BT-Drucksache 17/9349

Polizei- und Zolleinsätze im Ausland (Stand: erstes Quartal 2012)

Vom 19. April 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9349
17. Wahlperiode 19. 04. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Jan van Aken, Christine Buchholz,
Dr. Diether Dehm, Sevim Dag˘delen, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth,
Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Harald Koch, Niema Movassat,
Wolfgang Neskovic, Petra Pau, Jens Petermann, Paul Schäfer (Köln), Frank
Tempel, Alexander Ulrich und der Fraktion DIE LINKE.

Polizei- und Zolleinsätze im Ausland (Stand: erstes Quartal 2012)

Auslandseinsätze von Polizeibeamtinnen und -beamten entwickeln sich immer
mehr zu einem Mittel deutscher und europäischer Außenpolitik. Die Militärdok-
trin der Europäischen Union, die Europäische Sicherheitsstrategie, sieht aus-
drücklich den kombinierten Einsatz militärischer und ziviler (das heißt auch
polizeilicher) Mittel vor, um „einen besonderen Mehrwert“ zu erzielen.

Diese Entwicklung ist aus mehreren Gründen besorgniserregend.

So leistet sie der Vermischung von polizeilichen und militärischen Zuständig-
keiten Vorschub. Die Grenzen zwischen Polizei und Militär drohen zu ver-
schwimmen. Das gilt umso mehr als gerade bei Einsätzen in Kriegs- und Krisen-
gebieten Polizisten immer wieder in lebensbedrohliche Situationen kommen.
Diese Situationen dienen dann wiederum als Legitimation für eine Aufrüstung
der Polizei bis hin zu Überlegungen, schwerbewaffnete Einheiten der Bundes-
polizei speziell für Auslandseinsätze aufzustellen.

Hinzu kommt, dass für polizeiliche Auslandseinsätze keinerlei parlamentarische
Zustimmung erforderlich ist. Je nach Rechtsgrundlage ist noch nicht einmal die
Information des Deutschen Bundestages vorgeschrieben. Damit wird ein wich-
tiger Bereich der Außenpolitik der parlamentarischen Kontrolle entzogen. Be-
denklich ist dies vor allem wegen der gerade bei Einsätzen in Kriegs- und Kri-
sengebieten stets vorhandenen Eskalationsgefahr. Bei Einsätzen aufgrund § 65
des Bundespolizeigesetzes hat der Deutsche Bundestag nicht einmal ein ver-
brieftes Rückholrecht.

Ähnliches gilt für Einsätze von Zollbeamtinnen und -beamten.

Schließlich gewinnen internationale Einsätze innerhalb der EU zunehmend an
Bedeutung. Einsätze ausländischer Polizisten in Deutschland sowie deutscher
Polizisten im (EU-)Ausland auf der Grundlage des Prümer Vertrages oder bila-
teraler Abkommen unterliegen ebenfalls keiner parlamentarischen Kontrolle.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. An welchen Missionen auf Grundlage von § 8 Absatz 1 des Bundespolizei-
gesetzes sind deutsche Polizistinnen und Polizisten (bitte nach Bundes-
ländern, Zugehörigkeit zur Bundespolizei; zum BKA aufgliedern) sowie
Zollbeamtinnen und -beamte derzeit beteiligt?

Drucksache 17/9349 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

a) Wie viele deutsche Polizistinnen und Polizisten sowie weiteres ziviles
Personal (bitte nach Zugehörigkeit zu Bundesländern, Bundespolizei,
BKA u. a. aufgliedern) sowie Zollbeamtinnen und Zollbeamte sind dabei
jeweils eingesetzt?

b) An welchen Orten, und in welchen Stäben, Einrichtungen und Stellen sind
diese tätig (bitte jeweils die einzelnen Personalzahlen angeben)?

c) Welche tatsächliche Gesamtstärke hat die Mission derzeit?

d) Welche Missionen mit deutscher Beteiligung sind im ersten Quartal 2012
neu hinzugekommen (bitte die rechtliche Grundlage sowie Mandatsgeber
und Missionsträger angeben, die Mandatsobergrenze nennen sowie den
Auftrag der eingesetzten deutschen Kräfte bezeichnen), und inwiefern hat
es Mandatsänderungen bei den bereits bestehenden Missionen gegeben?

e) Wann wird die Mission voraussichtlich beendet sein?

f) Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung eine Veränderung hinsicht-
lich der Art und/oder des Umfangs der deutschen Beteiligung, und bis
wann soll diese umgesetzt sein (bitte gegebenenfalls konkrete Angaben
machen und Zahlen zu den einzelnen Missionen/Einsätzen nennen)?

2. An welchen Einsätzen auf Grundlage von § 65 Absatz 2 des Bundespolizei-
gesetzes (ohne kurzfristige Ausbildungslehrgänge im Sinne nachfolgend auf-
geführter Fragen) waren bzw. sind deutsche Polizistinnen und Polizisten
sowie Zollbeamtinnen und -beamte im ersten Quartal 2012 beteiligt (bitte
nach Bundesländern, Zugehörigkeit zu Bundespolizei/BKA aufgliedern)?

a) Wie viele deutsche Polizistinnen und Polizisten sowie weiteres ziviles
Personal (bitte nach Zugehörigkeit zu den Bundesländern, zur Bundes-
polizei, zum BKA u. a. aufgliedern) sowie Zollbeamtinnen und Zoll-
beamte waren/sind dabei jeweils eingesetzt?

b) An welchen Orten und in welchen Stäben, Einrichtungen und Stellen wa-
ren/sind sie tätig (bitte jeweils die einzelnen Personalzahlen angeben)?

c) Welche tatsächliche Gesamtstärke hat der Einsatz derzeit?

d) Welche Einsätze mit deutscher Beteiligung sind im ersten Quartal 2012
neu hinzugekommen, und inwiefern hat es relevante Änderungen (vor
allem Auftrag, Zweck, Durchführung und Kräfteansatz) bei den bereits
bestehenden Einsätzen gegeben?

3. Welche Informationen liegen der Bundesregierung bezüglich sicherheitsrele-
vanter Vorfälle vor, in die deutsche Polizistinnen und Polizisten sowie Zoll-
beamtinnen und -beamte im ersten Quartal 2012 involviert bzw. denen sie
ausgesetzt waren?

4. Wie bewertet die Bundesregierung die politische und militärische Gefähr-
dungslage in den jeweiligen Einsatzgebieten (bitte Veränderungen darstel-
len)?

5. Wie viele Verbindungsbeamtinnen und -beamte des BKA halten sich derzeit
in welchen Ländern auf (bitte jeweils die Einsatzländer und -orte sowie die
zugehörige Zahl von Beamtinnen/Beamten angeben)?

6. Wie viele deutsche Polizeibeamte werden derzeit im Ausland als

a) Dokumentenberater,

b) Sicherheitsbeamte,

c) Grenzpolizeiliche Verbindungsbeamte,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9349

d) Unterstützungskräfte sowie Berater in Fragen der Grenzsicherheit ein-
gesetzt (bitte jeweils, das heißt zu jedem Unterpunkt, Einsatzland und -ort
sowie die Zahl der eingesetzten Polizeibeamten nennen und angeben, ob sie
vom BKA, der Bundespolizei oder einer Länderpolizei gestellt werden)?

e) In welche der durch Verordnung (EG) Nr. 377/2004 zur Schaffung eines
Netzes von Verbindungsbeamten für Einwanderungsfragen geschaffenen
örtlichen oder regionalen Kooperationsnetze der Verbindungsbeamten der
EU-Staaten für Einwanderungsfragen sind die in den Teilfragen 6c und 6d
genannten Kräfte eingebunden?

7. Wie viele deutsche Polizeibeamte wurden im ersten Quartal 2012 im Rahmen
der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außen-
grenzen (FRONTEX) eingesetzt

a) als Dokumentenberater im Rahmen welcher Operationen und an welchen
Standorten,

b) als Mitarbeiter in der Warschauer Zentrale (bitte mit der jeweiligen Funk-
tion auflisten),

c) als Teilnehmer von Operationen zur Überwachung und Kontrolle der
Außengrenzen, die deutsches Gerät aus dem FRONTEX-Zentralregister
der verfügbaren technischen Ausrüstungsgegenstände (CRATE) bedienen
(bitte mit Einsatzstandorten und jeweiligem Tätigkeitsprofil nennen),

d) als Mitglieder der „europäischen Grenzschutzteams“ im Rahmen von ge-
meinsamen Aktionen, Pilotprojekten oder für Soforteinsätze zu Grenz-
sicherungszwecken (bitte einzeln aufführen),

e) im Rahmen gemeinsamer Rückführungsmaßnahmen unter der Koordina-
tion von FRONTEX (bitte mit dem jeweiligem Zielstaat der Maßnahme,
den teilnehmenden EU-Staaten, den Gesamtkosten und dem deutschen
Kostenanteil auflisten) und

f) wie viele Erkenntnismeldungen oder sonstige Mitteilungen zu besonderen
Ereignissen gab es vonseiten der deutschen Kräfte an das Bundespolizei-
präsidium, und was war der Inhalt dieser Meldungen?

8. An welchen weiteren internationalen Einsätzen auf der Grundlage des Prümer
Vertrages oder entsprechender bilateraler Abkommen (ausgenommen die
Nacheile) haben deutsche Polizisten – soweit die Bundesregierung Kenntnis
davon hat – im ersten Quartal 2012 teilgenommen?

a) Wann und wo fanden diese Einsätze jeweils statt (bitte angeben, in wel-
chen Einheiten bzw. in welchen Stäben bzw. Dienststellen usw. die deut-
schen Polizeikräfte eingesetzt waren)?

b) Was waren Anlass und Zweck der Einsätze?

c) Wie viele deutsche Polizisten waren daran beteiligt (bitte die Herkunft
nach Länderpolizeien/Bundespolizei/BKA angeben)?

d) Von wem ging das Ersuchen aus?

e) Inwiefern haben die deutschen Polizisten von ihrer Befugnis zur Anwen-
dung unmittelbaren Zwangs Gebrauch gemacht?

f) Welche Einsatzmittel und Fahrzeuge aus deutschen Beständen wurden
jeweils mitgeführt?

9. Welche Ausbildungsmaßnahmen für ausländische Sicherheitskräfte haben
deutsche Polizeibeamtinnen und -beamte im ersten Quartal 2012 durchge-
führt bzw. an welchen waren sie beteiligt (bitte sowohl bereits abgeschlos-

sene als auch aktuell stattfindende sowie fortgesetzte Maßnahmen angeben)?

Drucksache 17/9349 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
a) Wie lauten die Bezeichnungen der Maßnahmen, und wo fanden bzw. fin-
den sie statt?

b) Was sind die Ziele der Maßnahmen, und über welchen Zeitraum er-
strecken sie sich?

c) Wie vielen und welchen ausländischen Sicherheitskräften wurde bzw.
wird welche Art der Ausbildung gewährt?

d) Worin bestanden/bestehen die Aufgaben und Tätigkeiten der deutschen
Polizeibeamtinnen und -beamten, und in welchen Stäben, Einrichtungen
und sonstigen Stellen waren bzw. sind sie vertreten?

e) Wie viele deutsche Polizeibeamtinnen und -beamte waren jeweils an den
Maßnahmen beteiligt (bitte für die einzelnen Maßnahmen detailliert aus-
weisen)?

f) Welche Kosten entstanden bzw. entstehen der Bundesrepublik Deutsch-
land für die Ausbildungsmaßnahmen, und aus welchen Haushaltstiteln
wurden diese bestritten?

10. Welche Ausbildungsmaßnahmen für ausländische Sicherheitskräfte sind für
die nächste Zukunft geplant, welche Kosten werden dem Bund dafür ent-
stehen, und aus welchen Haushaltstiteln sollen diese bestritten werden (bitte
nach dem Schema der vorangegangenen Frage beantworten)?

11. In welchem Rahmen sind außerdem noch deutsche Polizistinnen und Poli-
zisten bzw. Zollbeamtinnen und -beamte im Ausland eingesetzt, und welche
Tätigkeiten verrichten sie dort (bitte nach Einsatzländern und -orten sowie
der Zugehörigkeit zu Bundesländern/BKA/Bundespolizei aufgliedern)?

Berlin, den 19. April 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.