BT-Drucksache 17/7855

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/6600, 17/6602, 17/7119, 17/7123, 17/7124, 17/7125 - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2012 (Haushaltsgesetz 2012) hier: Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Vom 22. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7855
17. Wahlperiode 22. 11. 2011

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Heike Hänsel, Annette Groth, Niema Movassat, Dr. Dietmar
Bartsch, Steffen Bockhahn, Roland Claus, Michael Leutert, Dr. Gesine Lötzsch und
der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/6600, 17/6602, 17/7119, 17/7123, 17/7124, 17/7125 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2012
(Haushaltsgesetz 2012)

hier: Einzelplan 23
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Der im Gesetzentwurf der Bundesregierung für 2012 vorgesehene Aufwuchs
im Budget des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (BMZ) reicht nicht aus, um bis 2015 das Ziel zu erreichen, die
ODA-Quote (Anteil der Entwicklungshilfe am Bruttonationaleinkommen),
wie international vereinbart, auf 0,7 Prozent anzuheben. Ein deutlich höherer
Aufwuchs ist dafür schon im kommenden Haushaltsjahr notwendig.

2. Das Festhalten an der Regelung, wonach höchstens ein Drittel der ODA in
multilaterale Zusammenarbeit fließen darf, ist in diesem Sinne ebenso kon-
traproduktiv wie die Zurückhaltung der Bundesregierung bei der Vergabe
von Budgethilfe. Um mehr ODA effektiv abfließen lassen zu können und
gleichzeitig den Aufbau staatlicher Systeme zu unterstützen, müssen die In-
strumente der Budgethilfe verstärkt zum Einsatz kommen und die Beiträge
an multilaterale Institutionen erhöht werden.
3. Naturkatastrophen in den Ländern des Südens, auch solche, die Folge der
Wirtschaftsweise des Nordens sind, wie durch den Klimawandel ausgelöste
Flutkatastrophen und Dürren, werden zunehmend zur Herausforderung für
die Entwicklungspolitik. Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Hungers-
not in Ostafrika und der sich abzeichnenden Gefahr einer Hungersnot im
nächsten Frühjahr in Westafrika müssen dafür wesentlich mehr Mittel zur

Drucksache 17/7855 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Verfügung gestellt werden, um unmittelbare Not zu lindern und den Über-
gang zur Entwicklungszusammenarbeit gestalten zu können.

4. Die Notwendigkeit, ländliche Entwicklung stärker zu fördern, wurde mit der
Hungersnot in Ostafrika abermals deutlich. Hierfür sind mehr Mittel im Etat
des BMZ zu veranschlagen. Zugleich muss die Bundesregierung endlich
wirksam gegen die Spekulation mit Nahrungsmitteln und landwirtschaft-
licher Nutzfläche und gegen großflächige Landnahme durch deutsche Inves-
toren in Ländern des Südens vorgehen.

5. Entwicklungspolitik muss Friedenspolitik sein. Die Instrumente ziviler Kri-
senprävention und Konfliktbearbeitung sind erheblich auszubauen. Die Ver-
knüpfung von Entwicklungszusammenarbeit mit militärischen und geostrate-
gischen Zielen, wie sie im Rahmen der zivilmilitärischen Zusammenarbeit
stattfindet und mit der Afghanistan-Fazilität auch auf Nichtregierungsorgani-
sationen ausgeweitet wird, ist zurückzuweisen, weil sie entwicklungspoliti-
schen Zielsetzungen entgegenläuft und Helferinnen und Helfer konkret ge-
fährdet.

6. Ebenso wenig darf die Entwicklungszusammenarbeit mit wirtschaftlichen
Eigeninteressen verknüpft werden. Nicht die Geschäftsanbahnung für deut-
sche Unternehmen, sondern die Armutsbekämpfung in den Partnerländern
muss Ziel der Entwicklungszusammenarbeit sein. Der Nachweis der Ent-
wicklungsförderlichkeit von Projekten der Öffentlich-Privaten Partnerschaft
(PPP) steht aus. Negative Erfahrungen mit PPP-Projekten in Deutschland
existieren hingegen zuhauf.

II. Der Einzelplan 23 – Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung – wird um 1 955 Mio. Euro aufgestockt. Die Summe der Ver-
pflichtungsermächtigungen wird um 2 640 Mio. Euro aufgestockt.

III. Dabei werden folgende Schwerpunkte gesetzt:

1. Stärkung der Vereinten Nationen und anderer Strukturen der multilateralen
Zusammenarbeit

● In Kapitel 23 02 wird der Titel 687 01 „Beiträge an die Vereinten Natio-
nen, ihre Sonderorganisationen sowie andere internationale Einrichtungen
und internationale Nichtregierungsorganisationen“ um 94,4 Mio. Euro auf
200 Mio. Euro erhöht. Die Verpflichtungsermächtigung für kommende
Haushaltsjahre beträgt 60 Mio. Euro.

● In Kapitel 23 02 wird der Titel 896 07 „Beitrag an den Globalen Fonds zur
Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria (GFATM)“ um
220 Mio. Euro auf 420 Mio. Euro erhöht. Eine Verpflichtungsermäch-
tigung für das kommende Haushaltsjahr in Höhe von 420 Mio. Euro wird
neu eingefügt.

2. Verstärkung der entwicklungsorientierten Not- und Übergangshilfe

● In Kapitel 23 02 wird der Titel 687 20 „Entwicklungsorientierte Not- und
Übergangshilfe“ um 171 Mio. Euro auf 300 Mio. Euro erhöht. Davon wer-
den 60 Mio. Euro für Maßnahmen zur Abwehr einer Hungersnot in
Westafrika und zur Unterstützung der Landwirtschaft dort bereitgestellt.
Die Verpflichtungsermächtigung für die kommenden Haushaltsjahre wird
um 170 Mio. Euro auf 200 Mio. Euro erhöht. Der Titel verbleibt im Ein-
zelplan 23. Der Titel 687 72 im Kapitel 05 02 für humanitäre Hilfsmaß-
nahmen im Ausland wird in den Einzelplan 23 integriert.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7855

● In Kapitel 23 02 wird der Titel 687 23 „Beteiligung am Welternährungs-
programm“ um 27 Mio. Euro auf 50 Mio. Euro erhöht.

● In Kapitel 23 02 wird der neue Titel „Wiederaufbau in Haiti“ eingefügt.
Der Titelansatz beträgt 100 Mio. Euro. Die Verpflichtungsermächtigung
für die kommenden Haushaltsjahre beträgt 200 Mio. Euro.

● In Kapitel 23 02 wird der neue Titel „Wiederaufbau in Pakistan“ einge-
fügt. Der Titelansatz beträgt 100 Mio. Euro. Die Verpflichtungsermäch-
tigung für die kommenden Haushaltsjahre beträgt 200 Mio. Euro.

3. Erhöhung der Finanziellen Zusammenarbeit

● In Kapitel 23 02 wird der Titel 866 01 „Bilaterale Finanzielle Zusammen-
arbeit“ um 418 Mio. Euro auf 2 300 Mio. Euro erhöht. Die Verpflichtungs-
ermächtigung für die kommenden Haushaltsjahre wird um 740 Mio. Euro
auf 2.600 Mio. Euro erhöht.

● Die Mittel für die bilaterale Finanzielle Zusammenarbeit werden zu min-
destens 30 Prozent für soziale Sicherungssysteme, für eine Stärkung der
Geschlechtergerechtigkeit und für Grundbildung in den Partnerstaaten ge-
bunden.

4. Schwerpunkt Ländliche Entwicklung

● In Kapitel 23 02 wird der Titel 896 03 „Bilaterale Technische Zusammen-
arbeit“ um 262 Mio. Euro auf 1 400 Mio. Euro erhöht. Die Verpflichtungs-
ermächtigung für die kommenden Haushaltsjahre wird um 320 Mio. Euro
auf 1 500 Mio. Euro erhöht.

● Die Mittel für die bilaterale Technische Zusammenarbeit werden zu min-
destens 20 Prozent für ländliche Entwicklung und Ernährungssouveränität
der Partnerstaaten gebunden.

● In Kapitel 23 02 wird der Titel 687 38 „Förderung der internationalen
Agrarforschung“ um 20 Mio. Euro auf 40 Mio. Euro erhöht. Die Ver-
pflichtungsermächtigung für die kommenden Haushaltsjahre wird um
19,4 Mio. Euro auf 40 Mio. Euro erhöht.

● Die Mittel für die internationale Agrarforschung werden an folgende For-
schungsziele gebunden:

a) Förderung angepasster Technologien, Nutzung und Fortentwicklung
indigenen Wissens, Einsatz erneuerbarer Energien in der Landwirt-
schaft, keine Gentechnik.

b) Mindestens 50 Prozent der zusätzlichen Mittel für die Unterstützung
des Aufbaus von Kapazitäten der gentechnikfreien Agrarforschung in
afrikanischen Staaten.

● In Kapitel 23 02 wird der neue Titel „Unterstützung Ostafrikas bei der
Überwindung der Hungersnot und beim Aufbau nachhaltiger ländlicher
Strukturen“ eingefügt. Der Titelansatz beträgt 100 Mio. Euro. Die Ver-
pflichtungsermächtigung für die kommenden Haushaltsjahre beträgt
200 Mio. Euro.

5. Ausbau des Zivilen Friedensdienstes und Initiativen für einen Europäischen
und Afrikanischen Zivilen Friedensdienst

● In Kapitel 23 02 wird der Titel 896 02 „Beitrag zum Europäischen Ent-
wicklungsfonds“ um 40 Mio. Euro auf 885 Mio. Euro erhöht. Die zusätz-
lichen 40 Mio. Euro sind als Anschubfinanzierung für die Aufstellung
eines Afrikanischen Zivilen Friedensdienstes vorgesehen.

Drucksache 17/7855 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
● In Kapitel 23 02 wird der Titel 687 72 „Ziviler Friedensdienst“ um
31 Mio. Euro auf 60 Mio. Euro erhöht. Die Verpflichtungsermächtigung
für die kommenden Haushaltsjahre wird um 35 Mio. Euro auf 60 Mio.
Euro erhöht. 15 Mio. Euro werden für die Anschubfinanzierung für den
Europäischen Zivilen Friedensdienst zur Verfügung gestellt.

● In Kapitel 23 02 wird im Titel 687 76 „Förderung entwicklungswichtiger
Vorhaben privater Träger“ die NRO-Fazilität Afghanistan aufgehoben.
Die bislang darin gebundenen Mittel in Höhe von 10 Mio. Euro werden
privaten Trägern ohne die in der Fazilität vorgesehenen Konditionen auf
dem üblichen Wege zugänglich gemacht.

6. Weniger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft

● In Kapitel 23 02 wird der Titel 687 11 „Entwicklungspartnerschaft mit der
Wirtschaft“ um 39,8 auf 40 Mio. Euro abgesenkt. Die Verpflichtungs-
ermächtigung für die kommenden Haushaltsjahre wird um 31 auf 25 Mio.
Euro abgesenkt.

Berlin, den 21. November 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.