BT-Drucksache 17/7616

Aufkommenswirkungen und Entlastungsmöglichkeiten durch den Solidaritätszuschlag

Vom 7. November 2011


Deutscher Bundestag Drucksache 17/7616
17. Wahlperiode 07. 11. 2011

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Harald Koch, Richard Pitterle, Dr. Axel Troost
und der Fraktion DIE LINKE.

Aufkommenswirkungen und Entlastungsmöglichkeiten durch den
Solidaritätszuschlag

Sowohl in der Öffentlichkeit als auch von der Bundesregierung werden unter-
schiedliche Szenarien zur Einkommensteuerentlastung diskutiert. Hierbei steht
auch eine Absenkung des Solidaritätszuschlags zur Debatte. Der Solidaritäts-
zuschlag existiert, mit Unterbrechungen, seit nunmehr 20 Jahren. Mittlerweile
mussten sich diverse Gerichte bereits mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit
des Solidaritätszuschlags beschäftigen. Der Solidaritätszuschlag wirkt, infolge
einer Freigrenze bei geringen Einkommen, sehr differenziert auf unterschied-
liche Einkommenshöhen. Vor diesem Hintergrund gilt es zu klären, welche
Aufkommenswirkungen durch den Solidaritätszuschlag entstehen und welche
Entlastungsmöglichkeiten durch eine Absenkung möglich sind.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wann und mit welcher gesetzgeberischen Intention wurde der Solidaritäts-
zuschlag eingeführt?

2. Durch welche Einzelgesetze wurde das Solidaritätszuschlaggesetz bzw. das
Solidaritätszuschlaggesetz 1995 seit Einführung geändert (bitte mit Angabe
der materiellen Änderung und der Aufkommenswirkung)?

3. Wie hat sich der nominelle Steuersatz seit Einführung des Solidaritätszu-
schlags entwickelt?

4. Worin drückt sich die Solidarität (so die Namensgebung) bei der Erhebung
des Solidaritätszuschlags aus, und inwiefern ist damit eine Zweckbindung
angedeutet oder verbunden (bitte mit Begründung)?

Falls keine Zweckbindung mit dem Aufkommen des Solidaritätszuschlags
verbunden ist, warum nicht?

5. Hätten die mit der Einführung des Solidaritätszuschlags verfolgten Zwecke
auch durch andere Instrumente erreicht werden können, und wurden bzw.
werden diese Instrumente überprüft (bitte mit Begründung)?

6. Welche Ziele hinsichtlich der Haushaltsführung und der Erfüllung der hoheit-
lichen Aufgaben konnten und können durch Einführung des Solidaritäts-

zuschlags verbessert wahrgenommen werden (bitte mit Begründung)?

7. Wie fließt der Solidaritätszuschlag in den Bundeshaushalt ein, und aus wel-
chem Grund wird dieser nicht anteilig den Ländern zugewiesen?

8. Aus welchem Grund wurde der Solidaritätszuschlag als Annex zur Einkom-
men- und Körperschaftsteuer ausgestaltet und nicht als tarifäre Erhöhung
des regulären Tarifs direkt bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer
integriert?

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9. Aus welchem Grund setzt der Solidaritätszuschlag als Bemessungsgrund-
lage nicht an der tariflichen Einkommensteuer an, so dass zumeist sozial-
politische Fördertatbestände, die als Abzug von der Steuerschuld ausge-
staltet sind, nicht die Höhe des Solidaritätszuschlags beeinflussen?

10. Aus welchem Grund wird der Solidaritätszuschlag nicht auf weitere
Steuerarten als Annex erhoben?

11. Aus welchem Grund wurde der geltende Solidaritätszuschlag nicht befris-
tet?

12. Stimmt die Bundesregierung damit überein, dass die Ausgestaltung des
Solidaritätszuschlags in Form einer weiteren Abgabe zu einer stärkeren
Verkomplizierung des Steuerrechts im Vergleich zu einer Integration in den
allgemeinen Tarif geführt hat (bitte mit Begründung)?

13. Mit welchen zusätzlichen Bürokratiekosten rechnet die Bundesregierung
jährlich und pro Steuerfall durch die Existenz des Solidaritätszuschlags
(bitte differenziert nach Unternehmen, Privatpersonen und Verwaltung)?

14. In welchen europäischen Nachbarstaaten finden sich mit dem Solidaritäts-
zuschlag vergleichbare Abgaben bzw. Steuern?

15. Hat die Bundesregierung konkrete Pläne zur Abschaffung oder Absenkung
des Solidaritätszuschlags, und wann wird sie über Fragen der Erhebungs-
dauer entscheiden (bitte mit Begründung)?

16. An welche Bedingungen ist nach Auffassung der Bundesregierung die
Abschaffung des Solidaritätszuschlags geknüpft, insbesondere vor dem
Hintergrund der Finanzierungsfunktion des Solidaritätszuschlags (bitte mit
Begründung)?

17. Sieht die Bundesregierung den Solidaritätszuschlag als dauerhaftes Instru-
ment der Fiskalpolitik ohne zeitliche Befristung (bitte mit Begründung)?

18. Sieht die Bundesregierung die Erhebung des Solidaritätszuschlags als Mit-
tel zur allgemeinen Haushaltskonsolidierung an (bitte mit Begründung)?

19. Welche aufkommensneutralen Alternativen sind bei einer Abschaffung des
Solidaritätszuschlags vorstellbar (bitte mit Begründung)?

20. Welche Vorteile sieht die Bundesregierung in einer Steuerentlastung über
eine Absenkung des Solidaritätszuschlags gegenüber einer Steuersenkung
über eine Absenkung des Einkommensteuertarifs, auch vor dem Hinter-
grund, dass bei einer Entlastung über den Solidaritätszuschlag die kom-
plette Aufkommenswirkung dem Bund zufällt (bitte mit Begründung)?

21. Welche Vorteile sieht die Bundesregierung in einer Erhöhung der Frei-
grenze nach § 3 Absatz 3 des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 gegenüber
einer Steuersenkung durch eine Absenkung des Einkommensteuertarifs zur
Entlastung unterer und mittlerer Einkommen (bitte mit Begründung)?

22. Stimmt die Bundesregierung damit überein, dass eine allgemeine Absen-
kung des Steuersatzes beim Solidaritätszuschlag vor allem hohe Einkom-
men und Unternehmen entlastet (bitte mit Begründung)?

23. Aus welchem Grund wurde beim Steuersatz des Solidaritätszuschlags ein
fester Wert und kein mit der Bemessungsgrundlage ansteigender Steuersatz
(direkte Progression) gewählt?

24. Welche Verfahren wurden vor obersten Gerichten zum Solidaritätszuschlag
mit welchen Beschlüssen entschieden (bitte mit Angabe des Aktenzeichens
und des Datums)?

25. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Urteilen

des Bundesfinanzhofs vom 21. Juli 2011 zu Fragen des Solidaritäts-
zuschlags (bitte mit Begründung)?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/7616

26. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Beschluss
des Bundesverfassungsgerichts vom 8. September 2010 zu Fragen des
Solidaritätszuschlags (bitte mit Begründung)?

27. Welche anhängigen Verfahren vor obersten Gerichten existieren zum The-
menkomplex des Solidaritätszuschlags (bitte mit Angabe des Aktenzei-
chens und Streitfrage), und welche verfahrensrechtlichen Folgen implizie-
ren diese Streitfragen für die Festsetzung der Einkommen- und Körper-
schaftsteuer?

28. Aus welchem Grund sieht § 3 Absatz 3 des Solidaritätszuschlaggesetzes
1995 eine Freigrenze vor, und wie begründet sich der genaue Wert?

29. Wurde die Freigrenze nach § 3 Absatz 3 des Solidaritätszuschlaggesetzes
1995 seit ihrer Einführung an die Preissteigerung angepasst, und wenn
nein, aus welchem Grund nicht (bitte mit Begründung)?

30. Aus welchem Grund gilt die Freigrenze nach § 3 Absatz 3 des Solidaritäts-
zuschlaggesetzes 1995 nicht für Körperschaften?

31. Wie begründet sich der Wert von 20 Prozent bei der Abschmelzung des
Freibetrags nach § 4 Satz 2 des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995?

32. Aus welchem Grund wird die Freigrenze nicht auf die Bemessungsgrund-
lage des Solidaritätszuschlags bei abgeltend besteuerten Kapitalerträgen
(Abgeltungsteuer) angewendet?

33. Hält die Bundesregierung es für sachgerecht, dass durch einkommensteuer-
liche Abzüge von der tariflichen Einkommensteuer, wie z. B. die Gewerbe-
steueranrechnung nach § 35 des Einkommensteuergesetzes oder die Be-
rücksichtigung von haushaltsnahen Dienstleistungen nach § 35a des Ein-
kommensteuergesetzes, die Bemessungsgrundlage des Solidaritätszu-
schlags gemindert wird (bitte mit Begründung)?

34. Hält die Bundesregierung es, auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive,
für sachgerecht, dass bei einem typisierenden Gewerbesteuerhebesatz von
380 Prozent über die Anrechnung nach § 35 des Einkommensteuergesetzes
unter Einbezug des Solidaritätszuschlags es zu einer Überkompensierung
der Gewerbesteuerbelastung kommt, da die Minderung der Einkommen-
steuer auch zu einer Reduzierung des Solidaritätszuschlags führt, gleich-
wohl aber z. B. über § 51a Absatz 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes
die Anrechnung nach § 35 des Einkommensteuergesetzes nicht bei der Er-
mittlung der Kirchensteuer berücksichtigt wird (bitte mit Begründung)?

35. Hält die Bundesregierung es, auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive,
für sachgerecht, dass über die Anrechnung ausländischer Steuern nach
§ 34c des Einkommensteuergesetzes und die damit verbundene Senkung
der Einkommensteuer auch der Solidaritätszuschlag gemindert wird,
gleichwohl hinsichtlich des Solidaritätszuschlags keine Doppelbesteuerung
im In- und Ausland entstanden ist (bitte mit Begründung)?

36. Zu welchen Steuerausfällen würde eine Absenkung des Solidaritätszu-
schlags um 0,5/1/1,5/2/2,5/3/3,5/4/4,5/5/5,5 Prozentpunkte führen (bitte
differenziert nach Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Einkommen-
steuer auf abgeltend besteuerte Kapitalerträge)?

37. Zu welchen Steuerausfällen würde eine Erhöhung der Freigrenze nach § 3
Absatz 3 des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 (bei Beibehaltung der gel-
tenden Abschmelzregel) auf 1 000/1 500/2 000/2 500/3 000/3 500/4 000/
4 500/5 000 Euro führen (unter Beibehaltung der Verdoppelung durch den
Splittingtarif)?

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38. Zu welchen Steuerausfällen würde eine Einführung einer Freigrenze ana-
log zu § 3 Absatz 3 des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 (bei Einführung
einer analogen Abschmelzregel gemäß § 4 des Solidaritätszuschlaggeset-
zes 1995) für Körperschaften auf 500/1 000/1 500/2 000/2 500/3 000/
3 500/4 000/4 500/5 000 Euro führen?

39. Um welchen Betrag müsste die Freigrenze nach § 3 Absatz 3 des Solidari-
tätszuschlaggesetzes 1995 erhöht werden, damit insgesamt ein Entlas-
tungsvolumen von 1/2/3/4/5/6/7 Mrd. Euro erreicht wird?

40. Zu welchen steuerlichen Mehreinnahmen führt der komplette Wegfall der
Freigrenze nach § 3 Absatz 3 des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 sowie
des § 4 Satz 2 des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 basierend auf der
aktuellsten Einkommensteuerstatistik (bitte mit Abgabe der Gesamtsumme,
der Fallzahl, der Standardabweichung, den Aufkommensdezilen nach zu ver-
steuerndem Einkommen, differenziert nach Grund- und Splittingtabelle)?

41. Wie stellt sich das kassenmäßige Aufkommen des Solidaritätszuschlags
seit Einführung der Abgabe dar (bitte mit Einzelausweis für die einzelnen
Jahre, kumulierten Werten seit Einführung, Aufteilung des Aufkommens
aus den Bundesländern, prozentualer Anteil an den gesamten Einnahmen,
differenziert nach Einkommen- und Körperschaftsteuer)?

42. Wie wirkt sich ein kompletter Wegfall des Aufkommens aus dem Solidaritäts-
zuschlag auf die Einhaltung der Schuldengrenze aus (bitte mit Begründung)?

43. Wie stellt sich das Steueraufkommen aus dem Solidaritätszuschlag basie-
rend auf der Einkommen- und Körperschaftsteuerstatistik seit Einführung
des Solidaritätszuschlags (jährliche bzw. dreijährige Statistik) dar (bitte mit
Angabe des absoluten Aufkommens, Fallzahl, arithmetisches Mittel, Stan-
dardabweichung, Aufkommensdezile nach zu versteuerndem Einkommen,
differenziert nach Einkommen – unterteilt in Grund- und Splittingtabelle –
und Körperschaftsteuer)?

44. Wie viele Steuerpflichtige haben jährlich basierend auf der Einkommen-
und Körperschaftsteuerstatistik seit Einführung des Solidaritätszuschlags
(jährliche bzw. dreijährige Statistik) Solidaritätszuschlag gezahlt (bitte in
absoluten Zahlen, in Prozent zu sämtlichen Steuerpflichtigen, differenziert
nach Einkommen – Anwendung des Splittings kann als ein Steuerpflichti-
ger behandelt werden – und Körperschaftsteuer)?

45. Wie viele Steuerpflichtige haben jährlich basierend auf der Einkommen-
steuerstatistik seit Einführung des Solidaritätszuschlags bzw. seit Einfüh-
rung der speziellen Regelung im Solidaritätszuschlaggesetz 1995 (jährliche
bzw. dreijährige Statistik) keinen Solidaritätszuschlag gezahlt (bitte in ab-
soluten Zahlen, in Prozent zu sämtlichen Steuerpflichtigen, in Prozent zu
sämtlichen Steuerpflichtigen mit Solidaritätszuschlagszahlung)?

46. Wie viele Steuerpflichtige haben jährlich basierend auf der Einkommen-
steuerstatistik seit Einführung des Solidaritätszuschlags bzw. seit Einfüh-
rung der speziellen Regelung im Solidaritätszuschlaggesetz 1995 (jährliche
bzw. dreijährige Statistik) Solidaritätszuschlag gezahlt, der infolge des § 4
Satz 2 des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 nach der Gleitzone ermittelt
wurde (bitte in absoluten Zahlen, in Prozent zu sämtlichen Steuerpflichti-
gen, in Prozent zu sämtlichen Steuerpflichtigen mit Solidaritätszuschlags-
zahlung, mit Angabe des Mittelwerts und der Standardabweichung des So-
lidaritätszuschlags differenziert nach Grund- und Splittingtabelle)?

Berlin, den 7. November 2011

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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