BT-Drucksache 17/8231

Datenschutzrechtliche Bedenken beim Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag

Vom 16. Dezember 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/8231
17. Wahlperiode 16. 12. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Kathrin Senger-Schäfer, Nicole Gohlke, Ulla Jelpke,
Jens Petermann, Raju Sharma, Dr. Petra Sitte, Frank Tempel und der Fraktion
DIE LINKE.

Datenschutzrechtliche Bedenken beim Fünfzehnten Rundfunkänderungs-
staatsvertrag

Die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) ist eine nicht rechtsfähige Verwaltungs-
gemeinschaft von ARD, ZDF und Deutschlandradio und somit weder eine
Behörde noch eine sonstige eigenständige Organisation. Sie zieht seit dem Jahr
1976 für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Gebühren für Rund-
funk und Fernsehen ein. Hierbei ergaben sich von Anfang an Konflikte mit dem
Datenschutzrecht der Gebührenzahler und deren berechtigten Anspruch auf ein
transparentes Verfahren, das durch die GEZ weitgehend ignoriert wird. So wird
die gesamte Datenverarbeitung über Gebührenzahler und vermeintliche Ge-
bührenpflichtige bundesweit und faktisch eigenverantwortlich durch die GEZ
abgewickelt. Dazu werden sämtliche Daten aus allen Bundesländern zentral
verwaltet. Auf dem Zentralrechner der GEZ werden rund 41,9 Millionen Teil-
nehmerkonten geführt, die immer wieder Begehrlichkeiten auch rundfunk-
fremder Stellen zwecks zweckwidriger Nutzung wecken.

Obwohl die Rundfunkanstalten über eigene Datenschutzbeauftragte verfügen
und auch die GEZ eigene betriebliche Datenschutzbeauftragte bestellt hat, gibt
es bei der Verarbeitung der Daten Gebührenpflichtiger jedoch, mit Ausnahme
der Bundesländer Berlin, Bremen, Brandenburg und Hessen, keine Kontrolle
durch eine eigenständige, unabhängige Instanz, wie sie für andere staatliche
und private Stellen besteht und vorgeschrieben ist.

Das Inkrafttreten des Fünfzehnten Rundfunkänderungsvertrages (Artikel 1:
Rundfunkbeitragsstaatsvertrag) am 1. Januar 2013 wird erhebliche Auswirkun-
gen auf die Gebühreneinzugspraxis haben. Zukünftig ergibt sich der an die, dann
möglicherweise unter neuem Namen firmierende, Gebühreneinzugszentrale ab-
zutretende Beitrag nicht mehr aus dem Sachverhalt des Bereithaltens eines Rund-
funkempfangsgeräts, sondern aus dem Innehaben einer Wohnung oder einer Be-
triebstätte selbst. Dementsprechend sieht die Neuregelung im privaten Bereich
vor, von jedem Haushalt – unabhängig davon, ob ein Rundfunkgerät vorhanden
ist – eine Pauschale von monatlich 17,98 Euro zu erheben.
Damit sind weitreichende Folgen verbunden: Für 2,4 Millionen Beitragszahler,
die bisher nur ein Radio und einen PC nutzten, verdreifacht sich die Gebühr. Für
mehr als 775 000 Personen mit Behinderung, die bislang von Rundfunkbei-
trägen befreit waren, wurde der Nachteilsausgleich gestrichen. Künftig zahlen
sie einen Beitrag in Höhe eines Drittels des vollen Betrags. Für mehr als
1,1 Millionen Inhaber von Zweitwohnungen, darunter Hunderttausende von
Fernpendlern, die eine zweite Wohnung mieten, um Beruf und Lebensraum bes-

Drucksache 17/8231 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

ser zu verbinden, sowie rund 1 Million Besitzer von privat genutzten Ferienwoh-
nungen wird ein doppelter Beitrag verpflichtend vorgegeben. Für eine unbe-
kannte Zahl bewusster Nichtnutzer von Radio und Fernsehen schließlich wird
der Rundfunkbeitrag zur Zwangsabgabe. Auch für Betriebsstätten ergeben sich
mit der Umstellung des Rundfunkfinanzierungssystems erhebliche Mehrkosten,
da ihre Pauschalabgabe nach der Anzahl ihrer Mitarbeiter berechnet wird. Zu-
dem muss für jedes gewerblich genutzte Kraftfahrzeug ein Drittel des vollen Be-
trags an die GEZ abgetreten werden.

Etliche Medienberichte, aber vor allem die Äußerungen der Reformplaner
selbst – nach denen sich bei 95 Prozent der Teilnehmerkonten, auch wenn sie
geprüft und die Daten neu verarbeitet wurden, nichts ändert, da durch die
Zweitgerätebefreiung bereits jetzt schon in den meisten Fällen nur einmal pro
Haushalt gezahlt wird – lassen an dem Sinn der Reform zweifeln.

Besonders kritisch müssen die Neuerungen in der Rundfunkfinanzierung und
Beitragseinzugspraxis aus datenschutzrechtlicher Perspektive betrachtet wer-
den: Zum 1. Januar 2012 beginnt die Erhebung von Daten für das neue System.
Alle volljährigen Personen in Deutschland müssen dann schriftlich alle Tatsa-
chen gegenüber den zuständigen Landesrundfunkanstalten anzeigen, die Grund
und Höhe der Beitragspflicht betreffen. Darunter: Vor- und Familienname so-
wie frühere Namen, unter denen eine Anmeldung bestand; Tag der Geburt; Vor-
und Familienname oder Firma und Anschrift des Beitragsschuldners und seines
gesetzlichen Vertreters; gegenwärtige Anschrift jeder Betriebsstätte und jeder
Wohnung, einschließlich aller vorhandenen Angaben zur Lage der Wohnung;
letzte der Landesrundfunkanstalt gemeldete Anschrift des Beitragsschuldners;
vollständige Bezeichnung des Inhabers der Betriebsstätte; Anzahl der Beschäf-
tigten der Betriebsstätte; Datum des Beginns des Innehabens der Wohnung, der
Betriebsstätte oder des beitragspflichtigen Kraftfahrzeugs; Anzahl und Zulas-
sungsort der beitragspflichtigen Kraftfahrzeuge.

Zum Abgleich der vorhanden Datensätze von 40 Millionen Haushalten kommt
es zudem zu einer pauschalen Datenübermittlung von allen volljährigen Per-
sonen durch die Einwohnermeldeämter. Weiterhin wird der GEZ mit dem
Rundfunkbeitragsstaatsvertrag eingeräumt, Auskünfte – ohne Kenntnis der
Betroffenen – unter anderem von privaten Adressenhändlern, Inkassounterneh-
men, Versicherungen und selbst Vermietern sowie weiteren staatlichen Stellen
einzuholen. Es entstünde ein bundesweites Melderegister, zu dem nach aktueller
Rechtslage nahezu jeder Sachbearbeiter Zugriff hätte. Die GEZ würde faktisch
zur „Supermeldebehörde“, so der Sächsische Datenschutzbeauftragte Andreas
Schurig.

Auch wird der externe Beauftragtendienst der Landesrundfunkanstalten, über
dessen dubiose Fahndungsmethoden und aggressives Verhalten es immer wie-
der Beschwerden gibt, nicht abgeschafft. Es steht zu befürchten, dass dieser
künftig vor Ort auszuforschen hat, welche Raumeinheiten zum Wohnen oder
Schlafen geeignet sind und wer alles zu einer Wohnung gehört.

Als ein Ziel der Reform wird die Verkleinerung der Behörde durch die Verein-
fachung des Verfahrens zur Beitragserhebung genannt. Aber auch dieses Ziel
liegt offensichtlich in weiter Ferne: Die GEZ beschäftigt derzeit rund
1 150 feste und 350 externe Mitarbeiter. Aus der Systemumstellung resultiert
jedoch nach Angaben des GEZ-Verwaltungsratsvorsitzenden Hans Färber „ein
Mehraufwand für 2 Jahre“, was die Anstellung von 250 neuen Arbeitnehmern
ab 2012 zur Konsequenz hat und somit erst einmal zu einer Aufblähung der
Einrichtung führt. Anschließend, ab dem Jahr 2015 soll sie dann auf ungefähr
1 000 feste Mitarbeiter reduziert werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/8231

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Ministerpräsidenten der Län-
der, dass die datenschutzrechtlichen Vorgaben des Rundfunkbeitragsstaats-
vertrags (RBStV) dem Ziel dienen, die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz
der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu verbessern?

2. Wie viele Datensätze übermittelten die Meldebehörden jährlich seit 2001
an die GEZ?

3. Von welchen weiteren öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen sowie
externen Dienstleistern bezog die GEZ welche Daten in welcher Größen-
ordnung bislang?

4. Welche Informationen und Belege müssen Teilnehmer einem Antrag auf
Befreiung von Rundfunkgebühren beifügen, welche Sozialbehörden stellen
Drittbescheinigungen aus und welche nicht?

5. Gibt die GEZ an Dritte – beispielsweise Kommunalkassen, Finanzämter,
Polizei, Verfassungsschutz, Nachrichtendienste – Daten aus ihrem zentra-
len Datenbestand weiter, wenn ja, an wen, und auf welcher Rechtsgrund-
lage und zu welchen Zwecken geschieht dies?

6. Gab es eine wissenschaftliche Prognose von Effektivität und Risiken der
geplanten Veränderungen, wenn ja, durch wen und mit welchen konkreten
Ergebnissen?

7. In welchen Bereichen wird mit welcher Begründung die Zahl der Beschäf-
tigten der GEZ aufgrund der Reform um mindestens 250 erhöht?

8. Welche Aufgaben erfüllt der Beauftragtendienst der Landesrundfunk-
anstalten, wie hat sich die Zahl der Beauftragten seit 2005 entwickelt, und
wird mit Beginn der Reform ab 2012 auch deren Zahl erhöht?

9. Aus welchem Grund und zu welchem Zweck können die Landesrundfunk-
anstalten neben einer nicht rechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwal-
tungsgemeinschaft (bislang GEZ) nach der Reform weiterhin auch „Dritte“
(§ 11 Absatz 1 RBStV) – sogenannte selbständige Beauftragte – mit Tätig-
keiten bei der Durchführung des Beitragseinzugs oder der Ermittlung von
Beitragsschuldnern sowie der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von
Daten beauftragen?

10. Durch Offenbarung welcher Daten ist der positive oder auch negative
Nachweis des Innehabens einer Wohnung (§ 2 Absatz 2 Nummer 2
RBStV) zu erbringen, wenn Mietverträge in nicht schriftlicher Form vorlie-
gen oder von Personen abgeschlossen werden, die lediglich die Miet-
zahlung übernehmen?

11. Inwieweit sind volljährige Bewohner einer Wohnung gezwungen, im Ein-
zelfall Daten Dritter – gegebenenfalls gegen deren Willen – zu erheben und
an die Rundfunkanstalten zu übermitteln, um ihrer Nachweispflicht (§ 2
Absatz 3 RBStV) zu genügen, und sieht die Bundesregierung darin eine
Verletzung des Grundsatzes der Erhebung von personenbezogenen Daten
beim Betroffenen selbst?

12. In welchem Ausmaß bewirkt die Erfassung der Rundfunkbeitragsschuld in
Form einer gesamtschuldnerischen Haftung (§ 2 Absatz 3 RBStV) aller
volljährigen Personen, die eine Wohnung bewohnen, eine Ausweitung des
Datenerhebungsinteresses der Landesrundfunkanstalten, und wie kann in
diesem Zusammenhang das Ziel des Modellwechsels erreicht werden, den
Verwaltungsaufwand und die Bürokratiekosten zu minimieren?
13. Unter welchen Bedingungen kann von den Landesrundfunkanstalten oder
der nicht rechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft (bis-

Drucksache 17/8231 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

lang GEZ) das Vorlegen eines Mietvertrags als positiver oder negativer
Nachweis des Innehabens einer Wohnung (§ 3 Absatz 1 Nummer 1
RBStV) verlangt werden?

14. Sind Hausbesuche oder Besichtigungen von externen Beitragsbeauftragten,
Beschäftigten der Landesrundfunkanstalten oder der nicht rechtsfähigen
öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft (bislang GEZ) möglich
und rechtlich zulässig, um nachzuprüfen, ob Raumeinheiten „zum Wohnen
oder Schlafen geeignet […] oder genutzt werden“ (§ 3 Absatz 1 Nummer 1
RBStV), oder um festzustellen, welche volljährigen Bewohner einer Woh-
nung – beispielsweise in einer Wohngemeinschaft – der gesamtschuldneri-
schen Haftung der Beitragsschuld unterliegen (§ 2 Absatz 3 RBStV)?

15. Aus welchen Gründen werden die Rundfunkanstalten ermächtigt, den
Nachweis zur Befreiung des Rundfunkbeitrags aus sozialen Gründen wei-
terhin von der Vorlage eines Originalbescheides bzw. einer beglaubigten
Kopie dieses Bescheides (§ 4 Absatz 7 RBStV) abhängig zu machen und
nicht generell auf der Grundlage von Drittbescheinigungen über die Ge-
währung von Sozialleistungen zu akzeptieren, so dass auf die Speicherung
sensitiver Sozial-, Gesundheits- und sonstiger personenbezogener Daten
verzichtet werden könnte?

16. Inwiefern und in welcher Größenordnung ist mit einem Anwachsen des
nicht erforderlichen Bestands von sensiblen Gesundheits-, Sozial-, Finanz-
oder Steuerdaten, die entsprechend der Praxis der GEZ als eingescannte
Dokumente nicht partiell gelöscht werden können, vor dem Hintergrund zu
rechnen, dass bei einem Antrag auf Befreiung von der Beitragspflicht „die
Namen der weiteren volljährigen Bewohner der Wohnung mitzuteilen sind“
(§ 4 Absatz 7 RBStV)?

17. Wie und durch welche Bescheide kann in der Praxis in besonderen Härte-
fällen (§ 4 Absatz 6 RBStV) nachgewiesen werden, dass die Versagung
einer Sozialleistung darauf beruht, dass die maßgeblichen Einkünfte die
jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags
überschreiten?

18. In welchen Gegenden oder Orten Deutschlands ist es objektiv unmöglich,
zumindest über einen Übertragungsweg (Terrestrik, Kabel, Satellit, Internet
oder Mobilfunk) Rundfunk zu empfangen, um – wie in der Begründung zu
§ 4 Absatz 6 RBStV erläutert – eine Beitragsbefreiung in gegebenenfalls
weiteren besonderen Härtefällen zu erlangen, und wie kann dieser Nach-
weis erbracht werden?

19. In welchem Umfang und durch Offenbarung welcher Daten ist der Nach-
weis zu führen, dass Betriebsstätteninhabern eine Befreiung vom Rund-
funkbeitrag gewährt wird, wenn ihre „Betriebsstätte länger als drei zusam-
menhängende volle Kalendermonate vorübergehend stillgelegt ist“ (§ 5
Absatz 4 RBStV)?

20. Aus welchem Grund muss bei der Abmeldung des Innehabens einer Woh-
nung, einer Betriebsstätte oder eines beitragspflichtigen Kraftfahrzeugs der
„begründende Lebenssachverhalt“ (§ 8 Absatz 5 Nummer 2 RBStV) darge-
legt werden, und unter welchen Voraussetzungen wird die Abmeldung an-
schließend genehmigt, bzw. welche Folgen hat eine „Nichtgenehmigung“,
und wie soll dies durchgesetzt werden?

21. Aus welchem Grund muss bei der Abmeldung des Innehabens einer Woh-
nung „die Beitragsnummer des für die neue Wohnung in Anspruch genom-
menen Beitragsschuldners“ (§ 8 Absatz 5 Nummer 3 RBStV) mitgeteilt
und auf Verlangen nachgewiesen werden, wenn gleichzeitig der neue Bei-

tragsschuldner selbst zur Meldung verpflichtet ist, und sieht die Bundes-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/8231

regierung in dieser Bestimmung die Beachtung des Verhältnismäßigkeits-
grundsatzes in der Erhebung personenbezogener Daten gewahrt?

22. Welche Folgepflichten entstehen Eigentümern von Wohnungen und Grund-
stücken einer Betriebsstätte sowie Verwaltern von Wohnungseigentums-
gemeinschaften, wenn der Inhaber einer Wohnung oder einer Betriebsstätte
nicht festzustellen ist, aus dem Auskunftsverlangen der Landesrundfunk-
anstalten (§ 9 Absatz 1 RBStV) in Bezug auf weitere personenbezogene
Daten aus § 8 Absatz 4 und 5 RBStV im Falle, dass diese nicht oder nicht
vollständig erbracht werden können?

23. Welche „weiteren[n] Daten“ (§ 9 Absatz 1 RBStV) können die Landes-
rundfunkanstalten von Eigentümern und Verwaltern verlangen, wenn der
Inhaber einer Wohnung oder einer Betriebsstätte nicht festzustellen ist, und
wie wird diese Auskunftspflicht geltend gemacht bzw. sanktioniert?

24. Hält die Bundesregierung das von der nicht rechtsfähigen öffentlich-recht-
lichen Verwaltungsgemeinschaft (bislang GEZ) zu unterhaltende bundes-
weite zentrale Register mit den Datensätzen aller volljährigen Personen in
Deutschland, die einem Haushalt oder einer Wohnung zuzuordnen sind, für
rechtlich zulässig?

25. Aus welchem Grund erhalten die einzelnen Landesrundfunkanstalten in
einem automatisierten Abrufverfahren (§ 11 Absatz 3 RBStV) weiterhin
Zugriff auf den kompletten Datensatz aller Beitragsschuldner der Bundes-
republik Deutschland, und warum erfolgt eine logische Trennung dieses
Registers nach Zugehörigkeit zu einer bestimmten Landesrundfunkanstalt
nicht, obwohl Wohnungen und Betriebsstätten als Anknüpfungspunkt für
die Zahlungspflicht in der Regel ortsfest sind?

26. Welcher Personenkreis in den Rundfunkanstalten, der nicht rechtsfähigen
öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft (bislang GEZ) und den
Beauftragtendiensten hat im einzelnen Zugriff auf das Register, und wie
groß ist dieser Personenkreis?

27. Hält die Bundesregierung den Sachverhalt, dass die Rundfunkanstalten in-
nerhalb einer Frist von zwei Jahren ab Inkrafttreten des Staatsvertrags von
allen Meldebehörden einen festgelegten Datensatz aller volljährigen Perso-
nen übermittelt bekommen (§ 14 Absatz 9 RBStV), mit dem Grundsatz der
Datensparsamkeit vereinbar, obgleich ein Grund für eine pauschale Daten-
übermittlung durch die Meldebehörden aufgrund der Vermutungsregelung
nach § 14 Absatz 3 RBStV nicht besteht?

28. Wie werden die Informations- und Kommunikationstechnik der nicht rechts-
fähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft (bislang GEZ) so-
wie die Informationsinfrastruktur der über ein automatisiertes Abrufverfahren
eingebundenen Rundfunkanstalten vor Cyberangriffen sowie Cyberspionage
geschützt, und welche speziellen Sicherheitsüberprüfungen bestehen für in
diesem Bereich tätige Mitarbeiter der Verwaltungsgemeinschaft und der
Rundfunkanstalten?

29. Wie bewertet die Bundesregierung die Vertraulichkeit und Integrität der
Informations- und Kommunikationstechnik der nicht rechtsfähigen öffent-
lich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft (bislang GEZ) sowie die Infor-
mationsinfrastruktur der über ein automatisiertes Abrufverfahren einge-
bundenen Rundfunkanstalten vor dem Hintergrund, dass im Vorfeld der
jüngsten Wahl zum Intendanten des Mitteldeutschen Rundfunks das GEZ-
Formular des Kandidaten Bernd Hilder Dritten zugänglich gemacht und in
der Presse veröffentlicht wurde?

Drucksache 17/8231 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

30. Aus welchem Grund werden die Rundfunkanstalten ermächtigt, zusätzlich
personenbezogene Daten bei öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen
ohne Kenntnis der Betroffenen zu erheben (§ 11 Absatz 4 RBStV), obwohl
Beitragspflichtige einer Meldepflicht unterliegen (§ 8 Absatz 1 RBStV)
und der Meldepflicht nicht nachkommende Wohnungs- sowie Betriebsstät-
teninhaber bei den Meldebehörden und Grundbuchämtern ermittelt werden
können, und welche öffentlichen und privaten Stellen kommen gemäß § 11
Absatz 4 RBStV in Betracht?

31. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der Ankauf von großen Men-
gen von Adressdaten bei Dritten zur Überprüfung noch unbekannter Woh-
nungsinhaber auf Verdacht eine zielgerichtete Form der Datenerhebung
darstellt?

32. Wie begründet sich die Notwendigkeit einer Löschungsfrist von zwölf
Monaten für nicht mehr benötigte Daten (§ 11 Absatz 5 RBStV), die bei
öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen ohne Kenntnis der Betroffenen
erhoben werden, generell, und wie begründet sich die Erforderlichkeit ei-
ner derart langen Speicherdauer im Besonderen?

33. Sieht die Bundesregierung den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt,
wenn ab dem 1. Januar 2012 alle privaten Rundfunkteilnehmer schriftlich
zur Auskunft über alle Tatsachen in Bezug auf die Neuregelung (§ 14
Absatz 1 RBStV), und damit auf ihre Wohn- und Lebensverhältnisse, ver-
pflichtet sind, obwohl sich für 95 Prozent der Teilnehmerkonten auch nach
der Neuverarbeitung der Daten keine Änderungen ergeben werden?

34. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag der Datenschutzbeauf-
tragten von Bund und Ländern, die Datenschutzaufsicht im Verwaltungsbe-
reich der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in allen Bundesländern
den unabhängigen Landesdatenschutzbeauftragten zu übertragen?

35. Wie bewertet die Bundesregierung den Bericht des Bundesbeauftragten für
den Datenschutz und die Informationsfreiheit, wonach die autonome Daten-
schutzaufsicht im Verwaltungsbereich der öffentlich-rechtlichen Rundfunk-
anstalten den europäischen Vorgaben nach völliger Unabhängigkeit nicht
genüge und dahingehend geändert werden müsse, dass die Exekutive kei-
nerlei Einfluss auf die Aufgabenwahrnehmung der Datenschutzkontrollbe-
hörde nehmen kann (Bundestagsdrucksache 17/5200, S. 26)?

Berlin, den 16. Dezember 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.