BT-Drucksache 17/8744

Maßnahmen zur Reduktion des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung

Vom 27. Februar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8744
17. Wahlperiode 27. 02. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Jan van Aken, Dr. Dietmar Bartsch,
Karin Binder, Eva Bulling-Schröter, Katja Kipping, Kersten Steinke,
Sabine Stüber, Alexander Süßmair, Kathrin Vogler, Harald Weinberg,
Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Maßnahmen zur Reduktion des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung

Die Anwendung von Antibiotika zur Behandlung von bakteriellen infektiösen
Erkrankungen in einem Nutztierbestand ist notwendig und auch tierschutzkon-
form, wenn Infektionskrankheiten bei Tieren im Bestand diagnostiziert wurden.
Immer wieder steht jedoch die unverhältnismäßige oder gar missbräuchliche
Anwendung von Antibiotika auch in der Tierhaltung in der Kritik. Zu Recht er-
warten Verbraucherinnen und Verbraucher einen sorgsamen Umgang nicht nur
mit Antibiotika, sondern auch mit allen anderen Tierarzneimitteln.

Untersuchungen aus dem Jahr 2011 legen nahe, dass Antibiotika zu oft regel-
widrig zur Verhütung von Infektionen, zur ungezielten Steigerung der Tier-
gesundheit oder auf Verdacht verabreicht werden. Besonders dort, wo es an
Hygiene oder fachgerechter Betreuung mangelt, steigt das Risiko von Infek-
tionskrankheiten. Durch die Haltung vieler Tiere auf engem Raum ergeben sich
mehr Kontaktmöglichkeiten. Dadurch steigt das Risiko schwerwiegender Be-
standserkrankungen und damit die Anforderungen an ein tierwohlorientiertes
Bestandsmanagement. Statt Haltungs- und Betreuungsmängel zu beseitigen,
wird zu oft versucht, mit umfangreichen Antibiotikaanwendungen die Be-
standsgesundheit zu erhalten. Diese Praxis im rechtlichen Graubereich scheint
in einigen Ställen gängige Praxis zu sein.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wann wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des
Arzneimittelgesetzes im veterinärmedizinischen Bereich in den Deutschen
Bundestag einbringen?

2. Welche Studien sind der Bundesregierung bekannt, die eine unterschiedlich
hohe Infektionsrate bei unterschiedlichen Tierhaltungssystemen aufzeigen,
und welches sind die Ergebnisse?

3. Stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass durch eine tierschutzkon-

forme Tierhaltung das Infektionsrisiko gesenkt werden kann?

Falls ja, welche Maßnahmen wird die Bundesregierung diesbezüglich in die
Wege leiten?

Drucksache 17/8744 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

4. Welche Hinweise sind der Bunderegierung bekannt, die die Tierhaltung als
Quelle von Antibiotikaresistenzen nahelegen?

Welche Bedeutung hat dies insbesondere auf multiresistente Keime?

Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung daraus?

5. Welche Sonderregelungen gibt es für die Geflügelhaltung, und wie begrün-
det die Bundesregierung diese?

Welche Infektionsraten in der Geflügelhaltung im Vergleich zu Infektions-
raten bei der Haltung anderer Tierarten sind der Bunderegierung bekannt,
und welche Zusammenhänge sieht sie zu den genannten Sonderrege-
lungen?

6. Welche konkreten Bestandteile der Leitlinien zur Verabreichung von Anti-
biotika, die über das in der Antwort der Bundesregierung zu Frage 15 auf
Bundestagsdrucksache 17/8338 genannte Beispiel hinausgehen, wird die
Bundesregierung rechtsverbindlich festschreiben?

7. Wie wird die Bundesregierung die Integration der veterinärmediznischen
Bestandsbetreuung in den Produktionsprozess der Nutztierhaltung gesetz-
lich verankern?

8. Welche wissenschaftlichen Projekte befassen sich nach Kenntnis der Bundes-
regierung mit der Identifizierung von häufig bzw. latent in Nutztierbestän-
den auftretenden Krankheiten und sich daraus ableitenden Empfehlungen
zum Hygiene- und Haltungsmanagement bzw. zu Behandlungskonzepten?

9. Sind weitere Projekte mit dieser Zielrichtung geplant (bitte beschreiben),
und wie werden diese finanziert?

10. Plant die Bundesregierung (analog zur Humanarzneimittelpreisverordnung)
für Tierarzneimittel, insbesondere Antibiotika, eine Änderung der bisheri-
gen Höchstpreis- in eine Mindestpreis-Verordnung (bitte begründen)?

11. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Bestrebungen, auf EU-Ebene
das Werbeverbot für verschreibungspflichtige Tierarzneimittel zu lockern
oder abzuschaffen, und welche Position vertritt sie dazu in Brüssel?

12. Welche Aussichten haben nach Kenntnis der Bundesregierung Bestrebun-
gen nach einer einheitlichen Verschreibungspflicht für Tierarzneimittel,
und welche Position vertritt sie dazu in Brüssel?

13. Wann und wie wird die Bundesregierung Forderungen nach einer gesetzli-
chen Verankerung gezielter Organentnahmen unter definierten Bedingun-
gen zur besseren Diagnostik umsetzen?

14. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung zur Verbesserung der
Überwachung und der sicheren Entsorgung von Restmengen von Tierarz-
neimitteln in landwirtschaftlichen Betrieben und tierärztlichen Praxen?

15. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung zur Unterbindung des ille-
galen grenzüberschreitenden Tierarzneimittelverkehrs und der effektiven
Überwachung des Internethandels?

16. Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für notwendig und geeignet,
um das Studium und die postgraduale Ausbildung von Tierärztinnen und
Tierärzten hinsichtlich pharmakologischer und arzneimittelrechtlicher
Kenntnisse zu qualifizieren, und wie und in welchem Zeitraum wird sie
diese Maßnahmen umsetzen?

17. Welchen Stellenwert misst die Bundesregierung dem Wissenschaftsgebiet
Epidemiologie unter den aktuellen Bedingungen globalisierter Handels-

und Personenströme zu?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8744

18. Welche finanziellen und personellen Mittel stellt der Bund für welche epi-
demiologischen Forschungsprojekte bereit?

19. Hält die Bundesregierung gesetzlich verankerte und überwachte Qualitäts-
sicherungsmaßnahmen in den tierärztlichen Praxen für notwendig, und
welche Regelungen sollten zu einer guten veterinärmedizinischen Praxis
gehören?

20. Muss nach Ansicht der Bundesregierung das Dispensierrecht für Tierarz-
neimittel geändert werden, und wenn ja, wie?

Wenn nein, warum nicht?

21. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Belastung von Ge-
wässern durch Rückstände von Tierarzneimitteln?

Wie kann der Eintrag solcher Stoffe in die Umwelt weitgehend verhindert
werden, und was sind die häufigsten Ursachen solcher Einträge?

22. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Antibiotikaeinsatz
bei Fischen, insbesondere in Aquakulturen, und davon ausgehende Um-
weltbeeinträchtigungen und Gesundheitsrisiken für Verbraucherinnen und
Verbraucher?

23. Welche Antibiotika werden sowohl in der Human- als auch in der Veteri-
närmedizin eingesetzt, und welche dieser Antibiotika hält die Bundesregie-
rung in der Anwendung bei welchen Tierhaltungsformen für unersetzlich?

24. Welche Behandlungsnotstände wären bei strikter Trennung von human-
und veterinärmedizinisch verwendeten Wirkstoffen in der Tierhaltung zu
erwarten?

25. Welche Untersuchungen sind der Bundesregierung zur sachgerechten An-
wendung antibiotischer Wirkstoffe in der Heim- und Haustierhaltung sowie
im Gartenbau bekannt?

26. Wie bewertet die Bundesregierung die Gabe des Spurenelementes Zink als
Futtermittelzusatzstoff in der Tiermast, und welche Erfahrungen aus Däne-
mark oder anderen EU-Mitglied- oder Drittstaaten sind ihr in diesem Zu-
sammenhang bekannt?

27. Welche Studien sind der Bundesregierung zur Wirkung des Spurenelemen-
tes Zink als Futtermittelzusatzstoff bekannt, und welche Rückschlüsse
zieht sie aus diesen wissenschaftlichen Ergebnissen?

28. Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten bei der Bekämpfung von Fak-
torenkrankheiten in Beständen intensiver Tierproduktion auf den Einsatz
von Antibiotika zu verzichten und Alternativen wie z. B. den Einsatz von
Senfölen als Futterzusatz zu fördern (bitte begründen)?

29. Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Beschluss des
Bundesrates vom 10. Februar 2012 (TOP 75) hinsichtlich

a) einer Neudefinition von Tierhaltung mit europaweit klaren und umfas-
senden Standards einer tiergerechten Haltung;

b) der Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Errichtung von nationalen
Datenbanken, in denen die Antibiotikaabgabe und -anwendung vom
Hersteller, Handel über den Tierarzt bis hin zum Landwirt lückenlos und
umfassend dokumentiert wird;

c) der Festlegung von Antibiotika, deren Anwendung allein der Human-
medizin vorbehalten bleiben soll (Reserveantibiotika) und für die eine
Anwendung am Tier im Regelfall ausgeschlossen ist?

Drucksache 17/8744 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
30. Gibt es aus Sicht der Bundesregierung einen generellen Zusammenhang
der Bestandsgröße bzw. Bestandsdichte in der Tierhaltung und der Einsatz-
häufigkeit von Antibiotika (bitte begründen)?

31. Kann der Antibiotikaeinsatz in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung
nach Ansicht der Bundesregierung als ein Indikator tiergerechter Haltungs-
verfahren entwickelt werden (bitte begründen)?

32. Wann wird die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des
Baugesetzbuches – speziell für Bauten im Außenbereich – in den Deut-
schen Bundestag einbringen?

Berlin, den 27. Februar 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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