BT-Drucksache 17/9008

zu dem Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Viola von Cramon-Taubadel, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 17/8460 - Für wirksamen Rechtsschutz im Asylverfahren - Konsequenzen aus den Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ziehen

Vom 19. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/9008
17. Wahlperiode 19. 03. 2012

Beschlussempfehlung und Bericht
des Innenausschusses (4. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Viola von Cramon-Taubadel,
Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 17/8460 –

Für wirksamen Rechtsschutz im Asylverfahren – Konsequenzen aus den
Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte ziehen

A. Problem

Die Antragsteller greifen die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs
und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auf, in denen klarge-
stellt werde, dass ein Asylbewerber nicht in einen Staat überstellt werden dürfe,
in dem die Gefahr unmenschlicher Behandlung drohe, und dass dem Asylbe-
werber auch vor der Überstellung an einen Mitgliedstaat ein wirksames Rechts-
mittel zur Verfügung stehen müsse. Hierzu fordern die Antragsteller die Bundes-
regierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der effektiven Rechtsschutz mit
aufschiebender Wirkung bei Überstellungen im Rahmen der Dublin-II-Ver-
ordnung nach Maßgabe der Europäischen Menschenrechtskonvention und der
europarechtlichen Vorgaben gewährleiste.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.
D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

E. Bürokratiekosten

Wurden nicht erörtert.

Drucksache 17/9008 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 17/8460 abzulehnen.

Berlin, den 9. März 2012

Der Innenausschuss

Wolfgang Bosbach
Vorsitzender

Reinhard Grindel
Berichterstatter

Rüdiger Veit
Berichterstatter

Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Josef Philip Winkler
Berichterstatter

(BVerfG) habe festgestellt, dass es in Deutschland hinrei-
chende Ausnahmetatbestände zur Dublin-Regelung gebe. Gesetze dementsprechend zu ändern. Dies forderten auch
Dies zeige sich auch in der Entscheidung, keine Asylbewer-
ber mehr nach Griechenland rückzuüberstellen. Deutsch-
land verhalte sich der Europäischen Menschenrechtskon-
vention (EMRK) gemäß und europarechtskonform. Soweit

sämtliche Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verweist auf
ihren Antrag und erinnert an die klaren Entscheidungen von
EGMR und EUGH zum Dublin-Verfahren. Der EuGH habe
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/9008

Bericht der Abgeordneten Reinhard Grindel, Rüdiger Veit, Hartfrid Wolff
(Rems- Murr), Ulla Jelpke und Josef Philip Winkler

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 17/8460 wurde in der 155. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 26. Januar 2012 an
den Innenausschuss federführend sowie an den Rechts-
ausschuss, den Ausschuss für Menschenrechte und humani-
täre Hilfe und den Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union zur Mitberatung überwiesen.

II. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Rechtsausschuss hat in seiner 77. Sitzung am 7. März
2012 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag
abzulehnen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat in seiner 56. Sitzung am 7. März 2012 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen
die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags
empfohlen.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat in seiner 60. Sitzung am 7. März 2012 mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gegen
die Stimmen der Fraktionen SPD, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag abzu-
lehnen.

III. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Innenausschuss hat den Antrag auf Drucksache 17/8460
in seiner 67. Sitzung am 7. März 2012 abschließend beraten
und empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen SPD,
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ableh-
nung des Antrags.

Die Fraktion der CDU/CSU sieht in dem Antrag den er-
neuten Versuch, über eine fehlgehende Interpretation einzel-
ner Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen
Union (EuGH) und des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte (EGMR) den Asylkompromiss von 1992/
1993 und insbesondere die Drittstaatenregelung zu Fall zu
bringen. Die Gerichte hätten zu anderen Mitgliedstaaten
entschieden, deren Rechtslage und -praxis der deutschen
nicht vergleichbar sei. Das Bundesverfassungsgericht

widerspreche klar der Rechtslage. Die Fraktion der CDU/
CSU halte am Asylkompromiss und den Ausnahmetatbe-
ständen der Dublin-VO fest und sehe daher aktuell keinen
Handlungsbedarf.

Die Fraktion der SPD meint, es sei fernliegend, EGMR
und EuGH als Erfüllungsgehilfen beim Angriff auf den
deutschen Asylkompromiss zu sehen. Sie seien vielmehr für
alle EMRK-Vertragsstaaten und EU-Mitglieder maßgeb-
liche Obergerichte, die klar entschieden hätten, dass ein
effektiver einstweiliger Rechtsschutz im Dublin-Verfahren
möglich sein müsse. Dies habe im Übrigen auch das
BVerfG inzidenter angedeutet. In diesem Zusammenhang
sei auch die jüngere deutliche Rechtsprechung des EGMR
zum Non- Refoulement- Prinzip zu begrüßen, die insbeson-
dere die Rückschiebungspraxis der italienischen Küsten-
wache betreffe. Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN sei richtig und werde von der SPD unter-
stützt. Die Bundesregierung müsse die europäische Recht-
sprechung ernst nehmen und jetzt tätig werden.

Die Fraktion der FDP erklärt, der Ausschuss beschäftige
sich schon zum wiederholten Male mit dem im Antrag auf-
gegriffenen Thema. Entscheidend sei, dass die Bundesregie-
rung richtig gehandelt habe und – auch über die Hinweise
an die Länder – Rücküberstellungen nach Griechenland aus-
gesetzt worden seien. Die FDP-Fraktion sehe daher keinen
akuten Handlungsbedarf und könne eine Eilbedürftigkeit
des Anliegens nicht erkennen. Es sei aber in der Tat frag-
lich, ob es wirklich sinnvoll sein könne, wenn das BVerfG
einzige und Eingangsinstanz in diesen Fällen sei. Hier
könne man ggf. Überlegungen für eine Optimierung des
Rechtsschutzes anstellen. Auch im Rahmen der Umsetzung
des Stockholmer Programms der EU stünden Änderungen
an, die die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP
positiv begleiten wollen.

Die Fraktion DIE LINKE. erklärt, sie werde für den An-
trag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stimmen.
Die Fraktion DIE LINKE. habe bereits im letzten Jahr einen
ähnlichen Antrag eingebracht. Es sei deprimierend, dass die
Koalition sich offenbar mit der Rechtsprechung der höchs-
ten europäischen Gerichte in keiner Weise auseinanderset-
zen wolle. Die betroffenen Asylbewerber seien häufig nicht
in der Lage, überhaupt Rechtsschutz zu erlangen. Einige
Verwaltungsgerichte – wie jüngst das Oberverwaltungs-
gericht für das Land Nordrhein-Westfalen in einem Be-
schluss vom 1. März 2012 – hätten allerdings Asylbewer-
bern effektiven einstweiligen Rechtsschutz gegen die Rück-
überstellung gewährt. Dies genüge aber nicht. Deutschland
dürfe die Urteile der europäischen Gerichte nicht ignorie-
ren, sondern sei gehalten, diese umzusetzen und auch seine
einzelne Verwaltungsgerichte gegen Rücküberstellungen
nach Italien entschieden, sei dies politisch motiviert und

deutlich gemacht, dass das Unionsrecht keine unwiderleg-
bare Vermutung dahingehend zulasse, dass die Mitglied-

H. Heene
ese
Drucksache 17/9008 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

staaten die Grundrechte der Asylbewerber beachteten. Viel-
mehr seien die Einzelschicksale zu betrachten. Der EGMR
habe zuvor bereits die Verpflichtung der Vertragsstaaten
betont, es dem Betroffenen zu ermöglichen, vor einer Über-
stellung wirksame Rechtsmittel gegen diese einzulegen. Die
deutsche Regelung, die gegen Überstellungen keinen wirk-
samen Eilrechtsschutz vorsehe, sei daher konventions- und
unionsrechtswidrig und müsse endlich an die Rechtslage
angepasst werden. Dass viele Verwaltungsgerichte schon
dementsprechend entschieden, sei zu begrüßen, reiche aber
nicht aus. Es müsse auch durch eine Änderung im Gesetz
deutlich werden, dass Betroffene effektive Rechtsschutz-
möglichkeiten dagegen hätten, in einen Staat rücküberstellt
zu werden, in dem ihnen unmenschliche Behandlung drohe.

Berlin, den 9. März 2012

Reinhard Grindel
Berichterstatter

Rüdiger Veit
Berichterstatter

Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Berichterstatter

Ulla Jelpke
Berichterstatterin

Josef Philip Winkler
Berichterstatter
mann

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