BT-Drucksache 17/8465

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung - Drucksachen 17/8166, 17/8393 - Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 2011 (2011) vom 12. Oktober 2011 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

Vom 24. Januar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8465
17. Wahlperiode 24. 01. 2012

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken,
Christine Buchholz, Sevim Dag˘delen, Dr. Diether Dehm, Annette Groth,
Heike Hänsel, Inge Höger, Andrej Hunko, Harald Koch, Stefan Liebich, Niema
Movassat, Thomas Nord, Alexander Ulrich, Katrin Werner und der Fraktion
DIE LINKE.

zu der Beratung des Antrags der Bundesregierung
– Drucksachen 17/8166, 17/8393 –

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz
der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan
(International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO
auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) und folgender Resolutionen,
zuletzt Resolution 2011 (2011) vom 12. Oktober 2011 des Sicherheitsrates der
Vereinten Nationen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Praxis der gezielten Tötungen, also die absichtliche, vorsätzliche und be-
wusste Anwendung tödlicher Gewalt durch Staaten gegen bestimmte Personen
außerhalb ihres Gewahrsams zu eliminieren, steht zu Recht in der internationa-
len Kritik. Der frühere UN-Sonderberichterstatter über außergerichtliche, sum-
marische oder willkürliche Hinrichtungen, Philip Alston, stellte 2010 fest:
Würden andere Staaten die von den USA beanspruchte weitgefasste Legitima-
tion, Menschen überall und zu jeder Zeit töten zu dürfen, für sich beanspru-
chen, wäre Chaos das Ergebnis.

Gezielte Tötungen werden seitens der ISAF-Staaten in Afghanistan als Instru-
ment der Kriegsführung genutzt. Regelmäßig wird im Zuständigkeitsbereich
des Regionalkommandos Nord in Afghanistan Jagd auf mutmaßliche Aufstän-
dische und mutmaßliche Terroristen gemacht. Dabei müssen beteiligte Spezial-
einheiten weder Rechenschaft darüber ablegen, welche Indizien und Beweise

sie für diese Beschuldigung haben, noch darüber, wie sie genau vorgehen.

Deutschland beteiligt sich an der Planung, der Vorbereitung und mittelbar auch
an der Durchführung von „gezielten Tötungen“. Gemeinsam mit anderen Staa-
ten wird eine „Joint Priority Effects List“ erstellt, auf der die Personen aufge-
führt werden, die entweder durch eine Zugriffsoperation oder durch tödlichen
Waffeneinsatz unschädlich gemacht werden sollen. Zwar hat die Bundesregie-

Drucksache 17/8465 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
rung wiederholt betont, dass die von ihr vorgeschlagenen mutmaßlichen Auf-
ständischen oder Terroristen nur festgenommen und nicht getötet werden sol-
len. Klar ist aber, dass diese Empfehlung für andere ISAF-Staaten nicht ver-
bindlich ist und dass von dieser Empfehlung innerhalb der zuständigen Stelle
bei ISAF abgewichen werden kann. Im Prinzip könnten damit auch deutsche
Staatsbürger in Afghanistan, die als mutmaßliche Terroristen verdächtigt wer-
den, ohne Gerichtsverfahren aufgrund von Aufklärungsergebnissen der Bun-
deswehr von US-amerikanischen Drohnen getötet werden. Darüber hinaus
unterstützt die Bundeswehr vor Ort die Praxis der gezielten Tötungen, indem
u. a. Informationen über Zielpersonen weitergegeben werden, indem Aufklä-
rungsunterstützung zur Feststellung des Aufenthaltsortes geleistet wird oder in
Nordafghanistan der gesamte Einsatzraum für solche Operationen durch die
Bundeswehr abgesichert wird. Außerdem werden mit der Stationierung von
US-Drohnen des Typs Predator, also Drohnen, die für diese Anschläge in der
Vergangenheit häufig eingesetzt worden sind, in Mazar-e Sharif zusätzliche
Kapazitäten für gezielte Tötungen im deutschen Zuständigkeitsbereich des
Regionalkommandos Nord aufgebaut.

Diese Art der Kriegsführung konterkariert sämtliche Bemühungen, einen Frie-
densprozess in Gang zu bringen. Die gezielte Tötung von den Anführern der
Aufständischen ermordet genau denjenigen Personenkreis, mit dem über die Be-
endigung des Krieges verhandelt werden müsste. Zudem tragen die Drohnenein-
sätze in Pakistan zur weiteren Destabilisierung der Region bei. Unabhängige
Auswertungen dieser Spezialoperationen der letzten drei Jahre durch das
Afghan Analyst Network im Oktober 2011 haben gezeigt, dass diese Vorgehens-
weise laut NATO-Pressemeldungen nur in 60 Prozent der Fälle überhaupt die
Zielperson trifft und in der Regel darüber hinaus zu Verletzungen und zum Tod
weiterer unschuldiger Menschen führt und damit wiederum zu einer Versteti-
gung der Unterstützung in der Bevölkerung für die Taliban.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die deutsche Beteiligung an der Erstellung der Joint-Priority-Effects-List
sowie an dem gesamten Targeting-Prozess im Rahmen des ISAF-Einsatzes
zu beenden und auch keine indirekten Unterstützungsleistungen für die
Informationssammlung, Planung und Durchführung dieser Zugriffs- und
Tötungsmissionen zu leisten;

2. sich in der NATO und insbesondere gegenüber den USA dafür einzusetzen,
diese Form der Kriegsführung in Afghanistan zu beenden.

Berlin, den 24. Januar 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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