BT-Drucksache 17/8381

Mehr Mitsprache des Parlamentes bei Auslandseinsätzen der Bundespolizei

Vom 18. Januar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8381
17. Wahlperiode 18. 01. 2012

Antrag
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Wolfgang Gehrcke, Petra Pau,
Jens Petermann, Raju Sharma, Frank Tempel, Kathrin Vogler, Halina Wawzyniak,
Jörn Wunderlich und der Fraktion DIE LINKE.

Mehr Mitsprache des Parlaments bei Auslandseinsätzen der Bundespolizei

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest,

dass das Bundespolizeigesetz (BPolG) in der Fassung vom 19. Oktober 1994,
zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes
in Bundespolizei vom 21. Juni 2005, die Voraussetzungen für Auslandseinsätze
der Bundespolizei, Informationspflichten der Bundesregierung und Kontroll-
möglichkeiten des Parlaments nicht hinreichend regelt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

einen Gesetzentwurf vorzulegen, der das Bundespolizeigesetz nach folgenden
Maßgaben ändert:

a) Jeglicher Einsatz von Bundes- und Länderpolizei im Ausland muss den völ-
kerrechtlichen Normen und dem Grundgesetz entsprechen. Grundsätzlich
wird eine Beteiligung von Bundes- und Länderpolizei an internationalen
Polizeieinsätzen oder Ausbildungsmaßnahmen, die zur Unterstützung von
Kriegen und autoritären Regimen dienen, ausgeschlossen.

b) Anstatt eines bloßen Rückholrechts wird für Auslandseinsätze und Auslands-
missionen der Bundespolizei nach § 8 BPolG eine Zustimmungspflicht des
Bundestages festgeschrieben.

c) Für Auslandsverwendungen von Polizeibeamtinnen und Beamten nach § 65
Absatz 2 BPolG wird eine Pflicht zu konkreter Vorabinformation des Bun-
destages festgeschrieben und ein Recht des Bundestages auf Rückruf einge-
führt.

d) Die Vorabinformation in Fällen des § 8 BPolG als auch des § 65 BPolG
muss Angaben über den Zweck des Einsatzes, seine rechtlichen und völker-
rechtlichen Grundlagen, die vorgesehene Dauer, die Kosten, die Zahl der
eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, deren Tätigkeiten und
Befugnisse, die Kooperationspartner im Einsatzgebiet und die konkreten

Einsatzorte enthalten.

Berlin, den 18. Januar 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Drucksache 17/8381 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Begründung

Auslandseinsätze von Polizistinnen und Polizisten haben sich in der Vergangen-
heit trotz umstrittener verfassungsrechtlicher Grundlagen zu einem ursprünglich
nicht vorgesehenen Mittel der deutschen Außenpolitik entwickelt. Die Tren-
nung zwischen polizeilichen und militärischen Aufgaben wird dabei jedoch
immer schwieriger. Polizeieinsätzen im Ausland kann zudem eine politische
Sensibilität zukommen, die derjenigen von Bundeswehreinsätzen nahekommt.

Dies gilt vor allem für Einsatzgebiete, in die sowohl Soldaten als auch Polizis-
ten entsandt werden, wobei an erster Stelle Afghanistan zu nennen ist: Der Ein-
satz der Bundeswehr und der Polizei stehen dort in engem Zusammenhang. In
anderen Einsatzgebieten, zu denen beispielsweise der Südsudan zu zählen ist,
besteht die Gefahr, dass deutsche Polizistinnen und Polizisten jederzeit in be-
waffnete Konflikte geraten können. Auch der Umstand, dass sie Ausbildungs-
hilfe für Sicherheitskräfte eines Landes durchführen, die dann (para)militärisch
im Rahmen eines Krieges oder Bürgerkrieges eingesetzt werden, zeigt, wie
nahe beieinander militärisches und polizeiliches Engagement liegen können.

Die Informations- und Mitwirkungsrechte des Bundestages werden der poli-
tischen Bedeutung, die Polizeieinsätzen zukommt, nicht gerecht. So muss die
Bundesregierung nach § 8 BPolG das Parlament lediglich über die Beteiligung
an internationalen Missionen unterrichten. Eine Zustimmungspflicht des Deut-
schen Bundestages ist nicht vorgesehen, seine Mitwirkung erschöpft sich in
einem Rückholrecht. Bei der Entsendung von Polizeibeamtinnen und Polizei-
beamten auf Grundlage von § 65 BPolG ist noch nicht einmal eine Information
des Deutschen Bundestages vorgeschrieben. So ist es möglich, dass die Bundes-
regierung jahrelang Polizistinnen und Polizisten ins Ausland entsendet, die dort
hochsensible Aktivitäten entfalten, ohne dass die deutsche Öffentlichkeit und
das Parlament davon etwas erfahren. Zwar kann der Bundestag durch Wahrneh-
mung seines Fragerechtes an Informationen gelangen. Er steht dabei aber vor
dem Problem, dass sich sinnvoll nur erfragen lässt, worüber man wenigstens an-
satzweise etwas weiß. Eine bloß additive Auflistung, wie sie die Bundesregie-
rung auf vierteljährlich gestellte Kleine Anfragen der Fraktion DIE LINKE.
erteilt, ist weder tagesaktuell noch enthält sie detaillierte Angaben zu den jewei-
ligen Einsätzen.

So hat die Bundespolizei bereits im Dezember 2008 einen Einsatz zur Ausbil-
dung des saudi-arabischen Grenzschutzes begonnen, über dessen Umfang und
Inhalt der Deutsche Bundestag erst im Frühjahr 2011 aus der Presse Kenntnis
erlangt hat. Dabei liegt es auf der Hand, dass ein Einsatz zur Ausbildung von
Sicherheitskräften diktatorischer Regime per se eine hochsensible Angelegen-
heit ist, bei der das Parlament nicht außen vor gehalten werden darf.

Auf der Grundlage der zurzeit geltenden Rechtsgrundlagen ist es dem Bundes-
ministerium des Innern und dem Auswärtigen Amt faktisch erlaubt, ohne politi-
sche und parlamentarische Kontrolle in internationale Krisen- und Konflikt-
situationen einzugreifen.

Dabei sind solche Polizeiauslandseinsätze in der Realität von militärischen Ein-
sätzen nicht immer scharf zu unterscheiden: Staatspraxis und internationale
Verfahrensweise zeigen, dass die „Trennbarkeit von polizeilichen und militä-
rischen internationalen – im Gegensatz zu rein nationalen – Maßnahmen nicht
praktizierbar ist“ (Andreas Fischer-Lescano, Verfassungsrechtliche Fragen der
Auslandsentsendung des BGS, in: Archiv des öffentlichen Rechts (AöR), 2003,
S. 52 bis 90.) Das zeigt sich gegenwärtig vor allem in Afghanistan: Dort arbei-
ten deutsche Polizistinnen und Polizisten nicht nur in enger Kooperation mit
der Bundeswehr inmitten eines Kriegsgebietes, sondern sie beteiligen sich an
der Ausbildung von Polizistinnen und Polizisten, die einen eindeutig para-

militärischen Auftrag haben, und Teil des Bürgerkrieges sind.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8381

Die Aufnahme einer Informationspflicht im Vorfeld von Auslandseinsätzen
nach § 65 Absatz 2 BPolG könnte sicherstellen, dass das Parlament tatsächlich
zeitnah über alle Auslandseinsätze der Bundespolizei informiert wird. Damit
wäre gewährleistet, dass der Deutsche Bundestag auch die Möglichkeit hat, bei
politisch brisanten Einsätzen noch im Vorfeld zusätzliche Informationen einzu-
holen. Die Normierung eines Rückholrechts für Einsätze nach § 65 Absatz 2
BPolG, so wie es schon jetzt in § 8 BPolG vorgeschrieben ist, trüge der
gewachsenen Bedeutung und der wachsenden Einflussnahme der deutschen
Außenpolitik in internationalen Krisenregionen Rechnung. Eine konstitutive
Zustimmungspflicht für solche Einsätze erscheint demgegenüber derzeit ent-
behrlich.

Hingegen ist eine Zustimmungspflicht des Parlaments für international man-
datierte Einsätze in § 8 Absatz 1 BPolG analog zu militärischen Einsätzen
dringend erforderlich, soll sich die Bundespolizei nicht in einer rechtlichen
Grauzone zu einem quasi-militärischen Arm der deutschen Außenpolitik ent-
wickeln. Um Verzögerungen in dringenden Fällen wie etwa bei Rettungs- bzw.
Evakuierungseinsätzen nach § 8 Absatz 2 des BPolG zu vermeiden, kann eine
Regelung analog zum Parlamentsbeteiligungsgesetz (§ 5) vorsehen, dass der
Bundestag in geeigneter Weise zu unterrichten und seine Zustimmung unver-
züglich nachzuholen ist. Wird die Zustimmung verweigert, ist der Einsatz
sofort zu beenden.

Eine ausgeweitete Mitsprache des Parlaments liegt auch im Interesse der Poli-
zistinnen und Polizisten, die die Einsätze durchführen sollen, und wird auch
von der Gewerkschaft der Polizei gefordert. Nicht zuletzt erfordert die Herstel-
lung größtmöglicher Rechtssicherheit für an Auslandseinsätzen teilnehmende
Beamtinnen und Beamte diese rechtliche und politische Klärung der Grund-
lagen eines Einsatzes im Ausland.

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