BT-Drucksache 17/9162

Aufsicht des Deutschen Patent- und Markenamts über die Verwertungsgesellschaften vor dem Hintergrund der urheberrechtlichen Bestimmungen zum Kopieren aus Schulbüchern

Vom 27. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9162
17. Wahlperiode 27. 03. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, Herbert
Behrens, Nicole Gohlke, Ulla Jelpke, Dr. Lukrezia Jochimsen, Jan Korte, Jens
Petermann, Raju Sharma, Kathrin Senger-Schäfer, Frank Tempel, Halina
Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Aufsicht des Deutschen Patent- und Markenamts über die
Verwertungsgesellschaften vor dem Hintergrund der urheberrechtlichen
Bestimmungen zum Kopieren aus Schulbüchern

Der Streit um die Einführung einer Kontrollsoftware, zu deren Einführung sich
die Bundesländer auf Druck der Verlage verpflichtet hatten, hat sich mittler-
weile etwas gelegt. Das Grundproblem dahinter jedoch bleibt bestehen. Die
Bundesländer müssen immer mehr für das Fotokopieren an Schulen zahlen,
während Lehrerinnen und Lehrer zunehmend unter Druck gesetzt werden, keine
Seite zu viel zu kopieren und schon gar keine digitalen Kopien anzufertigen,
weil sonst Konsequenzen wegen Urheberrechtsverletzungen drohten. Diese
Situation ist eine Folge des zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Verbots, aus
Unterrichtsmaterialien zu kopieren. Früher war die Verwendung von kopierten
Arbeitsblättern oder sonstigen Materialien aus Schulbüchern erlaubt, und die
Länder zahlten dafür im Rahmen ihrer Pauschalabgabe, die sie ohnehin für
Kopien und das Aufstellen von Kopiergeräten an die Rechteinhaber zahlten.
Seit 2008 jedoch sind die Bundesländer gezwungen, mit den Verwertungs-
gesellschaften privatwirtschaftliche Lizenzverträge abzuschließen. So sieht der
zwischen den Bundesländern, der Gesellschaft bürgerlichen Rechts „Zentral-
stelle Fotokopieren an Schulen“ und dem Verband Bildungsmedien e. V. ge-
schlossene „Gesamtvertrag zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen
nach § 53 UrhG“ (UrhG = Urheberrechtsgesetz) vom 21. Dezember 2010 jähr-
liche Zahlungen der Bundesländer zwischen 7,3 Mio. Euro (für das Jahr 2011)
und 9 Mio. Euro (für das Jahr 2014) vor. Abgegolten sind dadurch allerdings
lediglich analoge Kopien aus Schulbüchern. Was mit dem Geld passiert, ist
intransparent. Es fließt offenbar zum Teil direkt an die Schulbuchverlage, zum
Teil an Verwertungsgesellschaften (VG), die diesen Anteil an die Verlage wei-
terleiten – unter Umgehung der Urheber, die von den Ausschüttungen in diesem
Bereich nichts abbekommen.

Auch wenn die Regelungen vor allem Ländersache sind, trifft die Bundesregie-
rung eine Mitverantwortung. Sie hat 2008 jene urheberrechtlichen Regelungen

verabschiedet, die den Auseinandersetzungen zwischen Bundesländern und Ver-
lagen zugrunde liegen. Zudem ist das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA)
als Aufsichtsbehörde der Verwertungsgesellschaften dem Bundesministerium
der Justiz unterstellt.

Drucksache 17/9162 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung bzw. des DPMA der je-
weilige Anteil, den VG WORT, VG BD- KUNST und VG MUSIKEDITION
für die Jahre 2008 bis 2010 aus dem „Gesamtvertrag Schule – Gesamtvertrag
zur Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 UrhG“ vom
30. Oktober 2008 erhalten haben?

Welcher Anteil floss dem Verband Bildungsmedien e. V. zu?

Wie hoch ist der Verwaltungskostenanteil der „Zentralstelle Fotokopieren an
Schulen – ZFS“ (bitte aufschlüsseln nach Jahren)?

2. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung bzw. des DPMA der je-
weilige Anteil, den VG WORT, VG BD- KUNST und VG MUSIKEDITION
für die Jahre 2011 bis 2014 aus dem „Gesamtvertrag zur Einräumung und
Vergütung von Ansprüchen nach § 53 UrhG“ vom 21. Dezember 2010 erhal-
ten haben bzw. erhalten werden?

Welcher Anteil floss bzw. fließt dem Verband Bildungsmedien e. V. zu?

Wie hoch ist der Verwaltungskostenanteil der „Zentralstelle Fotokopieren an
Schulen – ZFS“ (bitte aufschlüsseln nach Jahren)?

3. Wie hoch waren nach Kenntnis der Bundesregierung bzw. des DPMA die
Zahlungen, die VG BD- KUNST und VG MUSIKEDITION für das Jahr
2007 von den Bundesländern für das – seinerzeit im Rahmen einer gesetzli-
chen Lizenz erlaubte – Fotokopieren an Schulen erhalten haben?

4. Hat die Bundesregierung Kenntnis von dem weiteren Vertrag, der dem
Geschäftsbericht der VG WORT von 2008 zufolge die „interne Verteilung“
der von den Ländern geleisteten Zahlungen zwischen Verwertungsgesell-
schaften und Schulbuchverlagen regelt?

Falls ja, welche Regelung zur Verteilung enthält er?

Falls nein, hat die Bundesregierung Kenntnis von einer Bewertung dieses
Vertrags durch das DPMA, und wenn ja, welchen Inhalts?

5. In welcher Höhe leisten die Bundesländer nach Kenntnis der Bundesregie-
rung bzw. des DPMA über die im Gesamtvertrag zum Kopieren aus Unter-
richtsmaterialien festgelegten Beträge hinaus für Kopien an Schulen, Hoch-
schulen und sonstigen öffentlichen Einrichtungen Zahlungen an Verwer-
tungsgesellschaften (etwa Betreiberabgabe, sonstige Gesamtverträge)?

6. Ist die Vervielfachung der Kosten für das Fotokopieren aus Schulbüchern
nach Kenntnis der Bundesregierung auf das 2008 in Kraft getretene Verbot
des Kopierens aus Schulbüchern zurückzuführen?

Falls ja, welche Schlüsse zieht die Bundesregierung daraus für ihre Reform-
überlegungen im Rahmen des Dritten Korbs der Urheberrechtsgesetz-
gebung?

Falls nein, worauf dann?

7. Wie bewertet die Bundesregierung die im Geschäftsbericht der VG WORT
über das Jahr 2009 dokumentierte Änderung des Verteilungsplans, derzu-
folge sie die für das Fotokopieren aus Schulbüchern, Unterrichtsmaterialien
und kartographischen Darstellungen festgestellten Anteile abweichend von
den §§ 2 und 3 der Verteilungspläne Wissenschaft zu 100 Prozent, ein-
schließlich Autorenanteil, an die Verlage ausschüttet, vor dem Hintergrund
der treuhänderischen Verwaltung der Gelder und der Funktion von Verwer-
tungsgesellschaften, die Rechte von Urhebern und Verwertern gemeinsam

wahrnehmen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9162

8. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, wie das DPMA diese Änderung
des Verteilungsplans der VG WORT vor dem Hintergrund bewertet, dass
Wahrnehmungsverträge der Inhaltskontrolle nach den Bestimmungen des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 305 ff.) über Allgemeine Geschäftsbedingun-
gen unterworfen sind (vgl. auch BGH GRUR 2002, 332/333 – Klausur-
erfordernis; GRUR 2005, 757/759 – Pro-Verfahren; GRUR 2006, 319/321 –
Alpensinfonie; dazu ausführlich auch Augenstein, Rechtliche Grundlagen
des Verteilungsplans urheberrechtlicher Verwertungsgesellschaften, 2004,
S. 73 ff.)?

9. Kann aus Sicht der Bundesregierung bzw. des DPMA ausgeschlossen wer-
den, dass auch Urheber Inhaber der für die betreffende Ausschüttung rele-
vanten Nutzungsrechte sind?

Falls ja, auf welcher Grundlage?

10. Wurde nach Kenntnis der Bundesregierung bzw. des DPMA von den Ver-
lagen der Nachweis einer alleinigen Inhaberschaft des Rechts der An-
fertigung von Kopien aus Schulbüchern geführt?

Falls ja, in welcher Weise?

11. Hat die Bundesregierung Kenntnis von sonstigen Ausschüttungen der Ver-
wertungsgesellschaften im Aufsichtsbereich des DPMA, welche einseitig
zu Gunsten der Verwerter ausgeschüttet werden?

Falls ja, in welchen konkreten Fällen, und mit welcher jeweiligen Begrün-
dung?

12. Ist aus Sicht der Bundesregierung bzw. des DPMA sichergestellt, dass Un-
kosten, die durch den Einzug, die Verwaltung und die Ausschüttung der
Gelder an die Verlage entstehen, nicht von der Gemeinschaft aller Wahr-
nehmungsberechtigten, sondern nur von den Begünstigten getragen wer-
den?

Falls ja, in welcher Weise?

Falls nein, wie verträgt sich die Umwälzung dieser Kosten auf alle Wahr-
nehmungsberechtigten mit dem Treuhandgrundsatz?

13. Wie beurteilt die Bundesregierung den Umstand, dass die von der VG
WORT erzielten Einnahmen für Fotokopien aus Schulbüchern den Ge-
schäftsberichten der VG WORT zufolge von 3,24 Mio. Euro im Jahr 2007
auf 1,72 Mio. Euro im Jahr 2008, 1,85 Mio. Euro im Jahr 2009 und
1,53 Mio. Euro im Jahr 2010 gefallen sind, weil „erhebliche Beträge
unmittelbar den Schulbuchverlagen zukommen“, wie es im Geschäftsbe-
richt für das Jahr 2008 heißt, beziehungsweise weil seither, laut Geschäfts-
bericht 2010, „weitere Schulbuchverlage die einschlägigen Rechte von der
VG WORT zurückgerufen haben“, vor dem Hintergrund der Einführung
des Verbots von Kopien aus Schulbüchern in den §§ 46, 52a und 53 zum
1. Januar 2008, und welche Konsequenzen zieht sie daraus für die bevor-
stehende Urheberrechtsreform?

14. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung bzw. des DPMA der
Anteil der Schulbuchverlage, die die für Kopien aus Schulbüchern ein-
schlägigen Rechte von Verwertungsgesellschaften zurückgerufen haben?

15. Welche Kompetenzen haben die Verwertungsgesellschaften nach Kenntnis
der Bundesregierung bzw. des DPMA der Gesellschaft bürgerlichen Rechts
„Zentralstelle Fotokopieren an Schulen – ZFS“, die im „Gesamtvertrag zur
Einräumung und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 UrhG“ vom
21. Dezember 2010 als Vertragspartner der Bundesländer genannt wird, auf

Grundlage welcher Regelungen des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes
übertragen?

Drucksache 17/9162 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

16. Wie hoch sind nach Kenntnis der Bundesregierung bzw. des DPMA die
Verwaltungskosten der ZFS, und wer trägt sie?

17. Hat die Bundesregierung oder das DPMA Kenntnis davon, auf welcher
Rechtsgrundlage die ZFS im Namen der in ihr zusammengefassten, staat-
lich kontrollierten Verwertungsgesellschaften mit den Bundesländern ver-
handelt?

18. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass sich die Aufsicht des DPMA
über die Verwertungsgesellschaften auch auf die Geschäftstätigkeit der ZFS
erstreckt?

Falls nein, wie ist sichergestellt, dass das DPMA dennoch die treuhänderi-
sche Verwaltung der Gelder kontrollieren kann?

19. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass auch mit dem 2010
erneuerten „Gesamtvertrag zur Einräumung und Vergütung von An-
sprüchen nach § 53 UrhG“ keine Einigung über die Nutzung von Schul-
buchinhalten im Schulintranet erzielt werden konnte, vor dem Hintergrund,
dass Kopien aus Schulbüchern seit 2008 nur noch mit Genehmigung des
Rechteinhabers möglich sind und im Hinblick auf die anstehende Gesetzes-
novelle zur Reform des Urheberrechts (Dritter Korb)?

20. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass sich infolge des 2008
eingeführten Verbots der Herstellung digitaler Kopien aus Unterrichtsmate-
rialien die Bundesländer zum Einsatz einer Plagiatssoftware verpflichtet
haben, mit der digitale Kopien von für den Unterrichtsgebrauch an Schulen
bestimmten Werken auf Speichersystemen identifiziert werden können (des
sogenannten Schultrojaners), im Hinblick auf die anstehende Gesetzesno-
velle zur Reform des Urheberrechts (Dritter Korb)?

21. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass infolge des 2008
eingeführten Verbots der Herstellung digitaler Kopien aus Unterrichtsmate-
rialien die Länder jährlich 440 000 Euro für Nutzungen im Rahmen des
§ 52a an die Rechteinhaber zahlen und dennoch keine digitalen Vervielfäl-
tigungen aus für den Unterrichtsgebrauch vorgesehenen Werken anfertigen
dürfen?

22. Wie beurteilt die Bundesregierung die geplante Kontrollsoftware vor dem
Hintergrund, dass Lehrinhalte zunehmend unter freien Lizenzen zur Ver-
fügung gestellt werden und dass auch von Verlagen produzierte Lehr-
materialien zunehmend frei lizenzierte Inhalte integrieren?

23. Inwiefern evaluiert die Bundesregierung ihre Urheberrechtsgesetzgebung
im Hinblick auf die finanziellen Folgen für die Bundesländer?

24. Wie bewertet die Bundesregierung die geplante Kontrollsoftware (den so-
genannten Schultrojaner) im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der
Rechtsdurchsetzung im Bereich des Urheberrechts?

25. Wie bewertet die Bundesregierung die geplante Kontrollsoftware (den so-
genannten Schultrojaner) im Hinblick auf das geltende Datenschutzrecht,
insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Integrität informationstechni-
scher Systeme?

26. Wie beurteilt die Bundesregierung die im „Gesamtvertrag zur Einräumung
und Vergütung von Ansprüchen nach § 53 UrhG“ getroffene Vereinbarung
über den Einsatz einer Plagiatssoftware im Hinblick auf § 11 des Urheber-
rechtswahrnehmungsgesetzes?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/9162

27. Auf welche Daten soll sich nach Kenntnis der Bundesregierung der Einsatz
der geplanten Plagiatssoftware stützen, und in welcher Weise wird sicher-
gestellt, dass Rechteinhaber von dieser Software verlässlich identifiziert
werden?

Inwiefern ist ein Abgleich mit Datenbanken der Verwertungsgesellschaften
geplant?

Berlin, den 27. März 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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