BT-Drucksache 17/8992

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit im Wassersektor in den besetzten palästinensischen Gebieten vor dem Hintergrund des Wasserkonflikts in der Region (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/8712)

Vom 14. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8992
17. Wahlperiode 14. 03. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Niema Movassat, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz,
Sevim Dag˘delen, Dr. Dagmar Enkelmann, Annette Groth, Heike Hänsel,
Andrej Hunko, Paul Schäfer (Köln), Kathrin Vogler, Alexander Ulrich und der
Fraktion DIE LINKE.

Deutsche Entwicklungszusammenarbeit im Wassersektor in den besetzten
palästinensischen Gebieten vor dem Hintergrund des Wasserkonflikts
in der Region
(Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
auf Bundestagsdrucksache 17/8712)

In der Kleinen Anfrage zum Thema „Deutsche Entwicklungszusammenarbeit
im Wassersektor in den besetzten palästinensischen Gebieten vor dem Hinter-
grund des Wasserkonflikts in der Region“ (Bundestagsdrucksache 17/8422)
vom 20. Januar 2012 hat die Fraktion DIE LINKE. die Bundesregierung bereits
ausführlich zu den Details der deutschen Entwicklungszusammenarbeit im
Wassersektor in den besetzten palästinensischen Gebieten befragt. Da die Ant-
wort der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 17/8712) jedoch zum Teil
ausweichend bzw. einige Fragen gar nicht beantwortet wurden und weil sich
aus den Antworten weitere Fragen ergeben haben, wird diese Kleine Anfrage
zur Klärung noch offener Sachverhalte gestellt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Warum sind die im Zusammenhang mit dem Brunnenprojekt El Hizme an-
geführten hydrologischen Untersuchungen von Dr. Amer Marei der Al-Quds
University aus dem Jahr 2000 und eines weiteren hydrologischen Gutach-
tens nicht öffentlich zugängig?

2. Von welchen Probebohrungen des United States Agency for International De-
velopment (USAID), die die Ergebnisse der Studie unterstützen, spricht die
Bundesregierung in Bezug auf den El Hizme Brunnen genau (bitte genauen
Namen und Standort des Bohrpunktes nennen), in welchem Jahr wurden die
Bohrungen durchgeführt, und wie wurden die Ergebnisse der Bohrungen fest-
gehalten (bitte Bericht/Studie nennen und gegebenenfalls anhängen)?

3. Inwiefern wird – wie in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 6b der
Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/8712 behauptet – die Preis-

gestaltung für geklärtes und wiederverwendetes Abwasser durch die lokale
Landwirtschaft im Rahmen der Projekte bearbeitet?

4. Inwiefern erachtet die Bundesregierung ihre Aussage in der Antwort auf die
Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/8712, dass geklärtes und wie-
derverwertetes Abwasser von palästinensischer Seite subventioniert werden
könnte, angesichts der palästinensischen Haushaltslage und der Abhängig-
keit von Entwicklungsgeldern, als realistisch?

Drucksache 17/8992 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Wie begründet die Bundesregierung, dass die als erfolgreich dargestellten
Projekte SMART (Sustainable Management of Available Water Resources
with Innovative Technologies) und GLOWA (Globaler Wandel des Wasser-
kreislaufs) nach Ende der Projektlaufzeit nicht fortgeführt werden sollen?

6. Welche Evaluierungen zur deutschen Entwicklungszusammenarbeit im
Wassersektor in den besetzten palästinensischen Gebieten wurden im Zeit-
raum der letzten zehn Jahre durchgeführt (bitte den genauen Titel, Zeit-
punkt, Verfasser, Link zu den Studien angeben)?

7. Welche Berichte, Studien oder Evaluierungen belegen die Behauptung der
Bundesregierung, durch die Implementierung von Infrastrukturprojekten
im C-Gebiet der Westbank und in Gaza die Entwicklung im palästinen-
sischen Wassersektor positiv beeinflusst zu haben (bitte den genauen Titel,
Zeitpunkt, Verfasser, Link zu den Studien angeben)?

8. Ist die Bundesregierung der Auffassung, ihrem auf der Geberkonferenz für
Palästina 2007 in Paris gegebenen Versprechen, Mittel für dringend benö-
tigte Infrastrukturmaßnahmen gerade im Bereich der Wasserversorgung
und Abwasserentsorgung im Umfang von 200 Mio. Euro über einen Zeit-
raum von drei Jahren bereitzustellen, nachgekommen zu sein, obwohl sie
in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 4 der Kleinen Anfrage auf
Bundestagsdrucksache 17/8712 angibt, dass die bilaterale deutsche ent-
wicklungspolitische Zusammenarbeit mit den besetzten palästinensischen
Gebieten jährlich lediglich 40 bis 50 Mio. Euro beträgt?

a) Sind die in Paris versprochenen Gelder zusätzlich zu den Mitteln geflos-
sen, die die bilaterale deutsche entwicklungspolitische Zusammenarbeit
regelmäßig jährlich leistet?

b) Wie genau wurden diese Gelder ausgegeben (bitte detaillierte Auflis-
tung)?

9. Wie erklärt die Bundesregierung ihre Antwort zu Frage 6a auf die Kleine
Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/8712, dass kein Zusammenhang
zwischen den Ineffizienzen in der israelischen Wassernutzung und durch-
geführten Entwicklungsvorhaben besteht, vor dem Hintergrund deutscher
Projekte der Entwicklungszusammenarbeit zum nachhaltigen Wasserma-
nagement im Jordanbecken, die nicht zuletzt wegen der Übernutzung des
Wassers aus dem Jordanbecken seitens Israels notwendig werden?

10. Erachtet die Bundesregierung die Interimsvereinbarung zur Verteilung der
Ressource Wasser als ausreichend für die Sicherstellung der ausreichenden
Trinkwasserversorgung in den besetzten palästinensischen Gebieten?

11. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass Israel in den von Israel
besetzten palästinensischen Gebieten seinen Rechten und Pflichten als
Besatzungsmacht nach dem Humanitären Völkerrecht, insbesondere der
IV. Genfer Konvention zum Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegszeiten,
nachkommt und die Versorgung der Bevölkerung in den besetzten paläs-
tinensischen Gebieten mit sauberem Trinkwasser sicherstellt?

12. In welcher Form, wann und bei welcher Gelegenheit (bitte genaue Angaben)
hat die Bundesregierung – wie in den Antworten zu den Fragen 5 und 7 auf
die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/8712 behauptet – bei der
israelischen Regierung eingefordert, die im Osloer Abkommen getroffenen
Interimsvereinbarungen zur Verteilung der Ressource Wasser einzuhalten?

13. Was genau versteht die Bundesregierung unter ihrer in der zu Frage 7 der
Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/8712 getroffenen Aussage,
keine „aktive Opposition“ gegenüber zusätzlichen Rohrwasserentnahmen

durch die palästinensischen Behörden betrieben zu haben?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8992

14. In welcher Form, wann und bei welcher Gelegenheit (bitte genaue Anga-
ben) hat die Bundesregierung sich aktiv bei den israelischen Behörden für
zusätzliche Rohrwasserentnahmen durch die palästinensischen Behörden
eingesetzt?

15. Wie bewertet die Bundesregierung den drastischen Rückgang der bewäs-
serten Flächen der palästinensischen Landwirtschaft (als Folge der Be-
schränkungen ist der Umfang der bewässerten Flächen der palästinensi-
schen Landwirtschaft von 32 200 Hektar im Jahre 1970 auf 10 130 Hektar
im Jahr 1984 zurückgegangen)?

16. Inwiefern gehen die Ineffizienzen im palästinensischen Wassersektor nach
Auffassung der Bundesregierung auf Beschränkungen, die der palästinen-
sischen Seite durch die israelische Regierung auferlegt werden, zurück?

17. Kommt der Staat Israel nach Auffassung der Bundesregierung seiner Ver-
pflichtung nach, das Recht auf Wasser der palästinensischen Bevölkerung
durchzusetzen?

18. Ist die Aussage der Bundesregierung in der Antwort zu Frage 10 der Klei-
nen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/8712, dass es sich bei der Fest-
stellung des Internationalen Gerichtshofs, dass der Verlauf der israelischen
Sperranlagen gegen internationales Recht verstößt, nicht um ein Urteil,
sondern ein Gutachten handle und diese völkerrechtlich nicht verbindlich
seien, dahingehend verstehen, dass Gutachten des Internationalen Gerichts-
hofs nach Auffassung der Bundesregierung generell nicht beachtet werden
müssen?

19. Wie begründet die Bundesregierung ihre Einschätzung, dass der Weige-
rung Israels, den Zugang und die Verteilung der Wasservorkommen in den
besetzten palästinensischen Gebieten zu verhandeln, keinen negativen Ein-
fluss auf die Fortsetzung der Verhandlungen zwischen Israel und Palästina
hat?

20. Welchen Stellenwert hat die Klärung des Zugangs und der Verteilung der
Wasservorkommen in den besetzten palästinensischen Gebieten nach Auf-
fassung der Bundesregierung für die palästinensische Autonomiebehörde?

21. Welchen Stellenwert hat die Klärung des Zugangs und der Verteilung der
Wasservorkommen in den besetzten palästinensischen Gebieten nach Auf-
fassung der Bundesregierung für die israelische Regierung?

22. Wie sollte nach Auffassung der Bundesregierung, in einer zwischen den
beiden Staaten Israel und Palästina ausgehandelten Lösung des permanen-
ten Status, die Frage des Zugangs zu den Trinkwasserquellen innerhalb der
besetzten palästinensischen Gebiete sowie die damit verbundene Frage der
Siedlungen geregelt werden?

23. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Kontrolle des israeli-
schen Zugangs zu den Trinkwasserquellen innerhalb der besetzten palästi-
nensischen Gebiete Sache der israelischen Geheimdienste ist?

24. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass Israel seine Versorgung mit
Wasser auch ohne Rückgriff auf die in den besetzten palästinensischen Ge-
bieten liegenden Wasserquellen sichern kann?

25. Wie ist im Zusammenhang mit der Nutzung der Wasserressourcen die Hal-
tung der Bundesregierung dazu, dass die israelische Regierung darauf be-
harrt, auch bei einer endgültigen Lösung auf keinen Fall zu den Grenzen
von 1967 zurückzukehren und die zur ,,Zone C“ gehörigen Gebiete bei der
sogenannten permanenten Lösung zu annektieren?

Drucksache 17/8992 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
26. Wie bewertet die Bundesregierung die Auffassung, dass der übergeordnete
Konflikt zwischen Israel und Palästina ohne eine Lösung des Wasser-
konfliktes nicht beigelegt werden kann, da eine Trennung der israelischen
und palästinensischen Gebiete in Bezug auf den Zugang zu Wasser für
Israel nicht praktikabel ist?

27. Wie bewertet die Bundesregierung die Auffassung, dass nach der Beset-
zung der palästinensischen Gebiete durch Israel, nach der alle dortigen
Wasserquellen zu israelischem Staatsbesitz erklärt und dem Militärkom-
mandeur bzw. später der Militärverwaltung unterstellt wurden, jegliche
Entwicklung der Grundwassernutzung durch die palästinensische Bevölke-
rung verhindert wurde?

28. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass Israel seit 1967 nicht
eine einzige Bewilligung zum Bohren von landwirtschaftlichen Brunnen
zur Bewässerung gegeben hat?

29. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass Israel seit 1967
nicht eine einzige Bewilligung zum Bohren eines neuen Brunnens im
größten, ergiebigsten und frischesten Grundwasserleiter, dem westlichen
Berg-Aquifer, gegeben hat – und zwar weder für Trinkwasser noch für
Nutzwasser für landwirtschaftliche Zwecke etc.?

30. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass gegenwärtig rund
160 vorhandene – und nach israelischer Auslegung „legale“ – palästinen-
sische Brunnen stillstehen, weil sie dringender Reparatur bedürfen und
Israel hierfür keine Bewilligungen erteilt?

Berlin, den 13. März 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.