BT-Drucksache 17/7857

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/6600, 17/6602, 17/7123, 17/7124, 17/7125 - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2012 (Haushaltsgesetz 2012) hier: Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung

Vom 22. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7857
17. Wahlperiode 22. 11. 2011

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, Nicole Gohlke, Dr. Rosemarie
Hein, Dr. Dietmar Bartsch, Steffen Bockhahn, Roland Claus, Michael Leutert,
Dr. Gesine Lötzsch und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/6600, 17/6602, 17/7123, 17/7124, 17/7125 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2012
(Haushaltsgesetz 2012)

hier: Einzelplan 30
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Trotz eines Aufwuchses von 9,9 Prozent oder 1,16 Mrd. Euro im Vergleich zum
Vorjahresetat lässt der Haushaltsentwurf 2012 im Einzelplan 30 keine Priori-
tätensetzung zugunsten der Öffnung des Bildungswesens und seiner bedarfs-
gerechten Ausfinanzierung erkennen. Der Aufwuchs des Einzelplans 30 erfolgt
vor allem in den Bereichen Hochschule und Wissenschaft sowie bei den For-
schungseinrichtungen und in der Projektförderung für Forschung und Innovation.
Im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung wird dagegen – wie im ver-
gangenen Jahr – sogar gekürzt. Das Sonderprogramm für Ausbildungsplätze in
den neuen Ländern und Berlin läuft planmäßig 2012/2013 aus, ohne dass eine
Kompensation erfolgt – etwa durch ein Programm zur Förderung von Aus-
bildungsplätzen in strukturschwachen Regionen, wie es bereits 2010 einmal
geschaffen wurde. Obwohl in Deutschland inzwischen 1,5 Millionen junge
Menschen im Alter von 20 bis 29 Jahren keinen Berufsabschluss haben und sich
auch nicht in einer Ausbildung befinden, unternimmt die Bundesregierung
keinerlei Initiative für ein dringend nötiges Sonderprogramm zur Nachqualifi-
zierung. Auch wenn in den Hochschulpakt 2020 erheblich mehr Mittel fließen,
stehen immer noch nicht genügend Studienplätze zur Verfügung, um dem prog-

nostizierten Bedarf gerecht zu werden und um die Qualität des Studiums zu ver-
bessern. Die BAföG-Ausgaben (BAföG: Bundesausbildungsförderungsgesetz)
bleiben hinter dem notwendigen Ausbau zurück. Stattdessen setzt die Bundes-
regierung auf das elitäre Deutschlandstipendienprogramm. Das zum 1. Januar
2012 in Kraft tretende „Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerken-
nung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen“ wird völlig unzureichend
flankiert. Um die berufliche Integration von Migrantinnen und Migranten zu

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verbessern, bedarf es eines Sonderprogramms zur Finanzierung notwendiger
Nach- und Ergänzungsqualifizierungsmaßnahmen sowie eines umfassenden Be-
ratungsangebotes.

Wissenschaftliche Analysen des deutschen Innovationssystems sehen vor allem
das unterfinanzierte und strukturell veraltete deutsche Bildungs- und Hoch-
schulsystem als größte Bremse für eine zukunftsfähige Entwicklung an. In
keinem Gutachten hingegen wird die Projektförderung des Bundes als unter-
ausgestattet bezeichnet. Deshalb muss die Schwerpunktsetzung des Einzel-
plans 30 zugunsten von Bildung und Ausbildung der jungen Generation verän-
dert werden.

Die verfehlte Steuer- und Finanzpolitik der Bundesregierung bringt die Haus-
halte der Bundesländer weiter unter Druck, die ihrerseits u. a. auch mit Kürzun-
gen im Bildungs- und Hochschulbereich reagieren. Inzwischen lehnen viele
Länder weitere Bundesprogramme ab, die eine Kofinanzierung auf Landes-
ebene voraussetzen.

Für die Zukunftsperspektiven der jungen Generation braucht es verlässliche
Strukturen in allen öffentlichen Bildungseinrichtungen, für deren Bereitstellung
auch die Bundesregierung in der Verantwortung ist.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. im Bundeshaushalt eine deutliche Prioritätensetzung zugunsten der Bildungs-
ausgaben vorzunehmen und mit den Ländern verbindliche Vereinbarungen zu
treffen, die konkrete Maßnahmen für eine bessere personelle und sachliche
Ausstattung von Kindertageseinrichtungen, Schulen und Hochschulen sicher-
stellen. Dazu ist auch eine Initiative zur Aufhebung des Kooperationsverbots
im Grundgesetz erforderlich;

2. den Bundesländern durch eine Umkehr in der Finanz- und Steuerpolitik neue
finanzielle Spielräume zu eröffnen und eine deutliche Prioritätensetzung zu-
gunsten der Bildungsausgaben zu ermöglichen;

3. ein Sonderprogramm für die Ausbildung von pädagogischen Fachkräften
aufzulegen, das dem zusätzlichen Personalbedarf zur Sicherung des Rechts-
anspruchs auf frühkindliche Bildung und Betreuung gerecht wird;

4. mit einem Sonderprogramm „1,5 Milliarden für 1,5 Millionen“ den 1,5 Mil-
lionen in Deutschland lebenden jungen Menschen ohne Berufsabschluss das
Nachholen einer qualifizierten Berufsausbildung zu ermöglichen. Hierzu
sind im Jahr 2012 500 Mio. Euro in den Einzelplan 30 einzustellen und so-
wohl vollzeit- als auch teilzeit- bzw. berufbegleitende Ausbildungsgänge an-
zubieten;

5. ein Sonderprogramm im Umfang von 100 Mio. Euro auf den Weg zu brin-
gen, um Personen, deren im Ausland erworbene Bildungs- und Berufsquali-
fikationen nicht vollständig anerkannt oder abgelehnt werden, notwendige
Nach- und Anpassungsqualifizierungen zur umfänglichen Anerkennung der
beruflichen Abschlüsse zu ermöglichen sowie ein umfassendes Beratungs-
angebot bereitzustellen;

6. das BAföG als Ausbildungsförderung mit Rechtsansprüchen und Verläss-
lichkeit deutlich auszubauen und strukturell zu erneuern, statt mit dem
Deutschlandstipendienprogramm die soziale Ungleichheit an den Hoch-
schulen weiter zu verstärken. Dazu sollen die Altersgrenze aufgehoben, das
BAföG auf eine Zuschussförderung umgestellt sowie den tatsächlichen Aus-
bildungskosten angepasst werden. Die Bedarfssätze und Freibeträge sollen
um jeweils 10 Prozent angehoben werden. Die Förderung von Schülerinnen
und Schülern an allgemeinbildenden Schulen ab Klasse 11 sowie in vollzeit-

schulischen Ausbildungen soll umfangreich und ohne wohnortspezifische
Einschränkungen ermöglicht werden;

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7. den Hochschulpakt 2020 entsprechend den Berechnungen der Hochschul-
rektorenkonferenz und des Wissenschaftsrats aufzustocken mit dem Ziel,
die Studierendenquote auszubauen, die tatsächlichen Studienkosten zu
decken und die Qualität der Lehr- und Lernbedingungen an den Hoch-
schulen zu verbessern. Dabei ist die Förderung dauerhafter Beschäfti-
gungs- und Arbeitsmöglichkeiten – insbesondere nach der Promotion und
neben der Professur – zu verfolgen. Ein besonderer Schwerpunkt beim Stu-
dienplatzausbau muss angesichts des wachsenden Bedarfs an Lehrkräften
auf Lehramtstudienplätze gelegt werden;

8. den Exzellenzwettbewerb auslaufen zu lassen und die dritte Säule „Zu-
kunftskonzepte“ sofort zu stoppen, da er nutzlose Antragsbürokratie und
Fehlentwicklungen in der Personalstruktur produziert und Reputations-
verluste für einen Großteil der deutschen Hochschulen bringt. Stattdessen
sollen die Hochschulforschung in den neuen Ländern sowie die Forschung
an Fachhochschulen unterstützt werden;

9. mit den Ländern in einen Prozess der Neugestaltung der Bund-Länder-
Beziehungen im Bereich Forschung und Wissenschaft einzusteigen. Das
Ziel muss ein langfristig tragfähiges und qualitätsorientiertes System der
gemeinschaftlichen Finanzierung der außeruniversitären Forschungsein-
richtungen sein;

10. die Erhöhung der technologieorientierten Innovationsförderung in be-
sonders industrienahen Bereichen in Höhe von 165 Mio. Euro zurückzu-
nehmen und die Projektförderung des Bundes auf die Unterstützung von
Zielen der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit zu konzentrieren. Zu
diesem Zweck sind die Transparenz und die demokratische Gestaltung der
Projektförderung deutlich zu verbessern. Die Register der geförderten
Projekte sollten übersichtlicher und aussagekräftiger gestaltet und die Aus-
lagerung der Forschungsmittel, insbesondere im Bereich Elektrofahrzeuge,
in den Energie- und Klimafonds beendet werden.

Berlin, den 21. November 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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