BT-Drucksache 17/7695

Versorgungssicherheit und Energieeinsparpotential

Vom 9. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7695
17. Wahlperiode 09. 11. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Rolf Hempelmann, Dirk Becker, Hubertus Heil (Peine),
Ulrich Kelber, Ingrid Arndt-Brauer, Doris Barnett, Sören Bartol, Gerd Bollmann,
Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Marco Bülow, Edelgard Bulmahn,
Martin Burkert, Garrelt Duin, Petra Ernstberger, Michael Gerdes, Iris Gleicke,
Michael Groß, Petra Hinz (Essen), Oliver Kaczmarek, Dr. Bärbel Kofler, Ute Kumpf,
Dr. Matthias Miersch, Thomas Oppermann, Holger Ortel, Heinz Paula,
Gerold Reichenbach, René Röspel, Frank Schwabe, Dr. Martin Schwanholz,
Rita Schwarzelühr-Sutter, Wolfgang Tiefensee, Ute Vogt, Waltraud Wolff
(Wolmirstedt), Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD

Versorgungssicherheit und Energieeinsparpotenzial

Die Bundesnetzagentur hat am 31. August 2011 ihren Bericht zu den Aus-
wirkungen des Kernkraftausstiegs vorgelegt. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass
bundesweit insgesamt ca. 100,2 Gigawatt (GW) Kraftwerkskapazitäten ab
20 Megawatt (MW) in Betrieb sind. Hinzu kommen ca. 1,8 GW als Kaltre-
serve. Bei einem Spitzenbedarf im Winter von höchstens 80 GW bleibt somit
im bundesweiten Saldo eine Reserve von über 20 GW.

Bei der Stromversorgung in einer regionalen Betrachtung hat die Bundesnetz-
agentur allerdings festgestellt, dass es an ausreichenden Übertragungsnetzen
fehlt, um die Verbräuche in den Ballungsgebieten im Raum Rhein-Main-
Neckar und im Raum Hamburg jederzeit zweifelsfrei decken zu können. Die
Bundesnetzagentur sieht zwar auch in Extremfällen – also ein zentrales
Betriebsmittel und eine Erzeugungsanlage fallen gleichzeitig aus und die
Wind- und Sonnenenergie fehlen – immer noch eine ausreichende Versorgung.
Jedoch könnte das System einen weiteren Ausfall nicht mehr kompensieren.
Auch wird dieser Extremfall nur dadurch abgesichert, dass die Bundes-
netzagentur 1 009 MW in Süddeutschland aus der Kaltreserve und weitere
1 075 MW in Österreich kontrahieren konnte. Des Weiteren rät die Bundes-
netzagentur zum Weiterbetrieb der Kraftwerksblöcke Datteln 1 bis 3 und zum
Reservebetrieb des Kraftwerks Staudinger 3 bis zum Frühjahr 2013. Diese
Maßnahmen zeigen, dass das System der Stromversorgung unter Stress ist und
dass es keine absolute Sicherheit für die Spitzenverbrauchszeiten an kalten
Wintertagen gibt.
Dem Bericht der Bundesnetzagentur folgend sind auf der Erzeugerseite die not-
wendigen und möglichen Maßnahmen ergriffen worden. Weitere Maßnahmen
auf der Verbrauchsseite können eine höhere Sicherheit bewirken.

In diesem Zusammenhang ist es hilfreich, den Blick nach Japan zu richten, wo
in der Folge der Katastrophe von Fukushima in einem sofort wirksamen Ak-
tionsplan eine Versorgungslücke verhindert wurde, obwohl von den insgesamt
55 Atomkraftwerken nur zwölf am Netz blieben. Das Ziel der Energieeinspa-

Drucksache 17/7695 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

rung in Japan lag bei 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dieses Ziel wurde
erreicht. Einsparungen wurden vor allem bei Großabnehmern, Industrie, öffent-
lichen Einrichtungen und bei privaten Haushalten erreicht.

Auch in Deutschland muss nun geprüft werden, ob einige der in Japan ergrif-
fenen Maßnahmen kurzfristig auch für Deutschland umgesetzt werden können,
um die von der Bundesnetzagentur erwarteten Problemsituationen in den Win-
tern 2011/2012 und 2012/2013 zu entschärfen.

Da der überwiegende Teil der deutschen Bevölkerung die Energiewende und
den Atomausstieg unterstützt, kann unterstellt werden, dass auch hier eine
große Bereitschaft besteht, zu Hause und am Arbeitsplatz die Einsparziele mit-
zutragen und alle Potenziale auf der Nachfrageseite zu nutzen.

Die von der Bundesnetzagentur vorgetragene Stresssituation im Netz bietet
auch die Gelegenheit, Defizite in der bisherigen Einspar- und Effizienzbilanz
anzugehen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Stromversorgung in
Deutschland mit den von der Bundesnetzagentur ergriffenen Maßnahmen
jederzeit sichergestellt ist?

2. Mit welchen über die bereits ergriffenen Maßnahmen der Bundesnetzagen-
tur hinausgehenden Maßnahmen kann die Stresssituation der Stromversor-
gung entschärft werden?

3. Können zu einer weiteren Absicherung Lehren aus den Sparmaßnahmen von
Japan für den deutschen Stromverbrauch gezogen werden, und welche der
dort ergriffenen Maßnahmen können auch in Deutschland einsetzbar sein?

4. Ist die Bundesregierung bereit, die Verbraucherinnen und Verbraucher in
Maßnahmen zur Energieeinsparung einzubeziehen?

Wenn ja, welche Strategie verfolgt die Bundesregierung?

5. Welche Erkenntnisse zur Akzeptanz von Energieeinsparmaßnahmen in
Privathaushalten liegen der Bundesregierung vor?

6. Wie ist der Stand der Umsetzung der im Energiekonzept vorgeschlagenen
Maßnahmen zur Ausschöpfung der Effizienzpotenziale in privaten Haushal-
ten und im öffentlichen Bereich?

Wie hoch ist das zu erwartende Einsparpotenzial je Maßnahme?

Wird insgesamt das im Energiekonzept festgelegte Ziel, den Stromver-
brauch bis 2020 gegenüber 2008 in einer Größenordnung von 10 Prozent
und bis 2050 von 25 Prozent zu vermindern, erreicht?

7. Wie sind die Erfahrungen und Einsparwirkung der Energieberatung durch
die Verbraucherzentralen?

Welche Einsparpotenziale erwartet die Bundesregierung mit der neuen auf-
suchenden Energieberatung, den Energiechecks?

Wird die Bundesregierung eine Geräteförderung für energieeffiziente Haus-
haltsgeräte einführen?

Wenn ja, wann wird diese eingeführt, und welche Bedingungen sind daran
geknüpft?

Wenn nein, wieso werden Verbraucher in dem Bereich nicht gefördert?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7695

8. Ist die Bundesregierung bereit, die im § 13 Absatz 4a des Energiewirt-
schaftsgesetzes geschaffene Verordnungsermächtigung zur Ausgestaltung
und Höhe der Vergütung zu nutzen, um das Instrument der negativen Regel-
leistung auszubauen und durch eine angemessene Vergütung von „abschalt-
bare Verträge“ einen größeren finanziellen Anreiz für solche Unternehmen
zu schaffen, die bereit sind, bei einem Engpass ihren Stromverbrauch abzu-
senken?

9. Wie bewertet die Bundesregierung den mittelfristigen Einspareffekt, wenn
elektrisch betriebene Anlagen insbesondere Pumpen von Heiz- und Um-
wälzanlagen die nicht dem Stand der Technik entsprechen, ausgewechselt
werden, und ist die Bundesregierung bereit, mit Informationskampagnen
auf diese Einsparwirkungen hinzuweisen?

10. Ist die Bundesregierung bereit, einen Einstieg in eine langfristig angelegte
Einspar- und Effizienzpolitik vorzunehmen und einen solchen Prozess
auch durch ein Monitoring zu begleiten?

11. Welche Forschungsprojekte zum Thema Energieeinsparpotenziale fördert
die Bundesregierung aktuell, und welche Schwerpunkte werden hier er-
forscht?

Berlin, den 9. November 2011

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.