BT-Drucksache 17/9063

Demokratie stärken, Lobbyismus verhindern und Parteienfinanzierung transparenter gestalten

Vom 21. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9063
17. Wahlperiode 21. 03. 2012

Antrag
der Abgeordneten Raju Sharma, Jan Korte, Agnes Alpers, Dr. Dagmar Enkelmann,
Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie Hein, Ulla Jelpke, Petra Pau, Jens Petermann,
Dr. Petra Sitte, Frank Tempel, Halina Wawzyniak und der Fraktion DIE LINKE.

Demokratie stärken, Lobbyismus verhindern und Parteienfinanzierung
transparenter gestalten

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Parteienrecht bedarf einer grundsätzlichen Reform. Ereignisse aus der
jüngsten Vergangenheit wie Großspenden aus dem Hotelgewerbe an die Regie-
rungsparteien FDP und CSU, welche zum 1. Januar 2010 eine Absenkung des
Umsatzsteuersatzes für Hotelübernachtungen vorgenommen hatten, sowie die
Buchung von Gesprächen mit den Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers und
Stanislaw Tillich und von Ausstellungsflächen auf CDU-Parteitagen durch Un-
ternehmen haben gezeigt, dass das Parteiengesetz in seiner derzeitigen Form
Schutzlücken aufweist. Parteien- und Politikverdrossenheit in der Bevölkerung
sind die Folge solcher Vorkommnisse.

Die Staatengruppe gegen Korruption des Europarates (GRECO) hat in ihrem am
4. Dezember 2009 verabschiedeten Bericht Deutschland 20 Änderungen zur
Verbesserung der Transparenz von Parteienfinanzierung zur Umsetzung bis zum
30. Juni 2011 empfohlen. Der Gesetzgeber ist aber bis heute nicht in diese Rich-
tung aktiv geworden. Auch der Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert sieht
gemäß seinem jüngsten Bericht vom 16. Dezember 2011 über die Rechenschafts-
berichte 2008 und 2009 der Parteien sowie über die Entwicklung der Partei-
finanzen (Bundestagsdrucksache 17/8200) gesetzgeberischen Änderungsbedarf.

Die Einflussnahme von Großunternehmen auf die Politik stellt eine Gefahr für
die Demokratie dar. Diese Gefahr erkannte schon 1949 Albert Einstein: ,Die
Folge [von Parteienfinanzierung durch Unternehmen] ist, dass die „Volksvertre-
ter“ die Interessen der unterprivilegierten Schicht der Bevölkerung nicht ausrei-
chend schützen‘ (Albert Einstein, Essay „Why Socialism?“, Mai 1949, 1. Aus-
gabe der „Monthly Review“). Dabei ist allein der Anschein der Käuflichkeit
geeignet, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik und deren In-
tegrität zu erschüttern. Die verfassungsrechtlich verankerte Unabhängigkeit der
Abgeordneten als Vertreterinnen und Vertreter des gesamten Volkes ist Kernele-
ment der parlamentarischen Demokratie. Sie soll sicherstellen, dass das Ge-

meinwohl der Bevölkerung Leitmaßstab allen parlamentarischen Handelns ist.
Die Finanzierung der im Parlament vertretenen Parteien durch Großunterneh-
men gefährdet dieses Prinzip, weil sie die Abgeordneten dazu verleiten kann,
sich bei der Wahrnehmung ihres Mandats im Rahmen von gesetzgeberischen
Entscheidungen nicht ausschließlich vom Gemeinwohl, sondern (auch) vom
Interesse der spendenden Unternehmen leiten zu lassen. Auf diesem Wege erlan-
gen finanzstarke Unternehmen wie Kapitalgesellschaften im Prozess der politi-

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schen Partizipation einen erheblichen Vorteil gegenüber einfachen Bürgerinnen
und Bürgern. Wenn jedoch das Prinzip demokratischer Gleichheit, das nach dem
Grundsatz „One man, one vote“ in einem strikt formalen und egalitären Sinne
zu verstehen ist (vgl. BVerfGE 8, S. 51, 64 ff.), nicht verletzt werden soll, dürfen
und sollen die sozialen und wirtschaftlichen Asymmetrien, wie sie die Gesell-
schaft prägen, nicht auf den politischen Prozess durchschlagen, ökonomisch
stärkere nicht gegenüber ökonomisch schwächeren Interessen privilegierten
Einfluss erlangen (vgl. Uwe Volkmann, Schriftliche Stellungnahme zur 12. Sit-
zung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 7. Juni 2010, S. 2).

Das Parteienrecht muss dieser Privilegierung Einzelner für mehr Mitgestal-
tungsmöglichkeit Aller entgegenwirken. In seiner derzeitigen Fassung erlaubt es
aber privaten Unternehmen und finanzstarken Einzelpersonen Spenden und
Sponsoring in unbegrenzter Höhe und kann daher seiner ausgleichenden Funk-
tion nicht gerecht werden. Zur Herstellung von Chancengleichheit und Transpa-
renz sind daher das Verbot von Spenden durch juristische Personen und des
Sponsorings, die Begrenzung der Spendenhöhe bei natürlichen Personen sowie
ein Verbot von Vergütungsabreden mit Rückspendenaufforderung und die Sank-
tionierung des Verstoßes gegen das bestehende Verbot von Bargeldspenden über
1 000 Euro geeignete Mittel. Der § 25 ff. des Parteiengesetzes (PartG) sind ent-
sprechend anzupassen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem

1. in § 25 Absatz 2 PartG ein weiteres Annahmeverbot für Spenden juristischer
Personen aufgenommen wird, und § 25 Absatz 2 Nummer 6 PartG entspre-
chend um weitergeleitete Spenden juristischer Personen ergänzt wird;

2. in § 25 Absatz 2 PartG ein weiteres Annahmeverbot für Spenden von natür-
lichen Personen, soweit sie einen Betrag von 25 000 Euro im Jahr übersteigen,
aufgenommen wird;

3. im Rahmen des § 25 ff. PartG das Sponsoring von Parteien und Parteimit-
gliedern untersagt wird, wobei Sponsoring als Zuwendung einer juristischen
Person (Sponsor) an eine Partei oder einzelne Parteimitglieder mit dem Ziel
der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit für den Sponsor zu verstehen ist;

4. die Bargeldspenden aus § 25 Absatz 1 Satz 2 PartG herausgelöst und im Rah-
men des § 25 Absatz 2 PartG geregelt werden, so dass § 25 Absatz 4 PartG
zur Anwendung kommt und Bargeldspenden, die einen Betrag von 1 000 Euro
übersteigen, an den Bundestagspräsidenten weiterzuleiten sind;

5. im Rahmen des § 25 Absatz 2 PartG die Annahme von Spenden untersagt
wird, die aufgrund einer Abrede geleistet werden, der zufolge die Vergütung
für eine zugunsten der Partei erbrachte Dienstleistung ganz oder teilweise an
die Partei zurückgewährt werden soll.

Berlin, den 21. März 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Das Verbot von Spenden und Sponsoring durch juristische Personen wie Unter-

nehmen und Wirtschaftsverbänden sowie eine Begrenzung der Spendenhöhe für
natürliche Personen auf 25 000 Euro jährlich verhindern, dass sich in der Politik

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die finanzleistungsstarken Gesellschaftsakteure und Einzelpersonen mit ihren
politischen und wirtschaftlichen Interessen durchsetzen und damit den verfas-
sungsrechtlichen Grundsatz der demokratischen Egalität gefährden (Artikel 3
Absatz 1, Artikel 20 Absatz 1 und 2, Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgeset-
zes – GG). Durch entsprechende rechtliche Vorgaben würde auch die Chancen-
gleichheit der politischen Parteien und die innerparteiliche Demokratie gestärkt
werden, da die Innensteuerung durch einander gleiche Mitglieder gegenüber
einer Fremdsteuerung von außen wieder mehr Bedeutung gewinnt. Diese Be-
grenzungen würden dem Verfassungsgebot einer demokratischen Binnenord-
nung der Parteien gemäß Artikel 21 Absatz 1 Satz 3 GG, dem Transparenzgebot
aus Artikel 21 Absatz 1 Satz 4 GG und dem freien Mandat nach Artikel 38 Ab-
satz 1 GG in besonderer Weise gerecht werden und rechtfertigen daher die damit
verbundene Einschränkung der Parteienfreiheit.

Zwar dürfen die Parteien nach § 25 Absatz 2 Nummer 7 PartG bereits nach gel-
tender Rechtslage keine Spenden annehmen, die erkennbar in Erwartung oder
als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils
gewährt werden. Allerdings kann die Vorschrift wegen der erheblichen Beweis-
schwierigkeiten (vgl. Prof. Dr. Martin Morlok, Kommentar zum Gesetz über die
politischen Parteien, § 25 Rn. 8 und Kersten/Rixen, Parteiengesetz und europä-
isches Parteienrecht, § 25 Rn. 111) keinen effektiven Schutz für die demokrati-
sche Egalität der Bürgerinnen und Bürger bieten. Zudem steht die Mitwirkung
von juristischen Personen an der politischen Willensbildung, an der die Parteien
mitwirken sollen, nicht unter dem Schutz der Verfassung, da diese letztlich ihren
Ausdruck im Wahlakt findet. Zur Wahl berechtigt sind aber nur natürliche und
nicht etwa juristische Personen. Die Aufnahme eines Verbots von Spenden
juristischer Personen im Rahmen von § 25 Absatz 2 PartG verspricht Abhilfe
(vgl. auch Prof. Dr. Martin Morlok, Stellungnahme zu den Anträgen auf Bun-
destagsdrucksachen 17/892, 17/651, 17/1169 und 17/547, S. 9). Damit diese
aber nicht doch über den Umweg einer natürlichen Person als sogenannten
Strohmann spenden können, muss § 25 Absatz 2 Nummer 6 PartG dahingehend
erweitert werden, dass auch die letztlich von einer juristischen Person stam-
mende weitergeleitete Spende nicht angenommen werden darf. Die Parteien-
finanzierung durch Spenden natürlicher Personen und über Mitgliedsbeiträge
bliebe hiervon unberührt, so dass die – von Teilen der CDU und der FDP vertre-
tene – Behauptung, ein Verbot von Unternehmensspenden würde die völlige
Staatsabhängigkeit der Parteien bedeuten, offenkundig falsch ist.

Um sicherzustellen, dass ein Spendenannahmeverbot nicht umgangen wird,
muss auch das Sponsoring der mit einem Verbot belegten Akteure untersagt wer-
den (vgl. Prof. Dr. Martin Morlok, Stellungnahme zu den Anträgen auf
Bundestagsdrucksachen 17/892, 17/651, 17/1169 und 17/547, S. 12). Unter
Sponsoring sind Zuwendungen von Unternehmen zur Förderung politischer Par-
teien, mit denen regelmäßig auch eigene unternehmensbezogene Ziele der Wer-
bung oder Öffentlichkeitsarbeit verfolgt werden, zu verstehen (vgl. Sponsoring-
Erlass des Bundesministeriums der Finanzen, BStBl I 1998, S. 212). Es handelt
sich dabei um eine relativ junge Form der Kooperation zwischen Parteien und
Unternehmen mit steigender Tendenz. Der Ideenreichtum sowohl der Parteien
als auch der von ihnen um Unterstützung angegangenen bzw. der aus eigenem
Entschluss sich ihnen für Kooperationen anbietenden Privatpersonen und Unter-
nehmen ist unbegrenzt. Die Beispiele reichen von der Ausrichtung eines (die
Parteimittel übersteigenden) Büffets oder der kompletten Verpflegung eines Par-
teitages, bis zur Einräumung von Vergünstigungen (Rabatten) für Parteimitglie-
der (vgl. Bericht der Kommission unabhängiger Sachverständiger zu Fragen der
Parteienfinanzierung vom 19. Juli 2001, Bundestagsdrucksache 14/6710, S. 43).
Vor allem aber die Vermietung von Standflächen auf Parteitagen oder anderen

Parteiveranstaltungen stellt eine häufige Form von Sponsoring dar, von der
CDU, CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mehr oder weniger

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intensiv Gebrauch machen. Nach derzeitiger Rechtslage unterliegt das Sponso-
ring keinerlei parteienrechtlichen Auflagen oder Restriktionen. Die Parteien
sind weder verpflichtet den Wert der Leistung oder den Vertragspartner des
Sponsorings im Rechenschaftsbericht zu nennen noch existieren Verbote über
den Abschluss von Sponsoringvereinbarungen mit bestimmten Unternehmen.
Zusätzlich ergibt sich das Problem einer verdeckten (Teil-)Spende, das immer
dann vorliegt, wenn der Sponsor eine Leistung erbringt, die nicht mehr in einem
angemessenen Verhältnis zur Gegenleistung der Partei steht. Nach Einschätzung
von Parteienrechtlern ist dies in der Praxis häufig der Fall (vgl. Prof. Dr. Martin
Morlok, Stellungnahme zu den Anträgen auf Bundestagsdrucksachen 17/892,
17/651, 17/1169 und 17/547, S. 8). Dieses Missverhältnis eindeutig festzustellen
und zu beziffern, gestaltet sich aber schwierig, da es sich häufig um in ihrem
Wert kaum messbare Gegenleistungen durch die Partei handelt. Ein solches Vor-
gehen kann für Unternehmen deswegen attraktiv sein, weil sie die Sponso-
ringleistung, anders als die Parteispende, die für juristische Personen nicht
absetzbar ist, als Betriebsausgabe steuerlich in Abzug bringen können. Zur
Verhinderung solcher Praktiken und eines insgesamt immer stärker werdenden
Lobbyismus bedarf es des Verbots jeglicher Formen des Sponsorings.

Die Begrenzung von Spenden natürlicher Personen auf jährlich 25 000 Euro
dient ebenfalls der demokratischen Gleichheit der Bürgerinnen und Bürger, um
die privilegierte Teilhabe an der politischen Willensbildung der Finanzkräftige-
ren unter ihnen einzudämmen.

Das bereits im Parteiengesetz vorgesehene Verbot zur Annahme von Bargeld-
spenden von über 1 000 Euro dient dem Transparenzgebot aus Artikel 21 Ab-
satz 1 Satz 4 GG. Es soll die Bildung schwarzer Kassen zur Verschleierung der
Herkunft von Spenden verhindern. Es handelt sich aber um eine bloße nicht
sanktionsbewährte Ordnungsvorschrift. Um dem Transparenzgebot besser ge-
recht zu werden, ist das Bargeldspendenverbot aus § 25 Absatz 1 Satz 2 PartG
herauszulösen und in den Katalog der Spendenannahmeverbote des § 25 Ab-
satz 2 PartG aufzunehmen, so dass als Folge des Verstoßes die Weiterleitungs-
pflicht an den Bundestagspräsidenten nach § 25 Absatz 4 PartG zur Anwendung
kommt (vgl. Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert auf Bundestagsdruck-
sache 17/8200, S. 18; vgl. Kersten/Rixen, Parteiengesetz und europäisches Par-
teienrecht, § 25 Rn. 56 und Ipsen: Das neue Parteienrecht – Eine kritische Be-
standsaufnahme des Achten Gesetzes zur Änderung des Parteiengesetzes, NJW
2002, S. 1909, 1915).

Die doppelte staatliche Subventionierung von Spenden – Steuerbegünstigung
für die Spenderseite und staatliche Bezuschussung für die Partei bezüglich jeder
erlangten Spende – kann zur Manipulation verleiten. Tatsächlich kommt es
immer häufiger zu Vergütungsvereinbarungen zwischen Parteien und ihren Mit-
glieder für Tätigkeiten, die von diesen früher ehrenamtlich ausgeführt wurden
(vgl. Hans Herbert von Arnim, Grundfragen der Parteienfinanzierung, in: 40 Jahre
Parteiengesetz: Symposium im Deutschen Bundestag 2009, S. 35, 46). Dies
kann im Einzelfall auf eine gewandelte Mitgliedsstruktur oder eine veränderte
Arbeitsorganisation zurückzuführen sein. Das Parteienrecht lässt es derzeit auch
zu, dass die Gewährung einer Vergütung an Parteimitglieder für üblicherweise
ehrenamtlich geleistete Aufgaben mit der (heimlichen) Abrede verbunden wird,
einen Teil der vereinbarten – in diesem Sinne überhöhten – Bezahlung der Partei
als Spende zurückgewährt wird, um auf diese Weise der Partei höhere staatliche
Mittel und dem Parteimitglied steuerliche Vorteile zu ermöglichen. Um der-
artige Manipulationen zu verhindern, ist ein entsprechendes Spendenannahme-
verbot in § 25 Absatz 2 PartG aufzunehmen (vgl. Empfehlung von Bundestags-
präsident Dr. Norbert Lammert auf Bundestagsdrucksache 17/8200, S. 16).

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