BT-Drucksache 17/7634

CASTOR-Transport 2011 nach Gorleben stoppen

Vom 8. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7634
17. Wahlperiode 08. 11. 2011

Antrag
der Abgeordneten Dorothee Menzner, Johanna Voß, Eva Bulling-Schröter,
Dr. Barbara Höll, Harald Koch, Ralph Lenkert, Ulla Lötzer, Richard Pitterle,
Michael Schlecht, Sabine Stüber, Dr. Axel Troost, Sahra Wagenknecht und der
Fraktion DIE LINKE.

CASTOR-Transport 2011 nach Gorleben stoppen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Laut Messungen des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft,
Küsten- und Naturschutz (NLWKN) übersteigt die Belastung mit radioaktiver
Strahlung am Zwischenlager Gorleben bis zum Jahresende 2011 voraussichtlich
die gesetzlichen Eingreif- und Grenzwerte. Dies konnte auch die vom Nieder-
sächsischen Ministerium für Umwelt und Klimaschutz angeordnete Überprü-
fung durch die TÜV NORD AG nicht vollständig entkräften. Plausible Auswer-
tungen der Messergebnisse durch die Fachgruppe Radioaktivität der Bürgerini-
tiative Lüchow-Dannenberg kommen sogar zu dem Schluss, dass der Grenzwert
für die Jahreshöchstbelastung bereits in den vergangenen Jahren überschritten
wurde.

Eine Einlagerung weiterer Castorbehälter im Zwischenlager wäre angesichts der
hohen radioaktiven Strahlenbelastung ein fahrlässiger Umgang mit der Gesund-
heit der Bevölkerung sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Zwi-
schenlagers. Es ist alarmierend, dass schon eine Belegung von 102 der vorgese-
henen 420 Stellplätze für Castorbehälter im Zwischenlager Gorleben eine Ein-
haltung von Grenzwerten zumindest fraglich erscheinen lassen. Die Betriebsge-
nehmigung des Zwischenlagers Gorleben muss deshalb auf den Prüfstand. Die
geplante Einlagerung weiterer elf Castorbehälter aus der französischen Wieder-
aufarbeitungsanlage La Hague in das Zwischenlager Gorleben muss untersagt
werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. per bundesaufsichtlicher Weisung die niedersächsische Aufsichtsbehörde zur
Rücknahme der Zustimmung zur Einlagerung von elf Castorbehältern im
Zwischenlager Gorleben im Jahr 2011 aufzufordern;
2. die Genehmigung für den anstehenden Transport von elf Castorbehältern mit
hochradioaktivem Müll aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La
Hague in das Zwischenlager Gorleben zu widerrufen;

3. in einem transparenten Verfahren grundlegend die Ursachen für die erhöhten
Strahlenwerte am Zwischenlager Gorleben zu überprüfen. Dies soll auch mit

Drucksache 17/7634 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Blick auf die in der Betriebsgenehmigung des Zwischenlagers zugrunde ge-
legten Annahmen geschehen. Dabei soll u. a. berücksichtigt werden, dass die
in der Genehmigung vorgesehenen 420 Castorbehälterstellplätze des Zwi-
schenlagers erst zu etwa einem Viertel belegt sind. Der Landrat des Land-
kreises Lüchow-Dannenberg und seine Sachverständigen sollen bei dieser
Überprüfung einbezogen werden;

4. dem Deutschen Bundestag und der Öffentlichkeit Auskunft darüber zu er-
teilen, welche Maßnahmen seitens der Betreiber des Zwischenlagers seit
Frühjahr 2011 unternommen wurden, um die Strahlenbelastung an den Mess-
punkten zu verringern. Dabei sollen sowohl die Gründe für das Ergreifen der
Maßnahmen wie deren Wirkungen ausgeführt werden.

Berlin, den 8. November 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Durch Medienberichte erfuhr die Öffentlichkeit von einer erhöhten radioaktiven
Strahlenbelastung am atomaren Zwischenlager in Gorleben. Der für die Mes-
sungen der Strahlenbelastung zuständige Niedersächsische Landesbetrieb für
Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) hatte dem Niedersächsi-
schen Ministerium für Umwelt und Klimaschutz (NMU) die Messdaten für das
erste Halbjahr 2011 sowie eine darauf basierende Hochrechnung für das gesamte
Jahr 2011 übermittelt, die auf eine Überschreitung des sog. Eingreifwertes von
0,27 Millisievert pro Jahr (mSv/a) und des Genehmigungswertes von 0,3 mSv/a
hinwiesen. Diese Kalkulation berücksichtigte dabei nicht die für November die-
ses Jahres geplante Einlagerung von weiteren elf Behältern mit hochradioakti-
vem Atommüll aus der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague im Zwischenlager
Gorleben. Vor öffentlichem Bekanntwerden der Messwerte wurden im Juli 2011
vom Betreiber die Castorbehälter im Zwischenlager umgestellt. Laut Betreiber
des Zwischenlagers geschah dies aus Gründen der Anlagensicherheit, führe aber
tendenziell auch zu einer Minderung der Strahlendosis.

Die daraufhin vom NMU für zusätzliche unabhängige Messungen beauftragte
Physikalisch-Technische Bundesanstalt stellte im September 2011 fest, dass das
NLWKN die Messung nicht wie vorgeschrieben am Ort des Strahlungsmaxi-
mums am Betriebsgeländezaun vorgenommen habe. Die TÜV NORD AG wurde
vom NMU beauftragt, die prognostizierte Jahresdosis durch eigene Berechnun-
gen zu überprüfen. Die TÜV NORD AG ermittelte eine Gesamtdosisleistung
von 0,254 mSv/a bei Einlagerung der für 2011 geplanten Castorbehälter. Bei der
von der TÜV NORD AG eingeräumten Berechnungsunsicherheit von 10 Prozent
kann damit auch die TÜV NORD AG eine Überschreitung des sog. Eingreifwer-
tes von 0,27 mSv im Jahr 2011 nicht ausschließen.

Plausible Auswertungen der Messergebnisse der NLWKN durch die Fach-
gruppe Radioaktivität der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg kommen zum
Schluss, dass der Jahresgrenzwert von 0,3 mSv/a seit 2003 permanent und mit
ansteigender Tendenz überschritten wurde und wird. Auch die Greenpeace Ana-
lyse der Strahlenmessungen am Zwischenlager Gorleben kommt zu dem
Schluss, dass der Genehmigungsgrenzwert von 0,3 mSv/a im Jahr 2011 höchst-
wahrscheinlich überschritten wird. Eine Einlagerung weiterer Castorbehälter ist

demnach nicht zulässig.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7634

Das NMU hat am 31. Oktober 2011 den Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz
des Niedersächsischen Landtages unterrichtet, dass ihm keine Hinweise vorlie-
gen, die gegen die Erteilung der Zustimmung zur Einlagerung weiterer Castor-
behälter in das Zwischenlager Gorleben sprächen.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.