BT-Drucksache 17/7954

Verbraucherrecht auf Basisgirokonto für jedermann gesetzlich verankern

Vom 30. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7954
17. Wahlperiode 30. 11. 2011

Antrag
der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, Ingrid Hönlinger,
Cornelia Behm, Harald Ebner, Bärbel Höhn, Undine Kurth (Quedlinburg),
Friedrich Ostendorff, Markus Tressel, Hans-Josef Fell, Bettina Herlitzius,
Dr. Anton Hofreiter, Tom Koenigs, Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer,
Stephan Kühn, Ingrid Nestle, Dr. Hermann E. Ott, Dorothea Steiner, Daniela
Wagner, Dr. Valerie Wilms und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verbraucherrecht auf Basisgirokonto für jedermann gesetzlich verankern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der letzte, alle zwei Jahre vorzulegende Bericht zum Girokonto für jedermann
wurde von der vorigen Bundesregierung am 16. Dezember 2008 vorgelegt
(Bundestagsdrucksache 16/11495) und hat den gesetzlichen Handlungsbedarf
bestätigt. Das Bundesministerium der Finanzen kommt darin zu dem Ergebnis,
„dass sich die von der Bundesregierung in ihrem Bericht dargestellte Situation
bestätigt und die Situation bei der bankpraktischen Handhabung des Girokon-
tos für jedermann für die kontolosen Bürgerinnen und Bürger nicht verbessert
hat. Das Problem besteht unvermindert fort.“

Die Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft zu einem Girokonto für jeder-
mann muss nach 16 Jahren als gescheitert angesehen werden. Die langjährige
Blockade des Bundesministeriums der Finanzen gegen eine gesetzliche Lösung
(siehe Antrag auf Bundestagsdrucksache 16/818), muss auch angesichts der
Empfehlung der Europäischen Kommission an alle Mitgliedstaaten, jeder Ver-
braucherin und jedem Verbraucher ein Recht auf Zugang zu einem Basiskonto
zu eröffnen, aufgegeben werden.

Die Bundesregierung legt in ihrem Ressortbericht vom 3. August 2011 dar, diese
Empfehlung der Kommission grundsätzlich für richtig zu halten. Das deutsche
Interesse kann über einen nationalen Gesetzesvorschlag am besten verwirklicht
werden. Ein Bericht der Bundesministerien der Finanzen und der Justiz an den
Finanz- und den Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages vom Februar
2008 billigt eine gesetzliche Verpflichtung der Banken zum Abschluss eines
Girokontos mit Verbraucherinnen und Verbrauchern, soweit Ausnahmen für
Fälle der Unzumutbarkeit vorgesehen werden. Die Einführung eines gesetz-
lichen Basisgirokontos würde nicht nur die Probleme nicht versorgter kontoloser

Schuldner beheben. Die Ansetzung eines angemessenen Gebührenrahmens, das
war bei Einführung des Pfändungsschutzkontos versäumt worden, sollte auch
stark überhöhten Entgeltforderungen entgegenwirken.

Drucksache 17/7954 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. umgehend einen Gesetzentwurf für ein Verbraucherrecht auf ein Basis-
girokonto im Guthabenbereich vorzulegen, das folgende Anforderungen er-
füllt:

– das Einzahlen von Geldbeträgen und Barabhebungen sind möglich,

– Zahlungsvorgänge können durch das Lastschriftverfahren, mittels Über-
weisung und Zahlungskarte ausgeführt werden,

– der Zugang zum Basisgirokonto wird nicht von zusätzlichen Diensten ab-
hängig gemacht,

– ein Negativsaldo durch Überziehungen ist ausgeschlossen,

– ein angemessener Kostenrahmen für Eröffnung, Führung, Nutzung und
Schließung des Basiskontos wird festgelegt,

– ein kostenloses und effizientes Streitbeilegungsverfahren für Streitigkei-
ten im Zusammenhang mit dem Basiskonto, insbesondere bei Verweige-
rung der Bank der Eröffnung eines solchen Kontos, wird vorgeschrieben,

– eine wirksame Überwachung der Einhaltung der einzuführenden Anfor-
derungen durch vom Finanzdienstleister unabhängige Behörden wird in-
stalliert und

– eine einfach verständliche Verbraucherinformation gewährleist, dass Ver-
braucherinnen und Verbraucher wirksam über ihre Rechte in Bezug auf
das Basisgirokonto informiert werden;

2. für den von der Europäischen Kommission geforderten Bericht zum 1. Juli
2012 folgende Daten zu erheben und zu übermitteln:

– Zahl der eröffneten Basiskonten,

– Zahl der verwehrten Zugänge,

– Gründe für die Verweigerung,

– Zahl der geschlossenen Basiskonten und

– Kostenstruktur der Basiskonten.

Berlin, den 29. November 2011

Renate Künast, Jürgen Trittin und Fraktion

Begründung

Noch immer erhalten viele Verbraucherinnen und Verbraucher kein Girokonto.
Dies wird ohne die vorgesehene schriftliche Begründung von Banken abge-
lehnt.

Die Kreditwirtschaft gibt zwar nur Einzelfälle zu, aber es ist davon auszugehen,
dass tatsächlich hunderttausende Bürgerinnen und Bürger in Deutschland wei-
terhin kein Girokonto erhalten (vgl. Bundestagsdrucksache 16/11495, S. 7 f.).
Die EU-Kommission hat in der Konsultation „Zugang zu einem Basiskonto“
vom 6. Oktober 2010, beruhend auf einer Hochrechnung nach einer Umfrage
bei Personen über 21 Jahren, die Zahl der Kontolosen für Deutschland mit
670 000 angegeben.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7954

Eine Bankverbindung ist für Verbraucherinnen und Verbraucher die Grundlage
für die Teilnahme am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben. Seit 1995
gibt es eine freiwillige Verpflichtung der Kreditinstitute, allen Verbraucherinnen
und Verbrauchern bei Interesse ein Girokonto auf Guthabenbasis einzurichten.
Die Selbstverpflichtung soll dazu dienen, dass auch wirtschaftlich schwächer
gestellte Haushalte in Deutschland am bargeldlosen Zahlungsverkehr teilhaben
können.

Der Deutsche Bundestag hat die Bundesregierung am 31. Januar 2002 aufgefor-
dert, alle zwei Jahre über die Umsetzung dieser Selbstverpflichtung zu berichten
(Punkt 3 auf Bundestagsdrucksache 14/5216). Seitdem soll die Bundesregierung
regelmäßig über die weitere Umsetzung der Empfehlung des Zentralen Kredit-
ausschusses zum Girokonto für jedermann, über die Wirkung der Beschwerde-
stellen und die Struktur der Inhaber von Girokonten für jedermann berichten.
Der Bericht dient als Grundlage für die Prüfung einer gesetzlichen Regelung und
ist seit Dezember 2010 überfällig.

Die Anforderungen für ein Verbraucherrecht auf ein Basisgirokonto im Gut-
habenbereich sind an die Empfehlung der Europäischen Kommission (K(2011)
4977 endg.) vom 18. Juli 2011 anzupassen und damit eine europaweit einheit-
liche Standardisierung zu fördern. Für die von der EU geforderte Festlegung
eines kostenlosen oder zumindest mit angemessenen Kosten versehenen Basis-
kontos sind auch die Erkenntnisse der Verbraucherzentrale Sachsen über Gebüh-
renforderungen bei Pfändungsschutzkonten zu berücksichtigen. Nach Abmah-
nungen verschiedener Banken durch die Verbraucherzentrale reduzierten sich
die monatlichen Entgelte von 10 bis 25 Euro auf eine auch für andere Konto-
modelle übliche Höhe von 6 Euro.

Erfahrungen aus Frankreich haben gezeigt, dass eine gesetzliche Verpflichtung
zum Basiskonto nur dann greift, wenn gute und einfach verständliche Werbung
dafür sorgt, dass das Basisgirokonto die betroffenen Verbraucherinnen und Ver-
braucher erreicht.

Die Bundesregierung soll neben dem vom Bundestag beschlossenen Bericht
auch der EU-Kommission die geforderten detaillierten Daten zu Kontoeröff-
nungen und -schließungen, Anzahl und Gründe der Verweigerungen und Kos-
tenstruktur der Basiskonten übermitteln, um einen europäischen Vergleich der
Versorgungsstruktur für Verbraucherinnen und Verbraucher zu ermöglichen.

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