BT-Drucksache 17/8304

Darlehen der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH für Nicaragua Sugar Estates Limited

Vom 4. Januar 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8304
17. Wahlperiode 04. 01. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth,
Andrej Hunko, Harald Koch, Niema Movassat, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler,
Katrin Werner und der Fraktion DIE LINKE.

Darlehen der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH
für Nicaragua Sugar Estates Limited

Die Nicaragua Sugar Estates Limited (NSEL) ist das führende Unternehmen
Nicaraguas in der Zucker-, Ethanol- und Stromproduktion. Die NSEL gehört
zur Unternehmensgruppe der Familie Pellas, die auf weiteren Geschäftsfeldern,
unter anderem im Medienbereich, aktiv ist.

Die NSEL erhielt im Jahr 2006 zwei Kredite der International Finance Corpora-
tion (IFC), Privatsektorarm der Weltbank, über insgesamt 55 Mio. US-Dollar
mit dem Ziel, die Effizienz des Zuckerrohranbaus zu steigern, zusätzliches Land
zu gewinnen und sich auf den Export von Ethanol auszurichten. Zusätzlich er-
hielt die NSEL im selben Jahr ein langfristiges Darlehen von 10 Mio. US-Dollar
von der DEG Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH (DEG)
für ein Projekt zur Steigerung der Hektarerträge.

Die DEG, eine Tochter der KfW Bankengruppe, fördert den privatwirtschaftli-
chen Sektor in Entwicklungs- und Schwellenländern mit dem Ziel, nachhaltiges
Wachstum und die Steigerung des Lebensstandards zu befördern.

Während die NSEL mithilfe der Unterstützung durch die IFC und die DEG ihre
Erträge erheblich steigern konnte, mehren sich seit 2008 in dramatischer Weise
Erkrankungen an Niereninsuffizienz (IRC) unter den Arbeiterinnen und Ar-
beitern der NSEL-Plantagen in der Gemeinde Chichigalpa sowie unter den
benachbarten Kleinbäuerinnen und Kleinbauern.

Betroffenenverbände sprechen von bis zu 5 000 Todesfällen. Sie führen diese
Entwicklung auf den unsachgemäßen Einsatz von Pestiziden durch die NSEL
zurück und streiten dafür, dass dieser Zusammenhang von offizieller Seite und
vonseiten des Unternehmens anerkannt wird. Im Jahr 2008 wurde auf Antrag
von ehemaligen Plantagenarbeitern eine Untersuchung des CAO-Office (CAO:
Office of the Compliance Advisor/Ombudsman) bei der IFC veranlasst, in das
allerdings nicht alle Betroffenenverbände einbezogen sind.

Die nicaraguanische Regierung hat unterdessen Unterstützung für die Betroffe-

nen angekündigt. Die wirtschaftliche Macht der Pellas-Gruppe, die ihr auch
politischen Einfluss sichert, steht bislang allerdings einer systematischen Auf-
klärung und einer verbindlichen Regelung zur Entschädigung von Betroffenen
entgegen.

Drucksache 17/8304 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung bezüglich der Vorwürfe an
die NSEL vor, diese habe durch den unsachgemäßen Einsatz von Pestiziden
die Erkrankung zahlreicher Menschen an Niereninsuffizienz zu verantwor-
ten?

2. Hat die Bundesregierung, angesichts der Tatsache, dass die NSEL von der
DEG Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH mit einem
Darlehen unterstützt wurde, Aufklärungsbedarf bezüglich des in Frage 1 be-
schriebenen Zusammenhangs?

Falls ja, hat die Bundesregierung solchen Aufklärungsbedarf an die NSEL,
deren Mutterkonzern, die DEG oder die nicaraguanischen Behörden ge-
richtet, und auf welche Resonanz ist sie dabei gestoßen?

Falls nein, warum nicht?

3. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwiefern die DEG
im Jahr 2006 bei der Vergabe des Darlehens an die NSEL das Unternehmen
und die Arbeitsbedingungen auf dessen Plantagen unter dem Gebot der
Sozialverträglichkeit geprüft hat?

4. Bestehen des Weiteren Kriterien der DEG, nach denen vor der Vergabe von
Krediten Mindeststandards bezüglich des Arbeitnehmerschutzes gefordert
werden, und kam nach Kenntnis der Bundesregierung eine entsprechende
Prüfung in dem konkreten Fall zum Einsatz?

5. Entsprach das damalige Prüfverfahren den Ansprüchen der Bundesregie-
rung?

6. Inwiefern könnte und sollte nach Ansicht der Bundesregierung die Durch-
setzung von Mindeststandards im Arbeitnehmerschutz durch die DEG ge-
währleistet werden?

7. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über einen möglichen Zusam-
menhang zwischen der Steigerung der Hektarerträge auf den Plantagen der
NSEL, dem verstärkten oder veränderten Einsatz von Pestiziden und der
Vergiftung des Grundwassers, das von den in den Plantagen lebenden Men-
schen als Trinkwasser genutzt wird?

8. Inwiefern leitet sich für die Bundesregierung daraus der Bedarf ab, die
konkreten Umstände bei der Umsetzung des mit dem DEG-Darlehen geför-
derten Projektes zur Ertragssteigerung zu untersuchen?

9. Welche Verantwortung der DEG und der Bundesregierung für die Entschä-
digung der an IRC Erkrankten und ihrer Angehörigen ließe sich gegebe-
nenfalls aus einem solchen Zusammenhang ableiten?

10. Liegen der Bundesregierung Informationen oder Erkenntnisse darüber vor,
ob für die geförderte Produktionssteigerung auch der Einsatz von Sprüh-
flugzeugen für die Ausbringung von Pflanzenschutz- bzw. Schädlingsbe-
kämpfungsmitteln intensiviert wurde?

11. Verfolgt die Bundesregierung den CAO-Prozess bei der IFC bezüglich der
im Zusammenhang mit der Kreditierung von NSEL erhobenen Vorwürfe,
und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus hinsichtlich des DEG-En-
gagements in diesem Fall?

12. Hielte die Bundesregierung einen vergleichbaren Prozess bei der DEG für
angebracht, und wie könnte ein solcher initiiert werden?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8304

13. Mit welchen Maßnahmen zur Unterstützung der von Krankheit und damit
verbundener Arbeitsunfähigkeit Betroffenen ist die DEG bereits in der Re-
gion tätig, oder welche diesbezüglichen Maßnahmen sind nach Kenntnis
der Bundesregierung geplant?

14. Sucht die Bundesregierung die Zusammenarbeit mit nicaraguanischen
Behörden, um die Umstände des vermehrten Auftretens von Niereninsuffi-
zienz auf den und im Umfeld der Plantagen der NSEL aufzuklären und sie
bei der Betreuung der Erkrankten und ihrer Angehörigen zu unterstützen
(bitte erläutern)?

15. Welche konkreten Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den an
Niereninsuffizienz Erkrankten in Kooperation mit den nicaraguanischen
Behörden durch kurzfristige Unterstützung von Krankenhäusern bei der
Anschaffung der notwendigen Gerätschaften (Dialyseapparate etc.) zu hel-
fen, und plant sie Schritte in diese Richtung?

16. Inwiefern hält es die Bundesregierung für angemessen, die Organisationen
der Betroffenen dabei zu unterstützen, ihren Fall aufzuklären und gegebe-
nenfalls verbindliche Regelungen zu ihrer Entschädigung durchzusetzen?

17. Welche Unterstützung kann die Bundesregierung dabei leisten, und wie
stellt sie sich dabei die Zusammenarbeit mit den nicaraguanischen Behör-
den vor?

Berlin, den 22. Dezember 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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