BT-Drucksache 17/8938

Symposium des Bundeskriminalamtes in Abu Dhabi

Vom 8. März 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8938
17. Wahlperiode 08. 03. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Heidrun Dittrich, Dr. Lukrezia
Jochimsen, Niema Movassat, Petra Pau, Jens Petermann, Raju Sharma, Frank
Tempel, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE.

Symposium des Bundeskriminalamtes in Abu Dhabi

Vom 22. November bis 24. November 2011 fand in Abu Dhabi ein vom Bundes-
kriminalamt und der deutschen Botschaft Abu Dhabi organisiertes „Führungs-
kräftesymposium“ statt. Das Treffen kostete 150 000 Euro (Bundestagsdruck-
sache 17/8688, Antwort der Bundesregierung zu Frage 11). Anwesend waren
laut Homepage der Botschaft Abu Dhabi 250 Gäste aus den Vereinigten Arabi-
schen Emiraten (VAE), Saudi-Arabien, dem Oman, Kuwait und Katar sowie
Vertreter von Interpol, aus Großbritannien und Indien. Auf der Agenda standen
„potentielle Bekämpfungsansätze“ des Terrorismus und der Organisierten Kri-
minalität.

Die genannten arabischen Länder haben allesamt eine verheerende Menschen-
rechtsbilanz, wie aus Berichten von Amnesty International und Human Rights
Watch hervorgeht. In Kuwait werden Kritiker des Präsidenten schikaniert und
verfolgt. In den Vereinigten Arabischen Emiraten werden Migranten und Staa-
tenlosen grundlegende politische und soziale Rechte wie etwa der Zugang zu
Gesundheitswesen und Bildung verweigert. Menschenrechtler und Regierungs-
kritiker werden eingeschüchtert, bedroht, eingesperrt und mit politisch motivier-
ten Prozessen überzogen.

Auch im Oman werden Menschenrechte wie die Meinungsfreiheit verletzt,
Rechtsanwälte sind dazu angehalten, ihre Mandanten bei den Behörden zu de-
nunzieren, wenn sie den Verdacht haben, diese hätten gegen Antiterrorgesetze
verstoßen. In Katar werden Personen wegen Vergehen im Zusammenhang mit
„unerlaubten sexuellen Beziehungen“ oder Alkoholkonsum zu 30 bis 100 Peit-
schenhieben verurteilt. In Saudi-Arabien sind Menschenrechtsverletzungen an
der Tagesordnung. Gerichte verhängen dort grausame, unmenschliche und er-
niedrigende Strafen, die auch ausgeführt werden, vor allem Auspeitschungen.
Zur Rettung des feudalen Regimes im Nachbarland Bahrein vor einer demokra-
tischen Protestbewegung war im Frühjahr 2011 die saudi-arabische Armee in
Bahrein einmarschiert. Frauenrechte werden in allen diesen Ländern extrem
missachtet.

Aus der Mitteilung der deutschen Botschaft in Bahrein geht nicht hervor, inwie-
fern diese Menschenrechtsverletzungen, von denen offenkundig auch einige in

Zusammenhang mit der (angeblichen) Bekämpfung des Terrorismus stehen, an-
gesprochen worden sind.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Themen wurden bei dem Symposium genau besprochen (bitte voll-
ständig angeben, und wenn möglich, die Tagesordnung beilegen)?

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2. Welche Teilnehmer waren von deutscher Seite vertreten (bitte soweit mög-
lich mit Namen, wenigstens mit Funktion angeben)?

3. Welche Teilnehmer waren von ausländischer Seite vertreten (bitte soweit
möglich mit Namen, wenigstens mit Funktion angeben)?

4. Welche und wie viele Geheimdienstvertreter aus den VAE, Saudi-Arabien,
Oman, Kuwait, Katar, Großbritannien und Indien sowie gegebenenfalls
weiterer Staaten waren vertreten?

5. Welche Kriterien lagen der Einladung der Gäste zugrunde?

6. Welche Personen (bitte mit Angabe von Herkunftsland und Funktion) hiel-
ten bei dem Symposium Referate, Vorträge oder Präsentationen, und was
war der jeweilige Inhalt dieser Vorträge (wenn die Personennamen nicht ge-
nannt werden sollen, bitte die Gründe hierfür angeben und stattdessen Her-
kunftsland und Funktion angeben)?

7. Welche Phänomenbereiche und kriminellen bzw. kriminalisierten Vorge-
hensweisen werden von den Teilnahmestaaten jeweils unter den Begriffen
„Terrorismus“ und „Organisierte Kriminalität“ subsumiert, welche Unter-
schiede treten hierbei zutage, und welche menschenrechtliche Problematik
sieht die Bundesregierung hierbei jeweils?

8. Inwieweit lässt sich für die beteiligten Staaten eine Instrumentalisierung des
Vorwurfs „Terrorismus“ bzw. „Organisierter Kriminalität“ für die Bekämp-
fung politisch bzw. sozial unliebsamer Strömungen oder Gruppierungen
feststellen bzw. scheint eine solche Instrumentalisierung naheliegend (etwa
nationale, religiöse Minderheiten, Menschen, die wegen ihrer sexuellen
Orientierung verfolgt werden, Menschen mit devianten Verhaltensweisen
usw.)?

9. Werden Betätigungen politischer, gesellschaftlicher oder sozialer Art, die in
der Bundesrepublik Deutschland zulässig sind, von einigen der am Sympo-
sium beteiligten Staaten dem Terrorismus bzw. der Organisierten Krimina-
lität zugeordnet, und wenn ja,

a) welche,

b) wie ist vor diesem Hintergrund ein Erkenntnisgewinn aus solchen ge-
meinsamen Debatten zu erwarten, wenn unter gleichen Begriffen über
ganz unterschiedliche Gegenstände geredet wird?

10. Welche möglichen Bekämpfungsansätze von Terrorismus und Organisierter
Kriminalität wurden besprochen?

11. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der Bewertung bisheriger
Terrorbekämpfungsansätze wurden deutlich?

12. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich der konzeptionel-
len Weiterentwicklung der bisherigen Terrorbekämpfungsansätze wurden
deutlich?

13. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede wurden hinsichtlich der Gel-
tung der Menschenrechte beim Kampf gegen den Terrorismus deutlich
(bitte soweit möglich die unterschiedlichen Standpunkte nach Ländern dar-
stellen)?

14. Sind von Seiten des Bundeskriminalamtes und der deutschen Botschaft die
Menschenrechtsverletzungen in den VAE angesprochen worden, und wenn
ja, welche Verstöße wurden angesprochen, und wie haben die Vertreter der
VAE darauf reagiert?

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15. Sind von Seiten des Bundeskriminalamtes und der deutschen Botschaft die
Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien angesprochen worden, und
wenn ja, welche Verstöße wurden angesprochen, und wie haben die Vertre-
ter Saudi-Arabiens darauf reagiert?

16. Sind von Seiten des Bundeskriminalamtes und der deutschen Botschaft die
Menschenrechtsverletzungen in Oman angesprochen worden, und wenn ja,
welche Verstöße wurden angesprochen, und wie haben die Vertreter Omans
darauf reagiert?

17. Sind von Seiten des Bundeskriminalamtes und der deutschen Botschaft die
Menschenrechtsverletzungen in Kuwait angesprochen worden, und wenn
ja, welche Verstöße wurden angesprochen, und wie haben die Vertreter
Kuwaits darauf reagiert?

18. Sind von Seiten des Bundeskriminalamtes und der deutschen Botschaft die
Menschenrechtsverletzungen in Katar angesprochen worden, und wenn ja,
welche Verstöße wurden angesprochen, und wie haben die Vertreter Katars
darauf reagiert?

19. Inwiefern wurden Absprachen getroffen oder vorbereitet?

20. Inwiefern wurden bei dem Symposium der Aspekt der Grenzsicherung so-
wie der Migrationskontrolle angesprochen, und welche Gemeinsamkeiten
und Unterschiede wurden hierbei deutlich?

21. Inwiefern wurden bei dem Symposium über frühere Übereinkommen mit
Saudi-Arabien und ihre Bedeutung für die weitere Zusammenarbeit gespro-
chen?

22. Inwiefern wurden bei dem Symposium der

a) Bedarf an polizeilicher, militärischer und/oder geheimdienstlicher Aus-
bildung der einheimischen Sicherheitskräfte (welcher Art),

b) Bedarf an Ausstattungshilfen aus Deutschland (welcher Art),

c) Bedarf an einer Intensivierung der polizeilichen, militärischen und/oder
geheimdienstlichen Zusammenarbeit (in welchen Bereichen),

d) Bedarf an Intensivierung des Informationsaustausches zwischen den Si-
cherheitsbehörden der am Symposium teilnehmenden Ländervertreter
(in welcher Hinsicht)

formuliert, und inwiefern will die Bundesregierung dem nachkommen?

Inwiefern umfasst dies auch die umfangreichere Versorgung der arabischen
Sicherheitsbehörden mit Inhalten beim Bundeskriminalamt angesiedelter
Dateien inklusive der Antiterrordatei und/oder die Schaffung neuer Dateien
(welchen Typus und Inhalts)?

23. Aus welchen Kostenpunkten setzen sich die Gesamtkosten von 150 000 Euro
zusammen, und aus welchem Etat werden diese bestritten?

24. Inwiefern, von welcher Seite, und mit welchem Tenor wurde die Ausbil-
dungshilfe der Bundespolizei in Saudi-Arabien und die etwaige Bedeutung
des dort von European Aeronautic Defence and Space Company (EADS)
installierten Systems für die Kriminalitätsbekämpfung im Inneren ange-
sprochen?

a) Sind in diesem System auch die von der Firma EMT Ingenieurgesell-
schaft mbH gelieferten Drohnen des Typs LUNA eingebunden?

b) Welche weiteren von Deutschland an Saudi-Arabien gelieferten Aufklä-
rungssysteme oder Waffen sind nach Kenntnis der Bundesregierung in

das Grenzsicherungssystem Saudi-Arabiens eingebunden?

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c) Inwieweit hat die Bundesregierung weitere Ausbildungshilfen für Si-
cherheitskräfte im arabischen Raum geplant, und inwiefern stehen diese
im Zusammenhang mit (welchen) von deutschen oder multinationalen
Firmen/Konzernen verkauften Rüstungsgütern oder polizeilichen Kon-
trollwerkzeugen?

Berlin, den 8. März 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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