BT-Drucksache 17/8565

Rüstungsexporte durch das Bundesministerium der Verteidigung

Vom 7. Februar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8565
17. Wahlperiode 07. 02. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan van Aken, Paul Schäfer (Köln), Christine Buchholz,
Annette Groth, Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Harald Koch,
Stefan Liebich, Niema Movassat, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler, Katrin
Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Rüstungsexporte durch das Bundesministerium der Verteidigung

Deutschland gehört zu den größten Rüstungsexporteuren der Welt. In den letzten
zehn Jahren wurde der Export von Rüstungsgütern im Wert von rund 74 Mrd.
Euro genehmigt. Dabei handelt es sich nicht nur um sogenannte kommerzielle
Ausfuhren von deutschen Unternehmen. Durch die Weitergabe und Überlassung
von Wehrmaterial der Bundeswehr an andere Staaten verdient die Bundesregie-
rung auch direkt am Rüstungsgeschäft. Der Anteil von Kriegswaffen aus Be-
ständen der Bundeswehr an der Gesamtausfuhr von Kriegswaffen erreichte 2003
sogar einen Anteil von 22 Prozent.

Die Öffentlichkeit wird über diese Rüstungsexporte nur unzureichend informiert.
In den jährlichen Rüstungsexportberichten wird nur summarisch der Anteil der
Bundeswehrausfuhren an den Kriegswaffenexporten angeführt. Konkrete Kriegs-
waffenausfuhren werden nur sporadisch genannt. Es gibt weder systematische
Angaben zu den Empfängern oder zu den gelieferten Kriegswaffen noch sind die
Ausfuhren sogenannter sonstiger Rüstungsgüter durch die Bundeswehr Teil der
Berichterstattung. Obwohl zum Beispiel 2006 10 000 Pistolen des Typs P1 aus
Beständen der Bundeswehr an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben
worden sind, tauchte diese Abgabe nicht im Rüstungsexportbericht auf.

Es ist davon auszugehen, dass mit der Verkleinerung der Bundeswehr die Menge
des überschüssigen Materials und damit auch die Ausfuhren der Bundeswehr in
den kommenden Jahren zunehmen werden. Setzen sich darüber hinaus die Vor-
schläge der Bundesregierung durch, die Stückzahlen von Beschaffungsvorhaben
nicht zu reduzieren, sondern die überschüssigen Güter an andere Länder durch
sogenannte Regierungsgeschäfte zu veräußern, werden die Bundeswehrausfuh-
ren neben gebrauchten zukünftig auch neue Rüstungsgüter umfassen.

Jede Weitergabe von hochwertigem Waffengerät der Bundeswehr stellt eine
qualitative oder quantitative Aufrüstung fremder Streitkräfte dar und beinhaltet
immer auch einen Transfer deutscher Rüstungstechnologie. Die verbilligte oder
gar kostenlose Abgabe von Kriegswaffen erleichtert es den Empfängerstaaten,

trotz fehlender finanzieller Möglichkeiten eine Aufrüstungspolitik zu verfolgen.

Umso wichtiger ist es, dass Bundeswehrausfuhren in ihrem vollen Umfang dem
Deutschen Bundestag und der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden.

Drucksache 17/8565 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung bislang darauf verzichtet,
alle Ausfuhren von Wehrmaterial aus Bundeswehrbeständen im Rüstungs-
exportbericht einzeln aufzuführen?

2. Nach welchen Kriterien hat die Bundesregierung bislang die Ausfuhren von
Bundeswehrmaterial ausgewählt, die explizit im Rüstungsexportbericht er-
wähnt werden, wie z. B. 2008 und 2009 die Weitergabe von Flugabwehr-
raketensystemen an Südkorea?

3. Aufgrund welcher Kriterien entscheidet sich die Bundesregierung, bei kon-
kreten Bundeswehrausfuhren keine Angaben dazu im Rüstungsexportbe-
richt zu machen?

4. In welchen Berichten an internationale Organisationen oder Berichten, die
der Öffentlichkeit und dem Deutschen Bundestag zugänglich sind, wurde
die Überlassung von 10 000 Pistolen des Typs P1 der Bundeswehr an die
afghanischen Sicherheitskräfte im Jahr 2006 aufgeführt?

5. Wie viele der gelieferten 10 000 Pistolen sind gegenwärtig noch im Besitz
der afghanischen Sicherheitskräfte, und was ist mit den anderen Pistolen
passiert?

6. Wie bewertet die Bundesregierung rückblickend die Entscheidung, afgha-
nische Sicherheitskräfte mit 10 000 Pistolen des Typs P1 ausgestattet zu
haben, im Hinblick auf Berichte, dass sich diese Waffen teilweise auf dem
Schwarzmarkt in Afghanistan und Pakistan wiederfanden?

7. Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen nachdem bekannt
wurde, dass Pistolen aus dieser Lieferung auf dem Schwarzmarkt veräußert
werden, und welche Ergebnisse hat sie dabei erzielt?

8. Ist die Bundesregierung an das afghanische Innenministerium herangetre-
ten, an das sie die Pistolen 2006 übergeben hat, um zu klären, warum der
zugesicherte Endverbleib der Pistolen nicht gewährleistet wurde, bzw. was
hat die Bundesregierung unternommen, um dies zu klären, und was ist das
Ergebnis der Untersuchungen?

9. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Gefahr ein, dass die Pistolen aus
deutscher Produktion gegen die Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan
eingesetzt werden?

10. Fand die Überlassung der 10 000 Pistolen des Typs P1 aus Beständen der
Bundeswehr im Rahmen einer „Militärischen Ausstattungshilfe“ oder im
Rahmen einer „Länderabgabe“ (im Sinne der Antwort der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage zu Frage 32 auf Bundestagsdrucksache 17/492)
statt?

11. Falls die Überlassung im Rahmen einer „Militärischen Ausstattungshilfe“
stattfand, wie ist dies mit dem Grundsatz vereinbar, dass im Rahmen der
„Militärischen Ausstattungshilfe“ keine Waffen und Munition geliefert
werden?

12. Inwiefern unterscheidet sich eine „Länderabgabe“ (im Sinne der Antwort
der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zu Frage 32 auf Bundestags-
drucksache 17/492) von der „Militärischen Ausstattungshilfe“ sowohl im
Hinblick auf das Genehmigungsverfahren als auch die Informationspflich-
ten der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag?

13. Stellen alle Bundeswehrausfuhren „Government to Government“-Ge-
schäfte dar, und unterscheiden sich diese von „Länderabgaben“, und wenn

ja, inwiefern?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8565

14. Welche Formen von Rüstungsexporten der Bundesregierung gibt es neben
der „Militärischen Ausstattungshilfe“ und der „Länderabgabe“ (bitte mit
Nennung der beteiligten Bundesministerien und Ämtern und den jeweiligen
Informationspflichten der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen
Bundestag)?

15. Welche Güter der Ausfuhrliste Teil 1 Abschnitt A können prinzipiell im
Rahmen der „Militärischen Ausstattungshilfe“ anderen Streitkräften über-
lassen werden, welche nicht?

16. An welche Staaten wurden im Zeitraum von 1999 bis 2011 welche Güter der
Ausfuhrliste Teil 1 Abschnitt A im Rahmen der „Militärischen Ausstattungs-
hilfe“ geliefert (bitte nach Empfänger, Jahr und Stückzahl aufschlüsseln)?

17. Wie viele „Länderabgaben“ sind seit 1991 erfolgt (bitte nach Jahren,
Gütern, Empfänger und Stückzahl aufschlüsseln)?

18. An welche Staaten hat die Bundeswehr in den Jahren 1999 bis 2011 welche
Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgüter (bitte jeweils nach Jahren, Ge-
genstand, Stückzahlen aufschlüsseln und ggf. unter Angabe des Neu- und
Überlassungswertes)

a) verkauft,

b) verliehen,

c) verschenkt oder

d) zu Testzwecken überlassen?

19. Wie viele und welche Waffensysteme und andere Rüstungsgüter im Be-
stand der Bundeswehr bzw. der VEBEG GmbH gelten als ausgesondert und
sollen entweder unbrauchbar gemacht oder weitergegeben werden?

20. Wie viele Waffensysteme welchen Typs werden von der Bundeswehr in den
nächsten zehn Jahren außer Dienst gestellt und wie viele davon sollen un-
brauchbar gemacht bzw. verschrottet werden?

21. Für welche der in den Fragen 19 und 20 angeführten Waffensysteme erwägt
die Bundesregierung eine kostenlose Überlassung oder einen Weiterverkauf
an Dritte (bitte jeweils mit Nennung der Empfängerländer, der Güter und
der Art der Weitergabe), und welche Maßnahmen ergreift bzw. plant sie, um
dies zu fördern?

22. Finden die Aussonderungs-, Verkaufs- und Verwertungsverfahren für die in
den Fragen 19 und 20 aufgeführten Waffensysteme im Rahmen eines Ver-
wertungskonzepts statt, und wenn ja, welchen Inhalt hat dieses?

23. Werden die in den Fragen 19 und 20 aufgeführten Waffensysteme in einem
„Katalog für abgabefähiges Material“ erfasst, und wenn ja, in welchen Be-
richten an den Deutschen Bundestag und/oder die Öffentlichkeit wird dieser
zugänglich gemacht?

24. Besteht im Rahmen des Verwertungsprozesses die Möglichkeit „Material
für Länderabgaben mit besonderer politischer Bedeutung“ zu reservieren,
und wenn ja, wer kann sich Material reservieren lassen, und welche Krite-
rien finden dabei Anwendung?

25. Gelten sogenannte Veredelungsausfuhren, bei denen Bundeswehrmaterial
vor der Ausfuhr durch ein privates Unternehmen hinsichtlich der Erforder-
nisse des Empfängerlandes angepasst oder umgerüstet wird, als Ausfuhren
der Bundeswehr oder als kommerzielle Ausfuhren, und wie wird der Ver-
kaufspreis in diesen Fällen festgelegt?

Drucksache 17/8565 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
26. Gibt es Fälle, in denen private Unternehmen gebrauchte Kriegswaffen der
Bundeswehr zum Zweck der „Veredelung“ kaufen, um sie danach zu expor-
tieren, und wenn ja, in welchen Fällen ist dies geschehen (bitte nach Jahren,
Unternehmen, Gegenstand, Verkaufspreis und Empfängerland aufschlüs-
seln)?

27. Gibt es Fälle, in denen die Bundesregierung den Verkauf von gebrauchtem
Bundeswehrmaterial an ein privates Unternehmen zur „Veredelung“ und
anschließenden Ausfuhr untersagt hat (bitte nach Jahren, Unternehmen, Ge-
genstand, Empfängerland und Ablehnungsgrund aufschlüsseln)?

28. Welche Bundesministerien und/oder Ämter sind für den Verkauf von ge-
brauchtem Bundeswehrmaterial zur „Veredelung“ und der anschließenden
Ausfuhr an private Unternehmen federführend, und welche sind darüber hi-
naus beteiligt?

29. Trifft es zu, dass Kleinwaffenausfuhren aus Bundeswehrbeständen nicht im
Rüstungsexportbericht aufgeführt werden, und wenn ja, aus welchen Grün-
den wurde dies bislang unterlassen, und was spricht dagegen, dies in Zu-
kunft zu tun?

30. Trifft es zu, dass im Unterschied zur EU-Definition für Kleinwaffen die
Definition der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
(OSZE) vom 24. November 2000 auch Revolver und Selbstladepistolen,
die für die Verwendung durch Streitkräfte oder andere Sicherheitskräfte
gedacht sind, umfasst, und wenn ja, was spricht nach Meinung der Bundes-
regierung dagegen, diese Waffengattungen in den Angaben über die Ge-
nehmigung von Kleinwaffenausfuhren im Rüstungsexportbericht und ande-
ren Berichten aufzunehmen bzw. die OSZE-Definition von Kleinwaffen als
Grundlage der Berichterstattung zu nehmen?

31. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung entschieden, „Gewehre
ohne KWL-Nummer, Revolver, Pistolen, Scharfschützengewehre“ (Rüs-
tungsexportbericht 2009) nicht als Kleinwaffen einzustufen?

32. Was spricht nach Meinung der Bundesregierung dagegen, diese Waffengat-
tungen in der Liste der Ausfuhrgenehmigungen von Kleinwaffen aufzuneh-
men?

33. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, aus welchen Gründen
der Frachter „Thor Liberty“, der Patriot-Raketen der Bundeswehr nach
Südkorea bringen sollte, am 15. Dezember 2011 in den finnischen Hafen
Kotka eingelaufen ist?

34. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, warum der Kapitän
der „Thor Liberty“ nicht die notwendigen Papiere zur rechtmäßigen Durch-
fuhr der Patriot-Raketen vorlegen konnte?

35. Wann, und von wem, wurde die Bundesregierung bzw. welche zuständigen
deutschen Behörden über den Vorfall informiert, und welche Maßnahmen
wurden ergriffen, um die Legalität der Lieferung der Patriot-Raketen an
Südkorea nachzuweisen?

36. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Lieferanten sowie
den Empfänger der bei der Kontrolle der „Thor Liberty“ gefundenen 160 t
Explosiv- oder Sprengstoffe, und inwieweit war diese Ausfuhr rechtmäßig?

Berlin, den 7. Februar 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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