsinstituten

empfohlen, für jede Bürgerin und jeden Bürger auf Wunsch ein auf Gut-
habenbasis geführtes „Girokonto für jedermann“ bereitzuhalten. Der nun-
mehr sechste „Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Empfehlun-
gen des Zentralen Kreditausschusses zum Girokonto für jedermann“ vom
27. Dezember 2011 (Bundestagsdrucksache 17/8312) kommt zu dem Ergeb-
nis, dass trotz eines weiteren Anstiegs der Girokonten für jedermann (von

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Dezember 2005 bis Dezember 2010 von 1 892 600 auf 2 605 076) weiterhin
überzeugende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Kontolosigkeit in Deutsch-
land ein ernstzunehmendes Problem ist. Allein aus diesem signifikanten An-
stieg der Girokonten für jedermann lassen sich die Effekte der Empfehlung
nicht ablesen. Die Kreditwirtschaft erhebt keine Zahlen über Kunden, denen
ihr „normales“ Girokonto in ein „Girokonto für jedermann“, etwa aufgrund
von nicht vereinbarten Überziehungen vom kontoführenden Kreditinstitut,
umgewandelt wurde. Die Zahl der Kontolosen in Deutschland dürfte sich
auch aktuell in einem hohen sechsstelligen Bereich bewegen.

4. Die Europäische Kommission spricht sich für einen Zugang aller Bürgerinnen
und Bürger zu einem Konto mit grundlegenden Zahlungsfunktionen (Basis-
konto) aus. Mit dem Basiskonto soll jedem Verbraucher in der Europäischen
Union kostenlos oder gegen ein angemessenes Entgelt Zugang zu einem
Spektrum grundlegender Zahlungsdienstleistungen garantiert werden. Dazu
gehören insbesondere Dienste, die sämtliche Zahlungsvorgänge im Rahmen
der Führung eines Zahlungskontos ermöglichen; die Ausführung von Bar-
abhebungen, Lastschriften und Überweisungen, die zu einer Überziehung
eines Kontos führen, sind hiervon ausgenommen.

Derzeit erwägt die Europäische Kommission, den Zugang zu Dienstleistun-
gen in Zusammenhang mit einem Konto durch einen Rechtsakt (Richtlinie
oder Verordnung) zu regeln.

Der Deutsche Bundestag geht davon aus, dass die Europäische Kommission
noch im Jahr 2012 einen Vorschlag zur Regelung eines Zugangs zu einem
Konto mit grundlegenden Zahlungsfunktionen (Basiskonto) vorlegen wird.

Der Deutsche Bundestag steht dem Vorhaben eines Basiskontos auf Gutha-
benbasis aufgeschlossen gegenüber. Dabei müssen die europarechtlichen
Handlungsvoraussetzungen vorliegen. Er stimmt mit der Europäischen
Kommission darin überein, dass ein Basiskonto für die Teilhabe am gesell-
schaftlichen Leben und die Teilnahme am modernen Wirtschaftsleben unver-
zichtbar ist. Erst auf diesem Wege können alle Verbraucher von einem harmo-
nisierten Binnenmarkt im Zahlungsverkehr profitieren und am europäischen
Zahlungsverkehr (SEPA) teilnehmen.

Der Deutsche Bundestag hält es für angezeigt, aktiv für eine bürgerfreund-
liche Lösung einzutreten und im Vorgriff auf europäische Lösungen zusätz-
liche Rechtssicherheit für Bürgerinnen und Bürger auf nationaler Ebene zu
schaffen.

5. Die gesetzliche Verankerung eines Basiskontos und die damit verbundene
Eröffnung des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten im Falle der Ab-
lehnung eines solchen Kontos ist kein Allheilmittel, welches das Problem
der Kontolosigkeit löst. Darauf deuten die Erfahrungen in anderen Ländern
mit solchen Modellen ebenso hin wie die der Bundesländer mit entsprechen-
den Sparkassengesetzen. Vielmehr bedarf es zusätzlicher Aufklärung und
Kommunikation sowie effizienter Verfahren, um dem Betroffenen die
Chance auf eine Kontoeröffnung zu bieten, ohne ihn auf den aufwändigen
Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten verweisen zu müssen.

Der Deutsche Bundestag ist deshalb der Auffassung, dass der Zugang der
kontolosen Verbraucher zu den kostenlosen Schlichtungsverfahren der Ver-
bände der Kreditwirtschaft, in denen die Kontoverweigerung durch einen
unabhängigen Schlichter überprüft werden kann, ein in Deutschland be-
währtes Instrument darstellt. Dieses Schlichtungsverfahren weist viele Vor-
züge auf, die so weit wie möglich genutzt werden sollten. Dieser Umstand
sollte auch in der europäischen Diskussion berücksichtigt werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9398

Die Schlichtung hat gegenüber einem Klageverfahren vor den ordentlichen
Gerichten deutliche Vorteile, weil sie für die Betroffenen kostengünstiger,
einfacher, bürokratiearm und ohne vertiefte Rechtskenntnisse zu handhaben
ist. Die im sechsten „Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der Emp-
fehlungen des Zentralen Kreditausschusses zum Girokonto für jedermann“
wiedergegebenen Zahlen über den Abschluss dieser Schlichtungsverfahren
belegen, dass diese den Betroffenen in aller Regel zu einem Konto verhelfen
können.

Der Zugang zu einem Schlichtungsverfahren scheint bisher in der Praxis al-
lerdings nicht für alle Betroffenen gewährleistet, die ein Konto wünschen.
Die mit Fakten belegten Angaben der Verbraucherorganisationen legen den
Schluss nahe, dass bislang nicht alle Verbraucher von den Banken darüber
informiert werden, dass sie die Kontoverweigerung durch ein kostenloses
Schlichtungsverfahren überprüfen lassen können, wie dies in der Empfeh-
lung der Deutschen Kreditwirtschaft von 1995 vorgesehen ist. Auf Seiten
der Banken scheint vielfach ein „Informationsweitergabedefizit“ zu beste-
hen, das auch nicht durch den seit dem Jahr 2005 existierenden Vordruck der
Deutschen Kreditwirtschaft hinreichend gelöst wurde.

Dadurch wird faktisch vielen kontolosen Verbrauchern die Möglichkeit vor-
enthalten, das kostenlose Schlichtungsverfahren zu nutzen. Es reicht in die-
sem Zusammenhang nicht aus und würde auch der genannten Empfehlung
widersprechen, dass sich die Betroffenen über die Internetseiten der Ver-
bände der Kreditwirtschaft über das Schlichtungsverfahren informieren
können. Hier sieht der Deutsche Bundestag einen dringenden gesetzlichen
Handlungsbedarf. Die Textform für die Ablehnung eines Kontowunsches und
für den Hinweis auf die Möglichkeit der Schlichtung würde den Betroffenen
nicht nur erleichtern, die Gründe für die Ablehnung zu erfahren, sondern ihnen
auch die Schlichtung in deutlich mehr Fällen als bisher ermöglichen. Das wie-
derum dürfte erfahrungsgemäß in vielen Fällen zur Einrichtung eines Kontos
führen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sich in den Verhandlungen auf europäischer Ebene vorbehaltlich der europa-
rechtlichen Handlungsvoraussetzungen von den oben dargestellten Einschät-
zungen leiten zu lassen und dafür einzutreten, dass

• der Zugang zu einem Basiskonto ermöglicht werden soll und dabei Erwägun-
gen der Unzumutbarkeit berücksichtigt werden;

• die für Verbraucherinnen und Verbraucher einfache und kostengünstige
Streitschlichtung über Schlichtungsverfahren auch für Streitigkeiten über den
Zugang zum Basiskonto vorzuhalten ist;

• Kreditinstitute für die Führung des Kontos angemessene Gebühren verlangen
können.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung gleichzeitig auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, der folgende Anforderungen berücksichtigt:

• Wird der Antrag auf Eröffnung eines Basiskontos verweigert, werden Kredit-
institute gesetzlich verpflichtet, den betroffenen Verbraucherinnen oder Ver-
brauchern die Ablehnung des Antrages auf Kontoeröffnung in Textform mit-
zuteilen und sie darin auch darauf hinzuweisen, dass sie sich an einen
Schlichter wenden können, damit dieser überprüfen kann, ob das Kredit-
institut die Empfehlung zum „Girokonto für jedermann“ beachtet hat.

Drucksache 17/9398 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
• Das Kreditinstitut soll gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleis-
tungsaufsicht insoweit darlegungspflichtig sein, dass es bei der Ablehnung
von Anträgen auf Eröffnung eines Basiskontos seine Informationspflicht
über das Schlichtungsverfahren erfüllt hat. Diese Informationspflicht soll
nicht bestehen, wenn der Verbraucher bereits ein Konto bei einem anderen
Institut unterhält.

• Hat sich ein Kreditinstitut keinem Verband angeschlossen, dem die Schlich-
tungsaufgabe übertragen ist, bedarf es einer gesetzlichen Regelung. In den
Fällen soll das gesetzlich vorgesehene Schlichtungsverfahren bei der Deut-
schen Bundesbank durch eine Änderung des Unterlassungsklagegesetzes er-
weitert werden.

• Die Schlichtung soll im Rahmen der generell für Schlichtungsverfahren gel-
tenden Vorschriften erfolgen und zeitnah durchgeführt werden.

• Die für die Auszahlung von Sozialleistungen zuständigen Stellen sollen die
kontolosen Verbraucher über die neue Rechtslage informieren.

Berlin, den 24. April 2012

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Rainer Brüderle und Fraktion

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