BT-Drucksache 17/8401

CGZP-Urteil und die neuesten Entwicklungen

Vom 19. Januar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8401
17. Wahlperiode 19. 01. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Markus Kurth, Brigitte Pothmer, Birgitt Bender, Maria Klein-Schmeink, Lisa Paus
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

CGZP-Urteil und die neuesten Entwicklungen

Die Aberkennung der Tariffähigkeit der „Tarifgemeinschaft Christlicher Ge-
werkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen“ (CGZP) durch das
Bundesarbeitsgericht hat zu einer erheblichen Unruhe in der Leiharbeitsbranche
geführt. Leiharbeitsunternehmen fürchten aufgrund des Urteils hohe Beitrags-
nachforderungen der Sozialversicherungen. Die betroffenen Leiharbeitskräfte
hingegen hoffen auf höhere Löhne sowie Sozialversicherungsansprüche.

Sachverständige und Gewerkschaften vermuteten, dass die Tarifunfähigkeit
der CGZP zu Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von
2 bis 3 Mrd. Euro führt. Die Betriebsprüfungen gehen aber nur schleppend
voran. Laut der Deutschen Rentenversicherung wurden von insgesamt 2 400
zu prüfenden Leiharbeitsunternehmen nur 450 Verfahren abgeschlossen und
14,5 Mio. Euro von 259 Leiharbeitsunternehmen nachgefordert. Gemessen an
den Erwartungen erscheint die nachgeforderte Summe sehr niedrig.

Parallel läuft die Lobbyarbeit des Christlichen Gewerkschaftsbunds Deutsch-
lands (CGB) und von betroffenen Leiharbeitsunternehmen auf Hochtouren. Sie
haben dazu beigetragen, dass die Arbeitsgruppe Wirtschaft und Technologie
der Fraktion der CDU/CSU bereits gesetzliche Regelungen fordert, um eine
Rückwirkung des CGZP-Urteils zu verhindern.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung eine Generalklausel, mit der Betriebe
zukünftig vor Beitragsnachforderungen geschützt werden sollen, wie sie
laut Berichten der „Frankfurter Rundschau“ und der „Berliner Zeitung“ am
14. Dezember 2011 vom CDU/CSU-Wirtschaftsflügel angestrebt wird?

2. Werden konkrete Varianten der Generalklausel diskutiert, und würden diese
rückwirkend auch für die vom CGZP-Urteil betroffenen Verleihbetriebe gel-
ten?

3. Wie viele Betriebsprüfungen wurden von der Deutschen Rentenversiche-

rung bis heute durchgeführt, und wie viele dieser Prüfungen betrafen Leih-
arbeitsfirmen als Folge des CGZP-Urteils?

4. Wie viele Verleihbetriebe müssen nach aktuellem Stand aufgrund des
CGZP-Urteils geprüft werden, und wie hat die Bundesregierung diese Zahl
ermittelt?

Drucksache 17/8401 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

5. Wie viele Prüfverfahren infolge des CGZP-Urteils hat die Deutsche Ren-
tenversicherung abgeschlossen, begonnen bzw. müssen noch durchgeführt
werden, und bis wann werden alle Prüfungen voraussichtlich abgeschlos-
sen sein?

6. Welche Folgen hat es für die Sozialversicherungsansprüche der betroffenen
Leiharbeitskräfte, dass die Deutsche Rentenversicherung ein Jahr nach Be-
kanntgabe des CGZP-Urteils des Bundesarbeitsgerichts nur eine begrenzte
Zahl an Prüfungen abgeschlossen hat, wie erklärt die Bundesregierung
diese schleppende Prüfpraxis, und wird die Bundesregierung Maßnahmen
ergreifen, um die Prüfungen zu beschleunigen, und wenn ja, welche?

7. Aus welchen Gründen wurden bis heute nur in 259 Fällen Sozialversiche-
rungsbeiträge nachgefordert, obwohl alle 450 geprüften Verleihfirmen den
für nichtig erklärten CGZP-Tarifvertrag angewandt haben?

8. Wie viele Entleihvorgänge musste die Deutsche Rentenversicherung bei
den 450 abgeschlossenen Prüfverfahren bzw. für die 259 Verleihbetriebe,
von denen Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert wurden, nachberech-
nen, und wie viele Entleihvorgänge werden voraussichtlich noch bei den
restlichen Verleihfirmen zu prüfen sein?

9. Wie viele Personalstunden werden durchschnittlich pro Betriebsprüfung
aufgewandt, und wie viele Personalstunden werden durchschnittlich für die
Prüfung eines Leiharbeitsunternehmen aufgrund des CGZP-Urteils benö-
tigt?

10. Wie viele Prüfende (ohne Verwaltungspersonal) standen der Deutschen
Rentenversicherung in 2011 insgesamt für Betriebsprüfungen zur Verfü-
gung, und wie viele dieser Prüfenden haben Verleihfirmen infolge des
CGZP-Urteils geprüft bzw. sind speziell mit diesen Prüfungen beauftragt
worden?

11. Wurde die Zahl der Prüfenden bei der Deutschen Rentenversicherung auf-
grund des CGZP-Urteils im Jahr 2011 aufgestockt oder ist eine Auf-
stockung in 2012 geplant?

Wenn ja, in welcher Höhe?

Wenn nein,

a) hat sich die Prüfquote durch das CGZP-Urteil erhöht, obwohl alle Prü-
fende der Deutschen Rentenversicherung jährlich durchschnittlich be-
reits 222 Betriebsprüfungen durchführen müssen (siehe Antwort der
Bundesregierung zu Frage 9 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdruck-
sache 17/6044: „rund 800 000 Betriebsprüfungen mit insgesamt rund
3 600 Prüfende“),

b) wurden aufgrund des CGZP-Urteils weniger andere Betriebe geprüft,

c) wurde der Umfang der Prüfungen verändert, damit alle notwendigen
ordentlichen und außerordentlichen Betriebsprüfungen durchgeführt
werden können,

d) gibt es beim Prüfdienst der Deutschen Rentenversicherung einen Perso-
nalengpass, und ist dies der Grund, warum die Prüfungen infolge des
CGZP-Urteils nur schleppend durchgeführt werden?

12. Wie hoch beziffern sich die Beitragsnachforderungen der Deutschen Ren-
tenversicherung in 2011, und bestätigt die Bundesregierung, dass davon
rund 14,5 Mio. Euro auf Leiharbeitsfirmen entfallen, die nach CGZP-Tarif-
vertrag entlohnt hatten?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8401

13. Für welche Kalenderjahre wurden die 14,5 Mio. Euro Beitragsnachforde-
rungen berechnet, und wie hoch sind die Beitragsnachforderungen für die
jeweiligen Kalenderjahre?

14. In welcher Höhe wurden bis Juli 2011 Sozialversicherungsbeiträge von
Verleihfirmen nachgemeldet bzw. gezahlt, und in welcher Höhe wurden die
erlassenen Beiträge von den 259 Verleihfirmen bereits bezahlt?

15. Wie viele Insolvenzen hat es aufgrund des CGZP-Urteils bzw. infolge der
Beitragsnachforderungen der Deutschen Rentenversicherung gegeben, und
welche Instrumente wendet die Bundesregierung an, um Verleihfirmen vor
der Insolvenz zu schützen?

16. Wie viele Stundungsanträge liegen bislang aufgrund der Beitragsnachfor-
derungen vor, und wie viele bzw. in welcher Höhe wurden diese Anträge
bereits genehmigt?

17. Von wie vielen Leiharbeitsunternehmen wurden infolge des CGZP-Urteils
wegen fehlender Korrekturen der Entgeltmeldungen Säumniszuschläge er-
hoben, und wie hoch ist die Summe der erhobenen Säumniszuschläge ins-
gesamt?

18. Wie viele Entleihunternehmen mussten bisher als Bürge für insolvente Ver-
leihunternehmen haften, und in welcher Höhe wurden bisher Sozialver-
sicherungsbeiträge von Entleihunternehmen nachgefordert?

19. In wie vielen Fällen hat die Deutsche Rentenversicherung bei den Prüfun-
gen infolge des CGZP-Urteils die Beitragsdifferenzen personenbezogen
anhand des jeweils konkret zu errechnenden individuellen Lohnanspruchs
der Leiharbeitskräfte ermittelt (bitte differenziert für die Verleihfirmen mit
Beitragsbescheid und für die geprüften Verleihfirmen ohne Beitragsbe-
scheid)?

20. In wie vielen Fällen hat die Deutsche Rentenversicherung bei den Prüfun-
gen infolge des CGZP-Urteils anstelle des individuellen Lohnanspruchs
den maßgeblichen Lohnabstand im Rahmen eines „Stufenmodells“ ermit-
telt (bitte differenziert für die Verleihfirmen mit Beitragsbescheid und für
die geprüften Verleihfirmen ohne Beitragsbescheid)?

21. In wie vielen Fällen hat die Deutsche Rentenversicherung bei den Prüfun-
gen infolge des CGZP-Urteils die tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelte
pauschal um einen feststehenden Prozentsatz erhöht (bitte differenziert für
die Verleihfirmen mit Beitragsbescheid und für die geprüften Verleihfirmen
ohne Beitragsbescheid)?

22. In wie vielen Fällen hat die Deutsche Rentenversicherung bei den Prüfun-
gen infolge des CGZP-Urteils aufgrund eines „unverhältnismäßigen Auf-
wands“ zur Ermittlung der „Equal Pay“-Ansprüche auf eine Nacherhebung
von Sozialversicherungsbeiträgen verzichtet?

23. Wird von den betroffenen Leiharbeitskräften das Einverständnis für das
Verfahren zur Ermittlung der „Equal Pay“-Ansprüche eingeholt, oder wie
werden sie über das Verfahren in Kenntnis gesetzt?

24. Werden die betroffenen Leiharbeitskräfte über die höheren Sozialversiche-
rungsansprüche, die infolge der Prüfung aufgrund des CGZP-Urteils zu-
stande gekommen sind, in Kenntnis gesetzt?

Wenn ja, wie?

Wenn nein, warum nicht?

25. Wie viele der vom CGZP-Urteil betroffenen Leiharbeitskräfte haben ihre

entstandenen Lohnansprüche gerichtlich eingeklagt, und wie viele dieser
Klagen sind positiv für die Leiharbeitskräfte entschieden worden?

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26. Werden die von betroffenen Leiharbeitskräften vor Gericht erfolgreich ein-
geklagten Lohnansprüche vollständig auf das Arbeitslosengeld II ange-
rechnet bzw. erhöhen diese Ansprüche bei Arbeitslosigkeit das Arbeits-
losengeld I?

Wenn ja, ist dies aus Sicht der Bundesregierung gerecht?

Allgemeine Fragen zur Leiharbeitsbranche

27. Wie viele Beschäftigte gibt es derzeit in der Leiharbeitsbranche, und wie
viele dieser Leiharbeitskräfte beziehen aufstockende Leistungen aus dem
Zweiten bzw. Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II bzw. SGB III)?

28. Wie hoch waren jeweils die Summen der aufstockenden Leistungen aus
dem SGB II und SGB III, die Leiharbeitskräfte in den Jahren 2010 und
2011 erhalten haben?

29. Wie viele deutsche Verleihfirmen haben derzeit eine befristete oder eine
unbefristete Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung (bitte aufgeschlüsselt
nach Regionaldirektionen und Art der Erlaubnis)?

30. Wie viele ausländische Verleihfirmen haben derzeit eine befristete oder un-
befristete Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung (bitte differenziert nach
Ländern und Art der Erlaubnis)?

31. In welcher Größenordnung nehmen Teilzeitbeschäftigung und Minijobs in
der Leiharbeitsbranche zu, und welche konkreten Zahlen liegen der Bun-
desregierung diesbezüglich für die Jahre 2010 und 2011 vor?

Berlin, den 19. Januar 2012

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

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