BT-Drucksache 17/9163

Ausgestaltung einer Finanztransaktionssteuer

Vom 27. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9163
17. Wahlperiode 27. 03. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Axel Troost, Dr. Barbara Höll, Harald Koch, Ralph Lenkert,
Richard Pitterle, Michael Schlecht, Sahra Wagenknecht und der Fraktion
DIE LINKE.

Ausgestaltung einer Finanztransaktionssteuer

Am 28. September 2011 hat die Europäische Kommission einen Entwurf für
eine „Richtlinie des Rates über das gemeinsame Finanztransaktionssteuersys-
tem und zur Änderung der Richtlinie 2008/7/EG“ (nachfolgend Kommissions-
entwurf genannt) vorgelegt. Darin werden die wesentlichen Modalitäten für eine
EU-weite Finanztransaktionssteuer festgelegt.

Alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien treten für eine EU-weite
Finanztransaktionssteuer ein. Der Kommissionsentwurf ist die zentrale Referenz,
um über die konkrete Ausgestaltung einer EU-weiten oder teileuropäischen
Steuer zu diskutieren. Für ein optimales Steuerdesign sind verschiedene Aspekte
genauer zu betrachten, etwa die Steuerbasis, die Steuersätze und Maßnahmen
gegen Steuervermeidung.

Neben dem von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Ansässigkeits-
prinzip (Besteuerung nach dem Sitzland der Transaktionsparteien) wurde von
verschiedenen Seiten zuletzt das Ausgabeprinzip (Besteuerung von Transaktio-
nen mit Finanzprodukten, die durch EU-ansässige juristische Personen emittiert
wurden) verstärkt in die Diskussion eingebracht. Der Ausschuss für Wirtschaft
und Währung (ECON-Ausschuss) des Europäischen Parlaments hat sich bei-
spielsweise am 29. Februar 2012 für eine Kombination des Ansässigkeitsprin-
zips mit dem Ausgabeprinzip ausgesprochen. Umgehungsmöglichkeiten sollen
nach Willen des ECON-Ausschusses des Europäischen Parlaments dadurch ver-
ringert werden, dass Finanztransaktionen wie bei der britischen Stempelsteuer
erst mit Zahlung der Steuer Rechtskraft erhalten (nachfolgend Stempelprinzip
genannt).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Für welche Änderungen am Kommissionsentwurf setzt sich die Bundes-
regierung vorrangig ein?

2. Sind nach Ansicht der Bundesregierung bei Umsetzung des Kommissions-
entwurfs ähnliche Abwanderungserscheinungen zu erwarten wie bei der frü-

heren schwedischen Börsenumsatzsteuer?

3. Welche Wirkung wird die Finanztransaktionssteuer bei der Umsetzung des
Kommissionsentwurfs nach Einschätzung der Bundesregierung auf den
Hochfrequenzhandel in der EU haben?

Drucksache 17/9163 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Wie schätzt die Bundesregierung den Umfang von Abwanderungen zwecks
Steuervermeidung ein, wenn eine nach dem Kommissionsentwurf ausge-
staltete Finanztransaktionssteuer unterstellt wird?

5. Welche zusätzlichen Maßnahmen gegen Steuervermeidung hält die Bundes-
regierung bei der EU-Richtlinie für erforderlich?

6. Welche zusätzlichen Maßnahmen gegen Steuervermeidung hält die Bundes-
regierung bei der späteren Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht
für erforderlich?

7. Setzt sich die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Finanztrans-
aktionssteuer für eine Besteuerung nach dem Reverse-Charge-Verfahren
ein (bitte mit Begründung)?

8. Setzt sich die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Finanztrans-
aktionssteuer für eine steuerschuldnerische Haftung aller Zwischenhändler
in der Transaktionskette ein (bitte mit Begründung)?

9. Setzt sich die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Finanztrans-
aktionssteuer für eine Gruppenbesteuerung ein (bitte mit Begründung)?

10. Wird sich die Bundesregierung für eine andere Möglichkeit einsetzen,
von EU-ansässigen Muttergesellschaften ausgelagerte außereuropäische
Töchter steuerpflichtig zu machen, und wenn ja, wie genau?

11. Setzt sich die Bundesregierung für eine Nichtdurchführbarkeit unbesteuerter
Finanztransaktionen ein (Stempelprinzip), wie sie im britischen Stempel-
steuersystem vorgesehen ist?

12. Welche deutschen Gesetze müssten bei Einführung des Stempelprinzips
angepasst werden?

13. Wie beurteilt die Bundesregierung die Wirksamkeit des Stempelprinzips
für Derivate?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag des ECON-Ausschusses
des Europäischen Parlaments, dass ein unbesteuertes Finanzprodukt nicht
für ein zentrales Clearing in Frage käme?

15. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag des ECON-Ausschusses
des Europäischen Parlaments, dass ein unbesteuertes Finanzprodukt nicht
bei den Eigenkapitalanforderungen nach CRD IV (CRD = Capital Require-
ments Directive) anerkannt werden solle?

16. Wie beurteilt die Bundesregierung eine Kopie der britischen Stempelsteuer
im nationalen Alleingang aus europarechtlichen Gesichtspunkten?

17. Welches Aufkommen würde eine Kopie der britischen Stempelsteuer in
Deutschland erbringen?

18. Wird sich die Bundesregierung für eine Kombination von Ausgabe- und
Ansässigkeitsprinzip einsetzen, um eine möglichst breite Steuerbasis zu
erreichen?

19. Wie steht die Bundesregierung zur Einführung eines europäischen Zentral-
verwahrers nach Vorbild der britischen CREST?

20. Sind nach Ansicht der Bundesregierung die mit der EU-Finanzmarktricht-
linie (MiFID) und European Market Infrastructure Regulation (EMIR) ge-
planten Berichtspflichten ausreichend, um sämtliche Transaktionen von
EU-Ansässigen weltweit erfassen und damit besteuern zu können?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9163

21. Hält die Bundesregierung die Nutzung der elektronischen Plattformen zum
Zahlungsausgleich wie CLS Bank, TARGET (Trans-European Automated
Realtime Gross Settlement Express Transfer System) etc. oder des Informa-
tionssystems SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecom-
munication) für die Erhebung geeignet, und um Umgehungsversuche zu
verhindern?

22. Hält die Bundesregierung die von der Europäischen Kommission vorge-
schlagenen Mindeststeuersätze in Zusammenhang mit den jeweils vorge-
schlagenen Bemessungsgrundlagen für angemessen?

23. Hält die Bundesregierung die von der Europäischen Kommission vorge-
schlagene Bemessungsgrundlage für Derivate (Nominalbetrag) für ange-
messen?

24. Lässt sich nach Ansicht der Bundesregierung die Multiplikationsmöglich-
keit bei Swaps als Maßnahme zur offensichtlichen Steuerumgehung unter-
binden (Nominalbetrag wird durch einen willkürlich großen Faktor geteilt,
während alle Zahlungen mit diesem Faktor multipliziert werden)?

25. Wird sich die Bundesregierung für höhere Steuersätze auf OTC-Geschäfte
(OTC = Over the Counter) einsetzen, um Anreize für eine Abwicklung über
stärker regulierte Handelsplätze zu schaffen?

26. Setzt sich die Bundesregierung für eine Einbeziehung von Devisenspot-
transaktionen ein?

27. Auf welche juristischen Stellungnahmen und Gutachten stützt sich die
Bundesregierung bei der Beurteilung der (Nicht-)Einbeziehung von Devisen-
spottransaktionen?

28. Wie beurteilt die Bundesregierung die Rechtsauffassung verschiedener
Experten (u. a. Prof. Lieven Denys, Brüssel, vorgetragen bei der Anhörung
des Finanzausschusses am 30. November 2011), wonach die Besteuerung
von Devisenspottransaktionen juristisch durchaus zulässig sei?

Berlin, den 27. März 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.